Russland

Stille Freude über Teil-Rückzug vom Raketenschirm

(n-ost) – „Wir schätzen das verantwortungsvolle Herangehen des Präsidenten der USA bei der Realisierung unserer Vereinbarungen.“ Mit diesen Worten lobte der russische Präsident Dmitri Medwedew am Donnerstagabend in einer Fernsehansprache den Verzicht von US-Präsident Barack Obama auf den Raketenabwehrschirm in Polen und Tschechien. Sie deuteten an, dass Moskau sich zwar nicht in einer Siegerpose wiegt, wohl aber stolz ist, dass die Regierung in Washington wieder mehr auf Moskau hört.Der von vielen Beobachtern als „Neustart“ bezeichnete Dialog zwischen Obama und Medwedew begann schon im Juli in Moskau mit Gesprächen über Abrüstung, internationale Sicherheit und die Lage in Afghanistan. Am 23. September, am Rande der UN-Vollversammlung in New York, will Medwedew seinen Dialog mit Obama fortsetzen.Die Entscheidung des amerikanischen Präsidenten sei, so Medwedew in seiner Fernsehansprache, eine gute Bedingung für Gespräche über eine gemeinsame Bewertung der Risiken, die auf der Welt „durch die Verbreitung von Raketen“ entstünden. Jetzt gehe es darum, gemeinsam mit den europäischen und anderen interessierten Staaten, „effektive Maßnahmen bezüglich der Risiken der Verbreitung von Raketen“ auszuarbeiten.Wladimir Putin bezeichnete während eines Aufenthalts in Sotschi den Verzicht auf den Raketenschirm in Polen als „richtige und mutige Entscheidung“. Der nächste Schritt müsse nun sein, dass Washington die noch aus Sowjetzeiten stammenden Handelsbeschränkungen für Spitzentechnologien gegenüber Russland aufhebt, erklärte der russische Premier.Washington setzt gegenüber Russland jetzt stärker auf Zusammenarbeit. Es ist durchaus möglich, dass auch die nukleare Abrüstung davon profitiert. Am 5. Dezember läuft der Vertrag über die Begrenzung der strategischen Nuklearwaffen von 1991 aus. Wie die russische Tageszeitung „Nesawisimaja Gaseta“ unter Berufung auf Experten-Kreise berichtete, haben sich Amerikaner und Russen in Vorverhandlungen bereits auf neue Zahlen geeinigt. Danach wollen die USA und Russland ihre strategischen Raketen auf 800 Stück und ihre Sprengköpfe auf 1.600 Stück begrenzen. Wie das Blatt weiter berichtet, wird es aber kaum möglich sein, den neuen Vertrag zur Begrenzung strategischer Waffen noch vor dem 5. Dezember zu unterzeichnen.Dmitri Rogosin, Russlands Nato-Botschafter reagierte bissig auf die Entscheidung in den USA. Der Westen solle nicht erwarten, dass Russland jetzt in „kindliche Euphorie“ verfalle. Einen Handel über Zugeständnisse an die USA werde es nicht geben, denn Washington habe nicht mehr getan, „als eigene Fehler korrigiert“. Rogosin sagte, auch die vom Pentagon angekündigte Stationierung von Abwehr-Raketen auf Schiffen könne Russlands Sicherheitsinteressen beeinträchtigen, denn diese Schiffe könnten sich den Küsten Russlands nähern.Der russische Politologe Aleksej Arbatow vermutet, Washington werde von Russland nun die Bereitschaft zu harten Iran-Sanktionen und den Verzicht auf die Lieferung von S 300 Raketenabwehr-Systemen an den Iran erwarten. Vor zehn Tagen öffnete Moskau den Amerikanern einen Luftkorridor für militärische Transportflüge nach Afghanistan. Doch noch gibt es keine Bestätigung dafür, dass die USA diesen Korridor in Anspruch nehmen. Russische Sicherheitsexperten hatten zu verstehen gegeben, Moskau erwarte im Gegenzug, dass Washington keine Anstrengungen mehr für eine Aufnahme von Georgien und der Ukraine in die Nato unternimmt.Ulrich Heyden
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