Russland

Truppen für den Nordpol

In der neuen russischen Sicherheitsdoktrin für die Arktis ist der Aufbau von speziellen Militär-Einheiten vorgesehen(n-ost) – Der russische Sicherheitsrat plant den Aufbau spezieller Arktis-Streitkräfte. Das geht aus der neuen russischen Sicherheitsdoktrin für die Arktis hervor. Russland erforscht intensiv den Teil des Nordpols, den es als russische Zone und bedeutendes Rohstoffreservoir beansprucht. Am Nordpol vermuten Experten 20 Prozent der weltweit noch unerschlossenen Öl- und Gasvorkommen. Mitte März kreiste ein russisches Militär-Transportflug vom Typ Iljuschin 76 über der Arktis. 50 Kilometer vom Nordpol entfernt öffnete sich die Heckklappe. Die verschnürten Lasten – Traktoren, Treibstoff und Zelte – stürzten in die Tiefe. Nach kurzer Zeit öffneten sich die Fallschirme der Soldaten, die auf einer über zwei Kilometer breiten Eisscholle die neue russische Drift-Station „Barneo“ aufbauen sollen. Mit der Station will Russland die Wetterbeobachtung am Nordpol fortsetzen. Wegen der ungeklärten Territorialansprüche rund um den Nordpol hat jede russische Aktion in der Arktis inzwischen eine politische Dimension. Im vergangenen Jahr flog Nikolai Patruschew, der ehemalige Geheimdienstchef und amtierende Leiter des russischen Sicherheitsrates, zum Nordpol und ließ sich dort stolz ablichten.Zwar beteuern alle Nordpol-Anrainer – die USA, Russland, Kanada, Norwegen und Dänemark – ihre friedlichen Absichten und die Notwendigkeit der internationalen Zusammenarbeit. Aber mancher Zungenschlag klingt dennoch eher nach Machtdemonstration als nach friedlicher Zusammenarbeit. So kündigte der russische Sicherheitsrat in einer neuen Arktisdoktrin den Aufbau spezieller Arktis-Streitkräfte an. Laut diesem Grundsatz-Papier, das diese Woche im Internetarchiv des russischen Sicherheitsrates auftauchte, sollen die geplanten russischen Arktis-Streitkräfte in der Lage sein, „die militärische Sicherheit in unterschiedlichen militär-politischen Situationen sicherzustellen“. Bis 2016 sollen die „Außengrenzen der Arktischen Zone der Russischen Föderation“ in Verhandlungen mit den fünf Nordpol-Anrainern geregelt sein. Russland begründet seinen Anspruch auf den größten Teil des Nordpols mit dem ozeanischen Lomonossow-Rücken, der sich nach russischer Darstellung vom russischem Territorium bis zum Nordpol erstreckt. „Natürlich wird die Aufteilung nicht auf militärischem Wege durchgeführt“, sagt der Nordpol-Experte Konstantin Sajzew. Doch mit einem schnellen Ergebnis von Verhandlungen sei nicht zu rechen. Das könne „drei bis vier Jahre“ dauern, glaubt Sajzew.Der russischen Arktisdoktrin zufolge soll der russische Inlandsgeheimdienst FSB den Küsten- und Grenzschutz in der Arktisregion verstärken, die durch das Auftauen des Arktiseises in Zukunft zu einer viel befahrenen Wasserstraße werden könnte. Zwei Monate vor der russischen wurde bereits die Sicherheitsdoktrin der USA für die Arktis veröffentlicht. In einem noch von George W. Bush unterzeichneten Dokument heißt es, die USA hätten „grundlegende Interessen der nationalen Sicherheit in der Region“. Man sei bereit, „unabhängig und zusammen mit anderen Staaten zum Schutz dieser Interessen“ zu handeln.Bereits jetzt beobachtet Russland argwöhnisch jede militärische Aktivität in der Region um den Nordpol. Der russische Außenminister Sergej Lawrow erregte sich jüngst über ein norwegisches Manöver. Der Sprecher des russischen Außenministeriums Andrej Nesterenko sagte, die Aktivität der Nato in der Arktis könne das „konstruktive Verhältnis“ zwischen den Anrainer-Staaten „unterhöhlen“. Im August 2007 hatte der Duma-Abgeordnete Artur Tschilingarow, der bei der Verankerung einer russischen Flagge aus Stahl am Meeresboden des Nordpol beteiligt war, ziemlich dreist erklärt, „die Arktis gehört uns“. Doch der Nordpol-Experte Konstantin Sajzew, der 1992 die russische Trikolore auf dem Nordpol hisste, relativiert diese Aussagen: Eine Flagge am Nordpol zu hissen, heiße nicht, dass man das gesamte Territorium beanspruche. „Die Amerikaner haben ja auch eine Flagge auf dem Mond gehisst und nicht erklärt, der Mond sei jetzt amerikanisch“, sagt er.Ulrich Heyden
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