Zu viele Brandopfer wegen lascher Kontrollen
Nach dem Brand in einem Club in Perm, bei dem 112 Menschen starben, fordert der russische Präsident härtere Strafen bei Missachtung der Brandschutzbestimmungen
(n-ost) – Ganz Russland gedenkt heute der Opfer des Feuers, das in der Nacht auf Samstag in einem Club der Uralstadt Perm ausgebrochen ist. Dabei kamen 112 Menschen ums Leben, 130 wurden verletzt. Die 500 Quadratmeter große Diskothek brannte fast vollständig aus. Bereits gestern trauerten vor dem Club „Lahmes Pferd“ Hunderte von Angehörigen und Bürgern. Sie legten Fotos der Toten, Ikonen und Blumen nieder. Vor der Diskothek, die am Freitagabend ihr achtjähriges Jubiläum feiert, lagen rote Nelken im Schnee, überall flackerten kleine Teelichter.
Vier Personen, darunter der Clubbesitzer Anatoli Sak, eine Geschäftsführerin sowie der für das möglicherweise brandauslösende Bühnen-Feuerwerk Verantwortliche, wurden festgenommen und sollen für Gericht gestellt werden. Clubbesitzer Sak, der nach einem Bericht der Zeitung Permski Obosrewatel die Stadt fluchtartig verlassen hatte, wurde im Umland von Perm festgenommen. Während der Vernehmung erklärte Sak, ihn treffe keine Schuld, da er den Club vermietet habe. Sak wurde im vergangenen Jahr in die Liste der 100 reichsten Männer der Stadt aufgenommen. Dem Geschäftsmann gehört neben dem Club „Lahmes Pferd“ auch eine Kette von Lebensmittelläden.
Ein Besucher der Feier im Club „Lahmes Pferd“ hatte den Beginn der Tragödie mit seinem Handy aufgenommen. Zum Ende einer Tanz-Show erklärte der Moderator launig: „Meine Damen und Herren, wir brennen. Verlassen Sie den Saal.“ In Panik drängten die 250 Besucher daraufhin zum einzigen Ausgang des Keller-Clubs. Die meisten wurden durch Gase vergiftet. Bei vielen Menschen wurden die Atemwege verätzt. Andere erlitten in dem Gedrängel Knochenbrüche. Weil die Stadt Perm nur begrenzte Kapazitäten für die Behandlung von Brandopfern hat, wurden 90 Verletzte mit Sonderflugzeugen des russischen Katastrophen-Ministeriums nach Moskau, St. Petersburg und Tscheljabinsk ausgeflogen.
Was den Brand genau auslöste, ist bisher unklar. Während Notstandsminister Sergej Schojgu erklärte, in dem Club sei ein für geschlossene Räume verbotenes Feuerwerk eingesetzt worden, bestand ein Moskauer Händler für Tisch-Feuerwerke darauf, dass die „kalten“ Funken kein Feuer auslösen können. Nach einem Bericht der Internetzeitung gazeta.ru gab es in einem Geflecht aus Reisig, mit dem die Decke des Clubs dekoriert war, möglicherweise einen Kurzschluss. In dem Video des Augenzeugen war zu sehen, wie sich das Feuer in dem Reisig-Geflecht an der Decke blitzartig ausbreitete. Möglicherweise ist aber auch eine der starken Beleuchtungslampen explodiert. Einen Terroranschlag schloss der Geheimdienst aus.
Gegen den Club hatte es schon mehrmals Beanstandungen von Seiten der Brandschutzbehörde gegeben. Bis zum heutigen Montag sollte der Club eine Reihe von Mängeln beim Feuerschutz behoben haben. Die Beseitigung der Mängel sollte heute überprüft werden. Dass die Betreiber der Einrichtung trotzdem ihre pompöse Jubiläumsfeier durchführen konnten, hat offenbar damit zu tun, dass sie die Aufsicht der Brandschutzbehörde nicht allzu sehr fürchten. Möglicherweise ist vor der Feier am Freitag auch ein Schmiergeld geflossen, wie es in solchen Fällen in Russland häufig üblich ist.
Was in Perm passiert sei, sei ein Verbrechen, erklärt der russische Präsident Dmitri Medwedew. Der Besitzer des Clubs habe „weder Hirn noch Gewissen“. Der Kreml-Chef forderte, die Verantwortlichen nach allen Möglichkeiten des Gesetzes zu bestrafen. Die Strafen für die Verletzung des Feuerschutzes müssten verschärft werden, forderte Medwedew. Zur Zeit liegen die Strafen in der Regel nicht höher als 1.000 Euro.
In Russland ereignen sich immer wieder schwere Brand-Katastrophen. Der Fernsehkanal NTW kommentierte, in Russland herrschten in Bezug auf Diskotheken-Brände schon „Zustände wie in der Dritten Welt“. Der Grund für die Brände in Russland ist, dass viele Gebäude nie modernisiert wurden. Die elektrischen Leitungen in Russland sind zweiadrig, also nicht geerdet. Soziale Einrichtungen wie Dorfschulen, Behinderten- und Altenheime befinden sich oft in einem sehr schlechten Zustand. Seit 1999 ereigneten sich in derartigen Sozial-Gebäuden neun Brände mit insgesamt 295 Toten. Jährlich sterben in Russland 17.500 Menschen bei Bränden. In Deutschland sind es nur einige Hundert.
Ulrich Heyden
ENDE
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