Neue Regierung fährt harten Sparkurs
Seit Ihrem Antritt als Finanzminister fahren Sie einen harten Antikrisenkurs. Die Sparmaßnahmen in Höhe von 15 Prozent der staatlichen Ausgaben haben bereits zu einem großartigen Effekt geführt: Innerhalb von einem Monat wurde das Haushaltsloch auf ein Fünftel verkleinert – von 412 Millionen im Juli auf 76.5 Millionen Dollar im August. Weitere zehn Prozent sind geplant. Wie wollen Sie erreichen, 2009 ausgeglichen abzuschließen? Laut Internationalem Währungsfond (IWF) dürfte das schwierig werden.
Wir wollen uns nun auf die Einnahmeseite konzentrieren. Deshalb nehmen wir die Zollbehörde und die Nationale Agentur für Einkommen unter die Lupe, die mehr Steuern in die Kassen bringen müssen. Der IWF sagte, man erwarte als Defizit eher 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Andererseits bekamen wir Lob, dass wir innerhalb von zwei Monaten das frühere Defizit von 3,5 Prozent schon in Richtung Norm gesenkt haben. Dass dies eine große Leistung ist, kann man an den sinkenden Bankzinsen erkennen. Positive Signale bekommen wir auch von den ausländischen Banken in Bulgarien. Man neigt zu zusätzlichen Kreditvergaben. Das ist sehr wichtig für die Ankurbelung der Wirtschaft.
Welche Maßnahmen zur Unterstützung der realen Wirtschaft planen Sie?
Das, was sich schon jetzt positiv auswirkt, ist die schnelle Rückgabe der Mehrwertsteuer: Über 210 Millionen Euro haben die Arbeitgeber zurückbekommen, eine Reserve, die der Staat quasi zurückhielt. Ferner sollte eine Reform der Verwaltung Einsparungen bringen. Dies dürfte anschaulich machen, dass in der Krise nicht nur die Wirtschaft, sondern der Staat selbst eine Optimierung seiner Ressourcen anstrebt. Die größte Unterstützung dürfen die Unternehmen jedoch durch bessere Kreditbedingungen bekommen. Wir arbeiten gerade hart daran, mit der Bulgarischen Bank für Entwicklung etwa und unserer Bürgschaft. Ein anderer wesentlicher Faktor ist die Minderung des internationalen Finanzrisikos.
Im Zuge der Reformen wurden 10 Zollämter aufgelöst und rund 700 Zollmitarbeiter samt Führungspersonal entlassen. Gegen unregelmäßige Zahler gibt es sehr strenge Maßnahmen. Haben Sie keine Angst, dass gerade in der Krise diese harten Maßnahmen die Bevölkerung gegen die Regierung aufbringt?
Auch wenn viele diese Maßnahmen als unpopulär bezeichnen, behaupte ich, dass sie eigentlich sehr populär, weil erwünscht sind. Nach der Reform im Zollwesen habe ich von den Mitarbeitern selbst, aber auch von der Wirtschaft viele Dankesbriefe bekommen. Früher gab es politische Hindernisse für die Reformen, jetzt ist das nicht mehr so und die Menschen realisieren das.
Die Strukturreform im Zollwesen haben Sie als Kampf gegen die Mafia formuliert. In dieser Hinsicht handelt zurzeit die Regierung nicht sehr konsequent. Trotz Signalen von bedrohten Personen und Gruppen über mafiose Strukturen in der Varna-Region scheinen Ermittlungen nicht ausreichend geführt zu werden.
Der Kampf gegen die Mafia ist unser Anliegen Nummer eins, sonst würden wir uns blamieren. Da die organisierte Kriminalität auch politisch ist und mehr als zwei Mandate starke Positionen innehat, braucht es Zeit, bis man Beweise bekommt, zu denen die dann die Staatsanwaltschaft ermittelt, und bis schließlich Urteile fallen. In der Verwaltung ist es leichter, den Kampf gegen die organisierte Kriminalität zu führen, weil sich dort alles administrativ steuern lässt.
Die Regierung muss innerhalb von sechs Monaten die Europäische Union (EU) davon überzeugen, dass sie einen Kurswechsel betreibt. Wegen Veruntreuung von EU-Geldern sind nämlich im Vorjahr Subventionen in Höhe von 220 Millionen endgültig verloren gegangen, noch mehr Mittel sind eingefroren. Da Sie persönlich die Arbeit des Aufsichtsrat über die EU-Fonds kontrollieren: Finden Sie, dass es realistisch ist, doch noch schnell in den Genuss der gesperrten Mittel zu kommen?
Die technische und politische Kontrolle, die Koordination und das Monitoring sind bei uns konzentriert. Die Minister müssen uns über die Verwaltung der EU-Gelder berichten und ihre Handlungen untereinander abstimmen. In zwei Monaten werden wir positive Ergebnisse der Arbeit des Rats sehen.
Ein großes Ziel für Sie persönlich, aber auch für die Regierung ist der Beitritt Bulgariens in die Eurozone.
Ja, es ist absolut wichtig. Genauso wichtig wie die gute Verwaltung der EU-Fonds und eine funktionierende Rechtsstaatlichkeit. Erst dann werden wir gleichgestelltes EU-Mitlied sein. Dazu sollten wir eine gute makroökonomische, fiskale und Finanzpolitik vorweisen, was das Land ohnehin braucht, um wirtschaftlich stabil zu funktionieren.
Obwohl die neue Regierung für die Loslösung Bulgariens von der Energieabhängigkeit von Russland ist, merkt man, dass in letzter Zeit die russisch-bulgarischen Energieprojekte wie etwa South Stream Aufwind bekommen. Es ist auch sehr wahrscheinlich, dass der bulgarische Staat viel von seinem Majoritätsanteil am AKW Belene an Russland verkauft.
Unsere Vorgängerregierung führte eine prorussische Energiepolitik, die nicht im Dienste der bulgarischen Bürger war, sondern die Interessen einiger Gruppierungen in der Bulgarischen Sozialistischen Partei (BSP) bediente. Unsere Regierung versucht jedoch die Energiefragen nicht auf einer politischen, sondern auf einer Wirtschaftsbasis zu lösen. Nach den Einschätzungen stellte sich heraus, dass Bulgarien die sechs Milliarden Euro für den Bau des AKW Belene nicht hat, so dass es auf weitere Investoren neben RWE angewiesen ist. Das heißt jedoch nicht, dass die Anteile unbedingt an Russland gehen. Wir verhandeln auch mit anderen Investoren und werden uns an dem besten Angebot orientieren.
Gibt es Alternativen zum AKW Belene?
Wichtig ist es vorerst, dass eine grundlegende wirtschaftliche Analyse ausgearbeitet wird, die die Entwicklung in der Region berücksichtigt. Bis jetzt gab es so etwas nicht. Es könnte sich etwa herausstellen, dass Bulgarien die Energie aus dem AKW Belene gar nicht braucht, sondern seinen Bedarf durch Energieeffizienz und alternative Energie abdecken kann.