Trübe Aussichten für die Baubranche
Ein Wachstum von neun Prozent und 3000 neue Wohnhäuser – von diesen Hochkonjunkturzahlen aus dem goldenen Jahr 2008 kann die bulgarische Baubranche nur noch träumen. Der Wohnungsmarkt ist gelähmt, 75 Prozent der Baufirmen im Infrastruktursektor haben keine Aufträge mehr. Vom Motor der bulgarischen Wirtschaft mit dem höchsten Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist der Bausektor nun zum Sorgenkind geworden. Die Krise dürfte sich auch stark auf die Produktion und den Handel etwa in der Chemie- und der Holzverarbeitungsindustrie auswirken.
Billiges Land, billige Arbeitskraft und niedrige Preise brachten den Investoren jahrelang Gewinne zwischen 15 und 20 Prozent ein. Geschäfte wurden oft blind – via Internet – durchgeführt. Somit ist viel spekulatives Kapital etwa aus England und Irland nach Bulgarien geflossen. Mit dem Anstieg der Grundstückspreise verschwand jedoch das Interesse am schnellen Geld. Die ersten Zeichen eines Investitionsrückganges machten sich schon Mitte 2008 durch einen Rückgang der Baugenehmigungen für Wohnungen bemerkbar. Die Finanzkrise führte dann zu einem Überangebot an Investitionsprojekten.Nun gibt es keine Investitionen mehr, die Banken sagen konsequent die Finanzierung von Wohnungsbauprojekten ab und die Kunden ziehen sich zurück.
„Gleich am Anfang eines Gesprächs in einer Bank, sobald man sich als Bauunternehmer vorstellt, wird einem höflich die Tür gezeigt“, erzählt Asparuch Delev, Chef der Baufirma „Delar“. Für den Wohnungsbau, der immerhin 70 Prozent der Branche ausmacht, ist somit ein harter Überlebenskampf angesagt. Die Firmen rechnen ihre Ausgaben immer wieder durch und versuchen durch allerlei Tricks – von Leasing bis zur Verlosung – die fertigen Wohnungen loszuwerden. Trotzdem bleiben jedes Quartal allein in Sofia rund 3700 Wohnungen leer.
Aus dieser Not dürfte die Branche nur herauskommen, wenn eine volle Umstrukturierung stattfindet, sagt Ivan Bojkov, Geschäftsführer der bulgarischen Baukammer. Infrastrukturbau und Gebäudesanierung sollten in der Zukunft im Sektor dominieren. Dafür sollte der Staat mittels Zinssenkung eingreifen, vor allem jedoch sich dringend um die EU-Finanzierung der Infrastrukturprojekte kümmern. Wenn die nicht gesichert werde, müsste man bis zur Jahreshälfte mit 50 Prozent Rückgang und 40.000 bis 50.000 Arbeitslosen rechnen, ist Bojkov überzeugt.
Bevor der Hahn der EU-Gleder wieder aufgedreht wird, müsse jedoch die Verwaltung einiges in Richtung Professionalismus, Transparenz der Ausschreibungen und Kontrolle verbessern, fordert die Generaldirektion Erweiterung der EU-Kommission. Wegen Amtsmissbrauchs bei Mitarbeitern der Straßenbauagentur, die die Infrastruktur-Projekte in Bulgarien verwaltet, musste die Kommission bereits eine Milliarde Euro an EU-Hilfen einfrieren. Die Krise sehen indes viele Menschen in Bulgarien als Chance, das unkontrollierte und planlose Bebauen des Landes zu beenden.