Bulgarien

Die Krise verschärft sich

Während Zentraleuropa sich langsam von der Krise erholt, trifft die Rezession die bulgarische Wirtschaft erst jetzt mit voller Wucht. Zum ersten Mal seit zwölf Jahren ist die Wirtschaftsleistung zwei Quartale hintereinander gesunken, allein von April bis Juni ist sie im Vergleich zum Vorjahr um 4,8 Prozent geschrumpft. Der negative Trend ist vor allem auf die Produktionsschwierigkeiten in der Schwerindustrie und der Landwirtschaft zurückzuführen, der Dienstleistungssektor verzeichnet momentan ein geringes Wachstum von 0,3 Prozent. In einem beispiellosen vierjährigen Haushaltsplan der bulgarischen Regierung für den Zeitraum 2010 bis 2013 wird für das kommende Jahr mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um zwei Prozent, einem Anstieg der Inflation bis auf 2,2 Prozent und einem Wachsen der Arbeitslosigkeit bis auf 11,4 Prozent gerechnet. Das Finanzierungsdefizit dürfte bereits zum Jahresende 1,3 Milliarden Euro erreichen.

„Die Ursache für die desolate Finanzlage des Staates liegt unter anderem bei den rekordhohen Ausgaben“, sagte Petar Ganev vom Institut für Marktwirtschaft. Im Vergleich zu 2008 nahmen sie um 25 Prozent zu, während die Einnahmen um zehn Prozent sanken. Richtig leer wurde die Staatskasse im Zuge des Wahlkampfes für die Parlamentswahlen im Juni und Juli. Allein in der letzten Vorwahlwoche hat das Kabinett Stanischev rund 300 Millionen Euro für den Wahlkampf ausgegeben. Ein parlamentarischer Ausschuss wird demnächst Unregelmäßigkeiten bei diesen Finanzierungen ermitteln.

Indes macht sich die ambitionierte neue Regierung auf einen harten Winter gefasst. Der Finanzminister und ehemaliger Weltbankökonom Simeon Djankov hat einen radikalen Sparkurs angekündigt. Weitere Vorschläge von ihm sind die Beibehaltung der gegenwärtigen Direktsteuer, Senkung der Sozialabgaben um zwei Prozent und eine Änderung im Handelsgesetz, wonach das Gründungskapital für eine GmbH von 2500 auf einen Euro zurückgesetzt werden soll.

Die Ausgaben für die zweite Jahreshälfte wurden bereits um 15 Prozent reduziert. Dies soll Djankov zufolge zu einem ausbalancierten Haushalt führen, der einerseits die Stabilität des Währungsbords sichern soll, andererseits eine wichtige Voraussetzung für die Bewerbung des Landes zur Einführung des Euro ist.

Die Bevölkerung wird die Sparmaßnahmen im Portmonee stark spüren: Die Staatsgehälter und Renten, bis auf geringe Zuschläge bei Verwitwung und für hohes Alter, dürften bis Mitte 2010 auf demselben Level wie jetzt bleiben. Das heiße jedoch nicht „Einfrieren“, unterstrich Premierminister Bojko Borissov. „Das Geld, das bei Razzien gegen Wirtschaftskriminalität eingesammelt wird, wird an die Sozialschwachen und Rentner gehen“, sagte er. Nach den ersten einschlägigen Maßnahmen gegen den Schmuggel im Obst-und Gemüsehandel, die von den bulgarischen Erzeugern begrüßt wurden, wird nun auch auf dem Markt für Brennstoffe gefahndet. Um Steuerbetrug künftig besser zu bekämpfen, wurde die Nationale Agentur für Steuereinnahmen mit der Zollagentur vernetzt, wichtige personale Änderungen bei der Zollverwaltung wurden unternommen.

Während die Regierung versucht, die Budgetlöcher durch höhere Steuereinnahmen zu stopfen, wurde bekannt, dass die Finanzierung aus verschiedenen EU-Fonds nicht sicher ist. Dies soll ein Verhandlungsthema des Premierministers Bojko Borissov und einiger Mitglieder des Kabinetts am 9. und 10. September mit den europäischen Kommissaren sein.


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