Obama trifft Medwedew
Vor dem Treffen der beiden Pragmatiker haben sich die russisch-amerikanischen Beziehungen bereits spürbar verbessert
(n-ost) – Als George Bush vor acht Jahren das erste Mal Kreml-Chef Wladimir Putin getroffen hatte, erklärte er danach ziemlich theatralisch, er habe „dem Mann in die Augen“ sehen können und dabei „einen Eindruck von seiner Seele“ gewinnen können. Derartige theatralische Erklärungen sind von dem Pragmatiker Obama, der am Mittwoch zum ersten Mal Putins Nachfolger Dmitri Medwedew trifft, nicht zu erwarten. Obama (47) ist ein brillanter Redner und Pragmatiker. Dmitri Medwedew (43) ist noch ein etwas steifer Redner, aber auch er ist ein Pragmatiker, der sich öffentlich von jeglichem Anti-Amerikanismus distanziert hat. Dies hielt ihn jedoch nicht davon ab, Obama unmittelbar nach seiner Wahl im November zu provozieren. Medwedew kündigte an, Russland werde als Antwort auf die geplante amerikanische Raketenabwehr in Polen und Tschechien Iskander-Mittelstreckenraketen in Kaliningrad aufstellen. Das wirkte angesichts der Obama-Begeisterung in der Welt deplaziert, verschaffte dem russischen Anliegen jedoch größere Aufmerksamkeit,. Die geplante Raketenabwehr wird von Russland als Bedrohung gesehen. Eine Rakete aus Polen bräuchte zehn Minuten bis Moskau, den russischen Generälen blieben acht Minuten, um zu reagieren, so die Berechnungen von Experten.Dass sich in den russisch-amerikanischen Beziehungen bereits jetzt, nur wenige Monate nach Obamas Amtsantritt, etwas geändert hat, ist unübersehbar. Anatoli Torkunow, Leiter der Moskauer Diplomaten-Universität MGIMO, erklärte in der Iswestija, die USA bemühten sich um einen neuen Stil in den Beziehungen zu Russland. Denn Washington brauche Moskau bei der Lösung der Probleme in Afghanistan, Iran und bei der Terrorismus-Abwehr. Deshalb hätten amerikanische Russland-Experten empfohlen, Moskau nicht mehr „vor Fakten zu stellen“ und es „in der Demokratie zu erziehen“. Russlands Interessen sollten offenbar „nicht mehr ignoriert“ werden. Nach dem Georgien-Krieg – so Torkunow – werde es den russischen Diplomaten allerdings „nicht leicht fallen, zu der romantischen Welle der russisch-amerikanischen Beziehungen in der Zeit von Gorbatschow und Schewardnadse zurückzukehren“. Die Beziehungen zwischen Russland und den USA hatten sich in den letzten Jahren immer stärker abgekühlt. Der Höhepunkt war der Krieg in Georgien, im August vergangenen Jahres. Die anti-amerikanisch gestimmten russischen Medien hatten für den Angriff der georgischen Armee auf die südossetische Stadt Zchinwali nicht nur den georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili, sondern auch die damalige US-Administration verantwortlich gemacht. Diese habe Saakaschwili nicht zurückgehalten, sondern angeblich auch zu dem Angriff ermuntert. Zudem gebe es unter russischen Diplomaten, so Torkunow, seit den 1990er Jahren die Meinung, Russland werde von der Nato eingekreist.Washington hat in den vergangenen Monaten bereits die Fühler ausgestreckt, um herauszufinden, inwieweit es mit Moskau in bestimmten Problem-Feldern zusammenarbeiten kann. Henry Kissinger, der die US-Außenpolitik seit den 1960er Jahren – unter anderem als Außenminister – mit prägte, besuchte Experten in Moskau zu Gesprächen. Anfang März wurde ein Geheimbrief von Obama an Medwedew bekannt. Darin schlug der neue Mann im Weißen Haus dem Kreml-Chef einen Tausch vor. Russland solle bei der Vereitelung von Irans Atombombenplänen helfen, die USA würden dann ihren Raketenschild in Polen und Tschechien zurückziehen. Doch Medwedew erklärte umgehend: „Es gab keine Gespräche über irgendeine Art von Tauschgeschäft.“
Ulrich Heyden
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