Russland

Lenin im alten Anzug

Pünktlich zum 139. Geburtstag von Wladimir Ilitsch Lenin wurde am Mittwoch das Mausoleum am Roten Platz wieder geöffnet. Zwei Monate lang war der rot-schwarze Palast aus Granit und Marmor für Besucher geschlossen. In dieser Zeit hatte das „Allrussische Wissenschaftliche Institut für Heil- und aromatische Pflanzen“ den Leichnam in einer speziellen Kräuter-Lösung gebadet. Mit der Geheim-Lösung aus verschiedenen Substanzen hält man den balsamierten Leichnam ansehnlich. Dank der „einzigartigen Technologie“ könne man Lenin noch 100 Jahre lang zeigen, erklärte Jurij Denisow-Nikolskij, der Direktor des für die Lenin-Konservierung zuständigen Instituts gegenüber der Zeitung „Trud“.Die Kommunisten kleideten die berühmte Mumie je nach politischer Konjunktur.

17 Jahre lang trug der tote Lenin eine Uniformjacke. Dann verpasste man ihm einen Anzug aus feinem Schweizer Lüstergewebe. Lenin soll den leicht glänzenden Anzug aus feiner Wolle zu Lebzeiten besonders gerne getragen haben. Weil die Balsamierungsmittel in die Jacke eindringen, muss sie eigentlich alle drei Jahre gewechselt werden. Nachdem die Jacke das letzte Mal 2003 gewechselt wurde, war dieses Jahr eine neue überfällig. Doch weil die Mittel wegen der Finanzkrise knapp sind, beschränkte man sich noch einmal damit, den Lüster-Zwirn mit Dampf zu reinigen und dann mit einem Bügeleisen zu glätten. „Der Staat hat seit 1992 keine Kopeke mehr bezahlt. Alles wird von der Stiftung Lenin-Mausoleum und privaten Förderern aufgebracht“, erklärt der Direktor des Konservierungsinstituts.

Die Reinigung des Anzugs ist das Mindeste, was gemacht werden müsse, denn jeder Dreckfleck – so die Experten – könne das Balsamierungsexperiment zunichte machen. Zum Geburtstag von Lenin zog wie jedes Jahr der Führer der russischen Kommunisten, Gennadij Sjuganow, mit mehreren Hundert Anhängern – darunter eine Schar „Junger Pioniere“ – zum Mausoleum. Ein weiterer Demonstrationszug, der eigentlich unter Führung von Ultranationalist Wladimir Wladimir Schirinowski und unter Beteiligung von Musikern der Gothic-Rock-Gruppe „Excorzist“ sowie Priestern und Mönchen um den Roten Platz und den Kreml ziehen wollte, wurde von der Polizei am Sammelplatz aufgehalten. Ihre Parole lautete„Weg mit dem Idol von der Kreml-Mauer“.

Das Mausoleum sei eine „Kirche des Teufels“. Man müsse es vernichten, hieß es in einer Erklärung der Organisatoren, die ihr Event „Kreuz-Zug“ nannten. Russische Liberale und Menschenrechtler fordern seit Jahren, Lenin endlich zu beerdigen. Nach einer Umfrage des Lewada-Meinungsforschungsinstituts unterstützen zwei Drittel der Russen diese Forderung. Aber solange es noch eine beträchtliche Zahl von Lenin-Anhängern gibt, will offenbar kein russischer Präsident die Verantwortung für eine Beerdigung übernehmen. Bei der Internet-Abstimmung des russischen Staats-Fernsehens über die „größten Russen“, im Dezember 2008, landete Lenin – nach dem Fürsten Aleksandr Newski (Platz 1) und Josef Stalin (Platz 3) –  auf Platz sieben.


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