Morde überschatten Wahlkampf
Während sich die beiden großen Parteien in Albanien eine Woche vor der Parlamentswahl am 28. Juni mit nichtssagenden Slogans übertreffen, überschattet der inzwischen dritte Tod eines Politikers den Wahlkampf. Ein lokaler Parteichef der christlich-demokratischen Partei (PDK) kam in seinem Auto ums Leben, als ein Sprengsatz explodierte.
Vor einer Woche wurde ein Aktivist der Regierungspartei von einem Anhänger der Sozialisten erschossen. Zuvor hätten sie über die Aufhängung von Wahlplakaten gestritten, schreiben die Wahlbeobachter der OSZE in einem Bericht. Bereits im Mai wurde ein Politiker der Sozialisten erschossen, die Tat ist noch nicht aufgeklärt. Vorfälle dieser Art spielen die beiden Parteien indes herunter. So habe beispielsweise der Mord von vergangener Woche keine politische Bedeutung. Beide mahnten, den Wahlkampf friedlich fortzuführen.
Auch die Wahlsprüche der beiden großen Parteien ähneln sich – ebenso wie viele ihrer Wahlkampfversprechen. Während die Demokratische Partei (PD) von Premierminister Sali Berisha mit „Albanien verändert sich“ wirbt, beschwören die Sozialisten (PS) unter Herausforderer Edi Rama eine „Neue Politik für den Wandel“. Was sich konkret hinter dem Slogan vom Wandel verbirgt, erklären sie indes nicht.
Neu in diesem Wahlkampf ist das Medium Musik: Mit neu komponierten Liedern sollen vor allem Kinderstimmen die Botschaften der beiden großen Parteien in das Bewusstsein des Wählers bringen. Im Lied der Demokraten besingen Kinder das Glück über den sich vollziehenden Wandel unter einem alternden Berisha, der in diesem Jahr seinen 65. Geburtstag begeht. Die Botschaft: Auf dem einmal beschrittenen Weg in eine bessere Zukunft gibt es kein Zurück.Das Propaganda-Lied der Sozialisten wendet sich hingegen vor allem an die passiven und die Nicht-Wähler. Mit „Stand up“ brandmarkt man die Politik der vergangenen Jahre als großes Theater. Edi Rama, der um 20 Jahre jüngere Herausforderer von Berisha, greift in dem Lied selbst zum Mikrofon und erinnert an die zahlreichen Skandale, die sich in Berishas Amtszeit häuften.
Der wohl schwerste Skandal unter Berisha war die Explosion eines illegalen Munitionslagers in Gërdec, bei der im März vergangenen Jahres 25 Menschen starben. Berisha wird vorgeworfen, in die tragischen Ereignisse verwickelt gewesen zu sein. Von diesen Vorwürfen versucht er mit der Eröffnung der Autobahn Durrës- Kukës abzulenken – und das zum Teil erfolgreich.Der Autobahnbau ist ein prestigeträchtiges Projekt, das zukünftig den Kosovo mit Albanien verbinden soll. Noch ist diese Großinvestition mit politischer Tragweite aber nicht vollendet, auch wenn Berisha schon einmal vorfristig Teile der neuen Straße zusammen mit seinem kosovarischen Amtskollegen Hashim Thaçi einweihte. Am 25. Juni, einen Tag vor dem offiziellen Ende des Wahlkampfs, soll die feierliche Gesamteröffnung stattfinden.
Trotz der vor allem durch die Medien gefeierten Erfolge dieser symbolträchtigen Infrastrukturmaßnahme halten sich Korruptionsvorwürfe. Lulëzim Basha, ehemaliger Transportminister, wird beschuldigt, öffentliche Gelder in großem Umfang für den Autobahnbau missbraucht und das Ausschreibungsverfahren manipuliert zu haben. Zudem zeigte sich gerade beim Autobahnbau, dass Berishas Versprechen über mehr Arbeitsplätze für Albaner ein leeres war – die Autobahn wurde vor allem von türkischen Arbeitskräften gebaut.
Ein weiterer Skandal rankt sich um einen der erfolgreichsten Minister der Regierung Berisha, um Kulturminister Ylli Pango: Von einer geheimen Kamera gefilmt, bot Pango einer Frau einen Job an und verlangte dafür sexuelle Dienste. Nach der Veröffentlichung dieses Videos im März musste Pango seinen Hut nehmen. Trotz dieser Skandale, die Amtsinhaber Berisha belasten, dürfte es für den Führer der Sozialisten schwer werden, die Wahlen zu gewinnen. Denn auch Edi Rama ist nicht unumstritten.
Erst vor fünf Jahren konnte sich Rama gegen seine innerparteilichen Widersacher durchsetzen – nur auf Kosten der Abspaltung des linken Flügels, der als „Bewegung für Integration” (LSI) gesondert zu den Wahlen antreten wird. Unter deren Vorsitzenden Ilir Meta werden der Partei Chancen eingeräumt, nach dem Urnengang eine wichtige Rolle als Mehrheitsbeschaffer zu spielen. Auch Meta, der als Student bei der Wende von 1990 mitwirkte, stimmt mit seinem Slogan „Zeit für Taten” in den Partei-übergreifenden Chor der Aktionisten ein.
Ähnlich wie Meta versucht Rama sein Image als „Revolutionär der ersten Stunde“ einzusetzen und die eingeschlafenen Erinnerungen an die Wende 1990 als Motor für den Wandel zu reaktivieren. Nicht zufällig begann die Sozialistische Partei ihre Wahlkampagne in der Studentenstadt von Tirana, wo 1990 die friedliche Revolution in Albanien – mit Edi Rama als einem ihrer Beteiligten – ihren Anfang nahm.
Damit distanzierte sich Rama ganz bewusst von den Wurzeln seiner Partei im Politkader der Hoxha-Diktatur. Edi Rama hat die PS mit seiner Position „jenseits der linken und rechten Ideologien” neu aufgestellt. Aber auch dagegen regt sich Widerstand. Die abgespaltenen Linken werfen ihm vor, seine „linke Identität” aufgegeben zu haben. Zudem steht der Parteichef, der zur Abwahl der „Regierung der Skandale“ aufruft, selbst im Verdacht durch Korruption Baufirmen begünstigt zu haben.