Georgien

Informationskrieg im Kaukasus

In der georgischen Hauptstadt Tiflis geht Anfang des nächsten Jahres der „Erste Kaukasische Kanal“ auf Sendung. Lange bevor das erste Bild gesendet ist, laufen die russischen Medien Sturm gegen den neuen Sender. Sie fürchten antirussische Propaganda. Der „Erste Kaukasische Kanal“ wird nämlich in russischer Sprache senden und über Satellit auch in den russischen Nordkaukasus-Republiken Tschetschenien, Inguschetien und Dagestan sowie Nord-Ossetien zu empfangen sein. Für die russische Zeitung „Wremja Nowostej“ ist es klar, wie Kanal über Russland berichten wird: „Georgien beschuldigt uns schließlich, Abchasien und Süd-Ossetien 'abgetrennt' zu haben.“ Der Politologe Sergej Markedonow geht tiefer: „Tiflis will zeigen, dass es sich nicht ergeben hat, dass es weiter mit Moskau kämpft und den Informationskrieg weiterführt.“

Besondere Wirkung könnte der kremlkritische Kanal im Nordkaukasus durchaus entfalten. Bisher unterdrücken moskautreue Statthalter dort bis auf wenige Ausnahmen Oppositionelle und unabhängige Medien gleichermaßen. Gija Tschanturija gibt offen zu, dass der neue Kanal ein Gegengewicht zum russischen Fernsehen werden soll. Er ist Direktor des „Georgischen Öffentlichen Fernsehens“, zu dem der Kanal gehören wird: „Das Ziel ist es, der russischsprachigen Bevölkerung die Position der georgischen Regierung darzulegen.“

Die Propaganda-Schlacht zwischen Russland und Georgien geht damit in die nächste Runde. Seit der Rosenrevolution 2003 und dem Machtantritt von Präsident Michail Saakaschwili haben sich die Beziehungen zwischen Russland und der früheren Sowjetrepublik Georgien immer weiter verschlechtert. Mit medial wirksamen Aktionen versuchen die beiden Länder immer wieder, den Nachbarn öffentlich zu erniedrigen. Im September 2006 ließ Präsident Saakaschwili mehrere russische Offiziere, die in russischen Militärbasen auf georgischem Gebiet stationiert waren, unter Spionagevorwurf festnehmen. Das georgische Fernsehen berichtete später live über die Übergabe der angeblichen Spione an Russland – eine aus russischer Sicht erniedrigende Prozedur.

Seit dem Krieg um Süd-Ossetien im August 2008 ist die russisch-georgische Grenze geschlossen, alle diplomatischen Beziehungen liegen auf Eis. Damals beendete Tiflis auch die Übertragung russischer Fernsehsender in Georgien. Die Reichweite russischer Medien im gesamten Kaukasus ist dennoch ungebrochen groß.

Dagegen will Georgien nun kämpfen und wirbt für den Kanal offenbar ausdrücklich Kremlkritiker an. Anfang November wurde bekannt, dass Alla Dudajewa und Oleg Panfilow eigene Sendungen bekommen werden. Dudajewa ist die Witwe des tschetschenischen Unabhängigkeitskämpfers Dschochar Dudajew, der zu Beginn der 90er Jahre zum ersten Präsidenten des unabhängigen Tschetscheniens gewählt wurde und 1996 bei einem Raketenangriff ums Leben kam. Seine Witwe lebt seit Dudajews Tod im Exil und kämpft bis heute für die Unabhängigkeit Tschetscheniens. Sie gilt als eingefleischte Russland-Kritikerin.

Mindestens ebenso kritisch gegenüber dem Kreml ist Oleg Panfilow: Der Russe war Direktor des „Zentrums für Journalismus in Extremsituationen“, das von Moskau aus Einschränkungen der Pressefreiheit in Russland dokumentierte. Im letzten Jahr nahm Panfilow die georgische Staatsbürgerschaft an, vor einigen Wochen siedelte er endgültig nach Tiflis um. „In einem Land, in dem dich der Staat und die Massenmedien betrügen, in dem die Menschen Angst haben, öffentlich ihre Meinung zu sagen, kann man nicht leben“, begründete er seine Entscheidung. Panfilow wurde im Oktober zudem von der georgischen Regierung als OSZE-Beauftragter für Medienfreiheit vorgeschlagen.

Wer den neuen Kanal finanziert, ist ebenfalls eine interessante Frage. Fernsehdirektor Tschanturija behauptet, der Kanal werde staatlich finanziert. Aber in Georgiens Budget ist für 2010 dieselbe Summe für Medienunterstützung vorgesehen wie in diesem Jahr, hat das oppositionelle Internet-Portal „sivil.ge“ vorgerechnet. Tatsächlich komme das Geld vom russischen Oligarchen Boris Beresowskij, sagen Oppositionsvertreter. Beresowskij ist jene graue Eminenz, die kurz nach dem Amtsantritt Wladimir Putins das Land verlassen musste und seitdem von seinem Londoner Exil aus gegen den Kreml kämpft. Man verfüge über eine Videoaufzeichnung, die Beresowskij bei einem Georgien-Besuch im September zeige. Beresowskij selbst bestreitet jede Beteiligung an dem Fernseh-Projekt.


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