In Russlands Süden geht die Sonne auf
(n-ost) – Marat Zaks ist Solarpionier und -veteran zugleich. Seit 40 Jahren beschäftigt er sich in der südrussischen Stadt Krasnodar mit der Erzeugung von Solarstrom. „Zu Sowjetzeiten war hier eines der Zentren, in denen Solarsysteme für die Raumfahrt produziert wurden“, sagt Zaks. Nach dem Zerfall der Sowjetunion gründete der Physiker eine eigene Solarfirma mit dem Namen „Solarwind“. Auf den großen Durchbruch wartet er allerdings noch. Nur fünf Megawatt leisten die Solarmodule, die seine Firma pro Jahr herstellt. Sie werden zum größten Teil ins westliche Ausland exportiert. Doch bald will Zaks in einem Zusammenschluss regionaler Firmen jährlich bis zu 100 Megawatt herstellen und würde sich damit den Kapazitäten westlicher Fabrikationsstätten annähern.
Der künftige Erfolg von „Solarwind“ wird auch vom politischen Willen in Moskau abhängen. Anfang Januar beschloss die Duma eine Verordnung zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen. Demnach soll ihr Anteil an der Stromerzeugung bis 2020 auf 4,5 Prozent steigen. Momentan decken sie nicht einmal ein Prozent der Stromversorgung ab. Nach einer Prognose des Energieministeriums müssten etwa 23 Gigawatt an erneuerbaren Energiequellen neu installiert werden, das entspricht in etwa der heutigen Gesamtkapazität der Erneuerbaren in Deutschland. Was Russland bislang fehlt, um das Ziel zu erreichen, ist eine entsprechende Förderung. Laut Beschluss vom Januar sollen nun Vergütungssätze für regenerativen Strom ermittelt und festgelegt werden. Zwar sind die russischen Netzbetreiber auch heute schon verpflichtet, diesen Strom aufzunehmen, der Preis ist aber frei verhandelbar. De facto können alternative Stromerzeuger durch zu niedrige Vergütung vom Markt ausgeschlossen werden.
Adolf Tscherniawskij ist Spezialist für erneuerbare Energien am „Südlichen Zentrum für Energietechnik“ in Rostow am Don. Er glaubt, dass es bald bis zu 17 Rubel (ca. 40 Cent) für die Kilowattstunde Solarstrom und bis zu fünf Rubel (ca. 12 Cent) für Windstrom geben wird. Damit würden die Erzeuger erneuerbarer Energien in Russland ähnlich hohe Vergütungen wie in Deutschland erhalten. „Wenn sich die erneuerbaren Energien erst einmal rechnen, werden die Investoren bei uns Schlange stehen“, prognostiziert Tscherniawskij.
Es gibt eine Reihe von Projekten im südlichen Bezirk, die bereits in Planung sind, wie etwa einen Windpark in Jeisk am Asowschen Meer mit 50 Megawatt und einen weiteren in Gelendschik am Schwarzen Meer mit 600 Megawatt. Die Verwaltung der Region Stawropol hat das Institut mit der Planung des größten Solarkraftwerks Russlands mit einer Leistung von 13 Megawatt beauftragt, das Strom und Wärme für einen neuen Stadtteil liefern soll. Adolf Tscherniawskij betrachtet den Umstieg als Notwendigkeit: Auch dem Energieriesen Russland werde in 20 Jahren das Erdöl und in 60 Jahren das Erdgas ausgehen.
Das Südliche Zentrum für Energietechnik entwickelt Energieprojekte und erstellt Machbarkeitsstudien. So hat sich Tscherniawskij erst kürzlich mit dem Solarpotenzial im Südwesten Russlands beschäftigt: „Allein mit Solarenergie könnten wir im südlichen Bezirk alle unsere Bedürfnisse nach Strom und Wärme im Überfluss decken.“ Auch für den Photovoltaik-Experten Marat Zaks hat die Sonne enormes Potenzial: „Es ist ein großer Fehler zu glauben, dass Russland ein nördliches Land mit wenig Sonne ist.“ Selbst im frostigen Jakutien gebe es genügend Sonneneinstrahlung, um daraus Energie zu gewinnen.
Wenn die Firma „Solarwind“ heute ins eigene Land liefert, dann zumeist wegen der geografischen und klimatischen Extrembedingungen. So stattete die Firma Hochspannungsleitungen mit Solarheizungen aus, damit sie im Winter nicht vereisen. Straßenlaternen ohne Netzanschluss erzeugen tagsüber mit Solarzellen ihren eigenen Strom, eine Forschungsstation im Gebirge muss sich autark mit Strom und Wärme versorgen. Bedarf sieht Zaks auch bei den zukünftigen Olympiastätten in Sotschi. In den Bergen sei es nicht überall möglich, Masten für Hochspannungsleitungen zu bauen, daher würde sich in manchen Bereichen die autarke Solarstromversorgung anbieten.
Die bisher umgesetzten Projekte sind klein, zeigen aber, dass es bereits eine Nische für erneuerbare Energien gibt, vor allem in abgelegenen Gebieten ohne zentrale Stromversorgung. Im Schwarzmeerraum erfreut sich vor allem die Warmwasser-Erzeugung mit Sonnenenergie gewisser Beliebtheit. Zwar ist das Heizen mit Erdgas billig, aber die Versorgung ist nicht immer ausreichend. „Die Hotels haben Gaskontingente, und wenn sie während der Saison mehr verbrauchen, wird das sanktioniert“, erklärt Alexej Vietinghoff vom Unternehmen Energeo. Die Firma aus dem Rostower Gebiet hat sich auf die Projektentwicklung im Bereich der erneuerbaren Energien spezialisiert. Nach Vietinghoffs Einschätzung ist bislang nicht der Preis, sondern die größere Zuverlässigkeit das entscheidende Argument für Wärme aus regenerativen Quellen.
Anfang Oktober konnte Energeo gemeinsam mit der deutschen Firma Sonnen-Fröhlich das erste Solardach in Rostow am Don einweihen. Die Kollektoren auf dem Dach des Elektrotechnischen Kollegs sorgen nun im Winter für Wärme und im Sommer für die Raumkühlung. Die Solaranlage dient dabei auch als praktisches Anschauungsobjekt für die Studenten der Fachhochschule und andere Interessierte. Finanziert wurde das Projekt im Rahmen des Solardachprogramms der Deutschen Energieagentur. Diese beobachtet sehr aufmerksam die russische Gesetzgebung in puncto erneuerbarer Energien. „Sobald die geplanten Einspeisevergütungen per Gesetz beschlossen sind, kann von einer dynamischen Entwicklung des Markts für erneuerbare Energien in Russland ausgegangen werden“, so die Einschätzung der Agentur. Für den Solarpionier und -veteran Marat Zaks wäre das der russische Sonnenaufgang.
Jutta Blume
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