Koalitionsgespräche begonnen
Medienberichten zufolge soll Bulgariens Wahlsieger Bojko Borissov darauf bestehen, dass die neue Regierung nur von Politikern und Experten gebildet wird, die bis jetzt keine Ministersessel bekleidet haben. Der einzige Posten, den Borissov inzwischen bestätigte, geht an Simeon Djankov. Der 38-jährige Chef-Ökonom wird neuer bulgarischer Finanzminister. Seine Einstellung dürfte sich sehr positiv auf das Investitionsklima in Bulgarien auswirken, glauben Experten. „Wir müssen viel Personal in der Verwaltung streichen und dabei mit der Schließung von den Ministerien beginnen, die sich als uneffizient erwiesen haben“, sagte der Djankov vor den Wahlen der Tageszeitung „24 Stunden“.
Die erste Bewährungsprobe von Borissovs Mitte-Rechts-Regierung wird es sein, einen erfolgreichen Plan gegen die Wirtschaftskrise auszuarbeiten. Das zweite – und langfristige – Ziel ist die Zurückgewinnung des Vertrauens der EU. Die hatte ihre Zahlungen nach Sofia drastisch gekürzt, weil der Kampf gegen Korruption keine Ergebnisse brachte. An dieser Aufgabe ist der alte Premier Sergej Stanischev gescheitert. Daran wird auch der neue Premier Borissov gemessen werden, schließlich war es sein Wahlversprechen, mit dem gegenwärtigen Modell des Klientelismus in der bulgarischen Politik zu brechen und EU-Gelder für Infrastruktur-und Landwirtschaftsprojekte zu bekommen. „Die Menschen wollen von uns die Änderung des Status quo, wir schulden ihnen dies“, erklärte Borissov.
„Sie wollen nicht länger den zynischen Konsens der politischen Eliten dulden“, sagte der Politologe Ognjan Mintschev über die Bulgaren, die Borissovs Partei gewählt haben. Sie hätten das System der „Ringe von befreundeten Firmen“, solchen nämlich, die die regierenden Parteien unterstützen und im Gegenzug von ihnen Aufträge bekommen, abgewählt. Elitaristisch zu regieren und das Volk ständig an der Nase herumzuführen, habe das Aus für die alte Koalition bedeutet. Mit der Ernennung von Miroslav Najdenov zum Landwirtschaftsminister könnte Borissov seine Pläne noch einmal unterstreichen. Najdenov, dessen Name bereits in den Medien kursierte, war durch seine Enthüllungen von Missständen beim Tausch von staatlichen Grundstücken bekannt geworden.
Während die ersten Verhandlungen zur Kabinettsbildung am Montag begannen, wurde bekannt, dass der Vizeminister für außerordentliche Situationen Alexander Philipov von der liberalen Partei NDSW wegen Verdacht auf Korruption und Stimmenkauf verhaftet worden ist. Er soll seinen Einfluss bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen mit bulgarischer und europäischer Finanzierung missbraucht haben und in Wahlmanipulationen involviert gewesen sein. Viele der nun abgewählten Amtsinhaber müssten sich vor ähnlichen Auseinandersetzungen mit der Justiz fürchten, sagte Borissov.
Der Sozialistenchef und nun abgewählte Ministerpräsident Sergej Stanischev äußerte deshalb die Befürchtung, dass nach der vollzogenen Machtwechsel eine Zeit des Revachismus folgen könnte. In der Wahlnacht räumte er zwar Fehler in seiner Regierung ein, will jedoch, dass über seine eigene Verantwortung das Parteiplenum später befindet.HINTERGRUNDDas WahlergebnisDie Bulgaren haben am Wahlsonntag die von den Sozialisten (BSP) angeführte Regierung abgewählt. Sie erhielt laut vorläufigem Wahlergebnis lediglich 17,7 Prozent der Stimmen. Stattdessen gaben sie einer Mitte-Rechts-Regierung grünes Licht. Nach dem durchschlagenden Sieg der oppositionellen „Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens“ (GERB) mit 39,7 Prozent wird der Bürgermeister von Sofia Bojko Borissov zum neuen Ministerpräsidenten. Der Siegerpartei fehlen wahrscheinlich nur fünf Sitze zu der angestrebten Ein-Parteien-Regierung. Die Parteiführung hat bereits Koalitionsgespräche mit Vertretern anderer Volksparteien vom Bündnis „Blaue Koalition“ aufgenommen.