Zukunft in der Einheit
Herr Levent, es ist das erste Mal, dass Sie an Wahlen in den besetzten Gebieten teilnehmen. Was ist Ihr Ziel?
Diese Wahlen sind keine demokratischen Wahlen, weil Nordzypern unter türkischer Besatzung steht. Die linken Parteien schließen sich mit den rechten zusammen, alle sind Diener der Türkei geworden. Das Volk Zyperns steht an einer Wegscheide und weiß nicht, wen es wählen soll. Wir nehmen an den Wahlen teil, um mit denselben Waffen zu kämpfen wie die von der Türkei kontrollierten Parteien. Wir möchten die Stimme der türkischen Zyprioten sein, nicht die der Siedler aus der Türkei.
Umfragen sagen den Sieg der Partei für Nationale Einheit (UBP) von Dervis Eroglu voraus, der als hartnäckiger Nationalist gilt. Wird das Ergebnis der Wahl die Verhandlungen um die Lösung des Zypernproblems beeinflussen?
Dass die Verhandlungen in Gefahr geraten, wenn die UBP gewinnt, wie Zyperns Präsident Dimitris Christofias behauptet, ist falsch. Ich verstehe das Verhalten der griechischen Zyprioten nicht. Wenn wir unter türkischer Besatzung sind, welche Bedeutung hat dann, wer gerade in der Regierung sitzt? Für die Türkei ist es besser, wenn Eroglu gewinnt. Dann werden fünf weitere Jahre vergehen, ohne dass eine Lösung für den Konflikt gefunden wird. Die türkisch-zypriotische Bevölkerung wird schrumpfen und schrumpfen, bis sie total verschwindet.
Wie stehen Sie zu den Verhandlungen zwischen dem gemäßigten Führer der türkischen Zyprioten, Mehmet Ali Talat, und dem Präsidenten der Republik Zypern, Dimitris Christofias?
Selbst wenn Talat und Christofias sich auf eine Lösung einigen sollten, wird wieder ein Referendum durchgeführt. Und das Ergebnis wird dasselbe sein wie 2004: Eine Seite wird „Ja“ sagen zur Wiedervereinigung und die andere „Nein“. Wenn man den Konflikt wirklich lösen will, darf man kein Referendum durchführen, genau wie 1960, als Zypern sich aus der britischen Kolonialherrschaft löste. Der Schlüssel für die Beilegung des Konflikts liegt bei den USA und Großbritannien. Die aber sind mit der aktuellen Situation zufrieden. Das Zypernproblem ist kein Problem zwischen Türken und die Zyprioten, sondern es geht um die Kontrolle im Mittleren Osten.
Warum sind Sie dagegen, Zypern zu einer Konföderation zweier Staaten zu machen, wie es der Annan-Plan von 2004 vorsieht?
Der Annan-Plan war ein Trick. Es war ein Plan zur Rettung der Türkei. Die Türkei ist in Zypern Besatzungsmacht. Dieser Plan aber sieht sie nicht als Schuldigen für die Situation, sondern macht sie zum Richter.
Welche Lösung schlagen Sie vor?
Es gibt keine andere Lösung für diesen Konflikt als die Wiedervereinigung der Insel. Beide Volksgruppen müssen wieder anfangen, zusammenzuleben. Die türkischen Truppen sollten sofort abziehen. Sie sollen beiden Seiten die Gelegenheit geben, das zu tun, was sie selbst für richtig halten.
Glauben Sie, dass eine Wiedervereinigung möglich und erwünscht ist, nach all dem, was passiert ist?
Ich glaube, dass die griechischen Zyprioten und die türkischen Zyprioten dafür noch nicht bereit sind. Langfristig können diese Probleme aber gelöst werden, zum Beispiel durch Änderungen im Bildungssystem. Wenn zwei Staaten geschaffen werden, wird es eine unüberbrückbare Grenze zwischen ihnen geben, dauerhafter Frieden wird unmöglich. Seit 35 Jahren gab es auf Zypern keine gewaltsamen Ausschreitungen mehr. Dies kann sich aber jederzeit ändern. Es gibt viele Waffen und viele Soldaten, das ist eine große Gefahr für Zypern.
Und wie soll das Problem der Siedler aus der Türkei gelöst werden?
Unsere Partei fordert, die Staatsbürgerschaft derjenigen zu annullieren, die sie illegal erworben haben. Diese Siedler müssen Zypern verlassen. Andere werden bleiben dürfen, zum Beispiel diejenigen, die nach 1974 geboren wurden oder mit türkischen Zyprioten verheiratet sind. Frage: Was soll aus den Garantiemächten werden und mit dem Recht auf eine Intervention?Levent: Wir brauchen keine Garantiemächte. Die Türkei und Griechenland tragen eine erhebliche Mitschuld an der jetzigen Situation. Wir haben gesehen, was für eine Garantiemacht die Türkei war: Sie hat das Land besetzt. Ich persönlich habe auch in die EU kein Vertrauen, angesichts dessen, wie sie mit der Situation im ehemaligen Jugoslawien umgegangen ist und dass sie nicht in den Libanon-Krieg eingegriffen hat.
Was erwarten Sie von der Regierung der Republik Zypern?
Ich erwarte von Präsident Christofias, dass er den türkischen Zyprioten ein Angebot macht, in die Republik Zypern zurückzukehren und an der Stelle weiterzumachen, wo sie 1963 aufgehört haben. Und dass die türkischen Zyprioten die ihnen zustehenden 24 Sitze im Parlament der Republik Zypern einnehmen.
Sie haben wegen Ihrer Einstellungen wiederholt ihr Leben in Gefahr gesetzt. Sie wurden verhaftet und haben zwei Bombenanschläge auf das Gebäude ihrer Zeitung überlebt. Werden Sie immer noch bedroht?
Manchmal klingelt nachts immer noch das Telefon, aber es ist nicht so schlimm wie 2000. Ich habe von der Polizei verlangt, Ermittlungen wegen der Drohanrufe zu führen. Nach wenigen Monaten hat sie behauptet, es habe nie solche Anrufe gegeben oder ich hätte sie selbst getätigt.