Kalaschnikow-Fabrik in Geldnot
Der Waffenhersteller muss sich am Mitwoch mit einer Bankrott-Klage auseinandersetzen(n-ost) – Sie schießt bei sengender Hitze, bei Frost und bei Regen: Die Avtomat Kalaschnikowa, kurz AK 47, wie das 1947 von Michail Timofejewitsch Kalaschnikow erfundene Schnellfeuergewehr in Russland heißt. Diese Waffe ist unverwüstlich. 80 Armeen auf der ganzen Welt sind mit Schnellfeuergewehren ausgerüstet, die auf Basis der Kalaschnikow entwickelt wurden. Die AK 47 diente in ihrer Geschichte afrikanischen Freiheitskämpfern ebenso wie Taliban-Terroristen.Für Michail Kalaschnikow, der sich schon während des Zweiten Weltkriegs im Schützengraben Anerkennung erwarb, indem er Geschütze verbesserte, und der noch heute als Berater der russischen Kalaschnikow-Fabrik Ischmasch arbeitet, kann eigentlich stolz auf sein Lebenswerk sein – selbst wenn das von ihm erfundene Gewehr nicht nur dem Frieden dient, wie er einst hoffte. Doch wenn der Waffenerfinder am 10. November in der Kalaschnikow-Fabrik Ischmasch in Russlands Teilrepublik Udmurtien seinen 90. Geburtstag feiert, mischt sich auch ein bitteres Gefühl in die Festtagsstimmung. „Die Kalaschnikow wird geklont“, meint Ischmasch-Sprecher Andrej Semtschonok mit einer Mischung aus Betrübnis und Stolz. Da sind zum einen die zahlreichen Patenträuber in Osteuropa, China, Afrika und im Nahen Osten, welche die Waffe ohne Lizenz herstellen. Dass es in Russland, wie die Website compromat.ru berichtet, Werkstätten im Untergrund gibt, die aus fabrikneuen Kalaschnikow-Teilen Waffen für Killer und Mafiosi herstellen, gehört für die Russen ebenso auf die Negativ-Seite der Kalaschnikow-Geschichte. Das nahende Jubiläum des Kalaschnikow-Erfinders Michail Timofejewitsch wird jedoch auch von einer anderen Meldung getrübt. Das Unternehmen Ischmasch, welches in verschiedenen Werken Kalaschnikows herstellt, stehe vor dem Bankrott, meldet die Presse. Nach Angaben der russischen Tageszeitung Kommersant steht Ischmasch gegenüber Finanzbehörden und Kreditgebern mit 17 Millionen Euro in der Kreide. Wegen der Finanzkrise seien Aufträge storniert worden, heißt es von Unternehmensseite.
Inzwischen werden die Kreditgeber unruhig. Am 7. Oktober verhandelt ein Schiedsgericht in der russischen Teilrepublik Udmurtien über die Klage des Geschäftsmanns Andrej Markin, der 186.000 Euro von Ischmasch fordert. Ein Vertreter des Pressedienstes der russischen Staats-Holding Rostechnologii, zu der auch Ischmasch gehört, erklärte jedoch n-ost gegenüber, 186.000 Euro seien nun wahrlich keine Summe, derentwegen eine so berühmte Fabrik pleite gehe. „Ein Unternehmen, das Kalaschnikows für die russische Armee herstellt, wird nie bankrott gehen“, so der Sprecher von Rostechnologii. Nicht nur die Kalaschnikow-Fabrik von Ischmasch, sondern die gesamte Maschinenbau-Industrie Russlands ist durch die Finanzkrise schwer angeschlagen. Die Lage des russischen Maschinenbaus sei heute so dramatisch wie zuletzt Anfang der 1990er Jahre als die Sowjetunion zerfiel, erklärte Ischmasch-Generaldirektor Wladimir Grodezki gegenüber dem staatlichen Fernsehkanal Westi 24. Damals warteten Millionen Russen monatelang auf ihre Löhne. Damit sein Unternehmen rentabel arbeite, müsste der Anteil der Staatsaufträge bei 30 Prozent liegen, erklärte Generaldirektor Grodezki. Zur Zeit liege er bei nur fünf Prozent. Wie schwer die Lage für das Unternehmen ist, zeigte sich im Ischmasch-Zweigwerk Molot (dt.: Hammer). Wie die Zeitung Kommersant berichtete, hatten sich gegenüber den 5.000 Arbeitern bis April dieses Jahres Lohnschulden in Höhe von 2,8 Millionen Euro angehäuft. Die Arbeiter wurden deshalb mit Sonnenblumenöl, Mehl, Nudeln und Zucker „bezahlt“. Die Bankrottklage des Geschäftsmanns Andrej Markin, mit der sich Ischmasch am 7. Oktober vor einem Schiedsgericht in Udmurtien auseinandersetzen muss, wirft jedoch nicht nur ein Schlaglicht auf die angespannte Situation in Russlands Maschinenbau, sondern auch auf die Situation in der Region Udmurtien, die zu den Hochburgen der russischen Mafia gehört. Andrej Markin, der gegenüber Journalisten erklärte, seine Klage habe „keine politischen Gründe“, es gehe „nur um Geld“, hat in der Region nicht den besten Ruf. Markin, der auch Abgeordneter im Regionalparlament von Udmurtien ist und zu den führenden Köpfen von Wladimir Schirinowskis LDPR (Liberaldemokratische Partei Russlands) in Udmurtien gehört, hat nach Presseberichten Kontakte zur Mafia. In der Unterwelt soll Markin unter dem Namen „Markel“ bekannt sein, berichtete die Internetzeitung Utro. Der Geschäftsmann mit dem angeschlagenen Image hat in der Region – offenbar nicht immer mit lauteren Mitteln – ein ganzes Imperium von Bau- und Handelsfirmen erobert. Auch im Steuerparadies Zypern soll der Liberaldemokrat über Besitztümer verfügen. Wie verschiedene Internetzeitungen berichten, ist dort auch Markins Briefkastenfirma Konvi Development Limited registriert. Mit seinem Engagement für die Schirinowski-Partei versucht Markin offenbar, seinen Ruf zu verbessern. Das ist typisch für Geschäftsleute mit Schmuddel-Image. Die LDPR kam in den letzten 15 Jahren immer wieder in die Schlagzeilen, weil kriminelle „Autoritäten“ mit viel Geld in der Partei Unterschlupf suchten, um – ausgestattet mit parlamentarischer Immunität – ihre Geschäfte besser zu schützen.
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Ulrich HeydenNachdruck und Weiterverwertung dieses Artikels sind kostenpflichtig. Informationen im n-ost-Büro unter (030) 259 32 83 - 0