Lettland

Knoblauch gegen die Schweinegrippe

Im Kindergarten der sechsjährigen Liva stinkt es gewaltig. Schuld daran ist Knoblauch, der den Kindern verabreicht wird, um sie gegen die Schweinegrippe zu schützen. Die Wirkung ist zwar umstritten, doch in der Wirtschaftskrise glauben die Letten wieder stärker an die Kraft der Volksmedizin, weil sich viele den Gang zum Arzt bald nicht mehr leisten können. Das könnte zu einer schnelleren Ausbreitung der Schweinegrippe in Lettland führen.

Experten erwarten, dass die Influenza des Typs H1N1 (Schweinegrippe) im kommenden Herbst, wenn das Immunsystem durch schlechte Wetterbedingungen geschwächt ist, am stärksten um sich greift. Anders als bei der anderen saisonalen Grippewellen ist bei dem neuen Virus zu 80 Prozent die Altersgruppe der 10- bis 49-Jährigen betroffen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO rechnet damit, dass weltweit ein Drittel der Bevölkerung an der Pandemie erkranken könnte. Noch handelt es sich bei den in den baltischen Staaten gemeldeten H1N1-Krankheitsfällen fast ausschließlich um heimkehrende Reisende, die sich während ihrer Reise ins Ausland mit dem Erreger angesteckt haben. Deren Anzahl beläuft sich auf etwas über 80, wobei Estland mit 39 Fällen der Löwenanteil zufällt, gefolgt von Litauen mit 22 und Lettland mit 20 Fällen. Die Dunkelziffer kann jedoch erheblich höher liegen.

Bis zu 70.000 Personen – fast 3,5 Prozent der Bevölkerung – könnten im kommenden Herbst allein in Lettland angesteckt werden, schreibt die lettische Tageszeitung Diena. In Lettland kommt erschwerend hinzu, dass die Zukunft der staatlich finanzierten medizinischen Betreuung ungewiss ist. Bedürftige, Arbeitslose und Pensionierte erhalten zurzeit eine kostenlose Versorgung. Doch die Kosten im Gesundheitssektor sind im Zuge von Sparmaßnahmen um ein Drittel gesenkt worden. Viele Menschen befürchten, sich den Gang zum Arzt nicht mehr leisten zu können und somit von der medizinischen Versorgung ausgeschlossen zu werden.

Doch nicht nur dies, auch die prekäre Lage in den Krankenhäusern bringt die kostenlose medizinische Versorgung ins Wanken. Denn den vom Staat finanzierten Krankenhäusern droht wegen der schwierigen Finanzlage des Landes jederzeit die Schließung. Der Vorsitzende des Verbands Lettischer Krankenhäuser Jevgenijes Kelejs sagte der Tageszeitung Dienas Bizness: „In dieser Situation, in der die Mittel für die Krankenhäuser um 70 bis 90 Prozent gekürzt wurden, sind sie nicht der Lage, ihre Funktion wahrzunehmen.“ Anfang August hat das Krankenhaus „Rigas Pirma Slimnica“ als erstes seine Türen für Kassenpatienten und Mittellose geschlossen und behandelt Patienten nur noch gegen Barzahlung.

Besorgniserregend sind auch die schlechten Hygienestandards in den ärmeren Bevölkerungsschichten. Ihre Lebensbedingungen dürften sich mit dem Fortschreiten der Wirtschaftskrise weiter verschlechtern. Denn im Winter droht denen, die ihre Rechnungen nicht bezahlen können, die Abschaltung der Warmwasser-, Wärme- und Stromversorgung. Die Weltgesundheitsorganisation warnt bereits davor, dass es durch Sekundärinfektionen und Ernährungsdefizite zu gefährlichen Nebenkomplikationen bei Grippeerkrankungen kommen kann. Um so wichtiger sei eine fachärztliche Betreuung der Krankheitsfälle.

Liene Johansone, Pressesprecherin des Lettischen Gesundheitsministeriums erklärt indes, dass das Ministerium für Gesundheit und das Institut für Infektionskrankheiten die Lage in Lettland beobachteten. Aus finanziellen Gründen werde Lettland jedoch keine Impfstoffe bestellen. Jedoch hofft Lettland auf Gelder aus dem Topf des Europäischen Solidaritätsfonds.

Derweil erleben in Lettland Homöopathie und traditionelle Volksmedizin ihre Wiedergeburt. Volksmedizin, sagt die pensionierte Toxikologin Marite Kriscuna, komme in ihrer Wirkung der modernen Schulmedizin oft sehr nahe. Medikamente wie Antibiotika oder zur Therapie gegen Virusgrippen eingesetzte Heilmittel könne sie jedoch nicht ersetzen.

Wie effektiv Knoblauch zur Vorbeugung ist, vermag die Dina Zobena, Mutter der sechsjährigen Liva nicht zu sagen. Experten gehen davon aus, dass für die immunitätsstärkende Wirkung von Knoblauch die Schwefelverbindungen des Allylsulfids verantwortlich ist. Sie soll geschädigte Gefäße reparieren und die Abwehrfähigkeit gegen schädliche Eindringlinge erhöhen. Doch Studien, die das belegen, gibt es laut Robert Koch-Institut nicht.

Bisher hätten private Gesundheitsvorsorge und eine gesunde Ernährung ihre Töchter und sie selbst vor Grippewellen geschützt, meint Dina Zobena, Buchhalterin in einer Bankgesellschaft. Sie hofft, wie viele andere Familien, dass das auch in Zukunft der Fall sein wird.


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