Russland

DAS ENDE EINER ENGEN FEINDSCHAFT

Der Mord an einem Tschetschenen in Dubai ist nur der letzte in einer ganzen Serie

(n-ost) – Ramsan Kadyrow und Sulim Jamadajew – ihre Biografien sind so ähnlich, dass man meinen könnte, sie seien Brüder. Beide kämpften einst auf Seite der tschetschenischen Rebellen gegen Russland und beide wechselten später an die Seite Moskaus. Da ist nur ein, wenn auch zentraler Unterschied: Der eine ist heute Präsident Tschetscheniens, der andere ist tot. Und dafür machen Ermittler Kadyrow und seine Entourage verantwortlich.Auf einem Parkplatz in Dubai fielen die tödlichen Schüsse. Die Ermittler in dem Emirat sprechen von einer „100-prozentig tschetschenischen Tat“. Vier Verdächtige sollen nach Russland geflohen sein, ein Iraner sowie ein Tadschike sind in Haft. Und einer von ihnen nannte den Namen des angeblichen Drahtziehers der Tat: Adam Delimkhanow, Mitglied des Unterhauses des russischen Parlaments, ehemals Vize-Premier Tschtscheniens und Freund Kadyrows. Einer aus dem innersten Kreis des Präsidenten, wie es heißt. Sein Leibwächter soll die Waffe bereit gestellt und den Auftrag erteilt haben. Ausgeheckt habe den Plan Delimkhanow persönlich.Der Ex-Rebell und Ex-Leibwächter Kadyrows Umar Israilow in Wien, Grosnys Ex-Vizebürgermeister Gilani Schepijew in Moskau, Jamadajews Bruder Ruslan in Moskau, drei weitere tschetschenische Separatisten in Istanbul – sie alle sind tot, mit gezielten Kopfschüssen niedergestreckt innerhalb der vergangenen Monate. Russische Medien sprechen von einer Mordserie an prominenten Tschetschenen – sie vermuten eine Negativ-Image-Kampagne gegen Kadyrow dahinter. Dies sehen Ermittler im Ausland anders – mit Verweis auf die zunehmend fester werdenden Strukturen des De-facto-Regimes Kadyrows und dessen immer expansiver werdenden Aktivitäten, die mittlerweile auch in Moskau mit Argwohn beobachtet werden. Beispielsweise Kadyrows Versuche, die riesige Diaspora wieder zurückzuholen oder sich seiner Feinde auch im Ausland zu entledigen.Zwischen Kadyrow und Jamadajew herrschte seit Jahren Rivalität. Die Kadyrow-Familie wie die Jamadajew-Familie waren nach dem ersten Tschetschenien-Krieg nach Russland übergelaufen. Beide behielten dabei ihre bewaffneten Einheiten. Während die Kadyrows aber zugleich verstärkt in die Politik gingen, wurde Jamadajews Guerillagruppe als Sondereinheit „Vostok“ dem russischen Militärgeheimdienst GRU untestellt. Die Einheit war vor allem in der Region Gudermes aktiv. Jamadajew selbst wurde später der Titel „Held Russlands“ verliehen.Die Spannungen zwischen den beiden als Warlords agierenden Clanführern entluden sich schließlich nach einem Verkehrsunfall in Gudermes – der Auslöser zur ersten offenen Konfrontation zwischen der Miliz Kadyrows und der „Vostok“ Jamadajews. Das Resultat: Ein stundenlanges Gefecht, bei dem unterschiedlichen Meldungen zufolge 10 bis 60 Menschen starben. Und das, weil keiner der Konvois dem anderen Vorfahrt gewähren wollte.Die offen ausgetragenen Rivalitäten zwischen den beiden Verbündeten wider Willen hatten das offizielle Russland alarmiert. In den Krieg gegen Georgien im August 2008 zog Jamadajew mit seiner Einheit zwar noch, kurz darauf wurde er jedoch von der Armee gefeuert. Als dann im vergangenen Herbst sein Bruder in Moskau ermordet wurde, floh Jamadajew mit einem russischen Pass unter dem Namen Sulaiman Madow nach Dubai. Offenbar aber nicht weit genug.Sowohl Ramsan Kadyrow als auch Adam Delimkhanow bestritten vehement jede Verwicklung in die Tat. Zugleich sagte Ramsan Kadyrow der russischen Nachrichtenagentur RIA Nowosti, er sei sich zu 70 Prozent sicher, dass Jamadajew in den Mord an seinem Vater Achmad Kadyrow 2004 verwickelt war. Jamadajew hätte man, so Kadyrow, also lebend gebraucht, um ihn vor Gericht zu stellen und dann nach tschetschenischem Brauch an ihm Rache zu üben – wie, darauf ging er nicht ein.
ENDE


Nachdruck und Weiterverwertung dieses Artikels sind kostenpflichtig. Informationen im n-ost-Büro unter (030) 259 32 83 – 0


Weitere Artikel