Deutschland

Osteuropäische Trickfilme per „Omnibus“

Heute Abend sind die vier jungen Frauen mit den Trickfilmen zu Gast in Regensburg. In Pforzheim haben sie die Veranstaltungsreihe gestartet, München, Hamburg und Berlin folgen in den nächsten Tagen. Etwa 50 Gäste erwarten die Kulturmanagerinnen aus Russland, Serbien, Bulgarien und Polen. Um acht Uhr soll es beim „Kulturverein Graz“ losgehen. Noch sind es knapp zwei Stunde, bis die ersten Gäste in die Schäffnerstraße kommen. Zeit also für die letzten Vorbereitungen: Stühle müssen aufgestellt, die kleinen Kärtchen für die Abstimmung verteilt werden. Und der Video-Beamer funktioniert noch nicht richtig: „Warum ist das Bild unscharf?”, ruft Ksenia Volkova in den noch leeren Raum. Sie weiß, dass es wieder ein langer Abend wird, der nach der Filmvorführung noch nicht vorüber ist. Dann kniet sie sich auf den roten Musterteppich und zieht einen Staubsauger über die letzten Staubflocken und Krümel.

An ein klassisches Filmfestival erinnert hier wenig. „Omnibus“ ist aber auch keine Veranstaltung für feine Abendroben, kleine Häppchen und Ehrengäste. „Omnibus“ ist jung, enthusiastisch und unkonventionell. Die Idee für das Festival ist auf einem gemeinsamen Seminar im Frühjahr entstanden. „Wir haben gesehen, dass in Deutschland dieses Jahr 100 Jahre Animationskunst gefeiert wird”, sagt Ksenia Volkova. Umso überraschter waren die Frauen, als sie feststellten, dass im Vergleich zu ihren Heimatländern diese Kunstform in Deutschland kaum verbreitet ist. „Bei uns ist das eine Mode”, sagt Ksenia Volkova, „sehr viele Menschen beschäftigen sich damit.” Nun wollen sie die osteuropäischen Filme den deutschen Zuschauern zeigen. Die Stipendiatinnen der Robert Bosch Stiftung sind einem Jahr in Pforzheim, Regensburg, München und Hamburg tätig. Deshalb haben sie auch diese Orte für ihre Tour ausgewählt. Weil sie mit einem Minibus von Ort zu Ort fahren, haben sie ihrem Festival auch gleich diesen Titel gegeben: „Omnibus.“

Innerhalb weniger Wochen bekamen die Organisatorinnen 157 Kurzfilme aus fast allen Ländern Osteuropas zugesandt, deren Macher sich der Publikumswertung stellen wollten. 24 davon wählten die Kulturmanagerinnen aus. Richtig schwer war das, sagen sie im Rückblick. „Am Ende verließen wir uns auf unser Bauchgefühl.“

Heute Abend entscheiden die Zuschauer über die Gewinner. In vier Kategorien können die Besucher jeweils den besten Film auswählen. Auch auf den weiteren Tourneestationen entscheidet das Publikum. Die vier Filmemacher, die am Ende die meisten Stimmen bekommen, erhalten eine Einladung für das Internationale Trickfilmfestival in Stuttgart im kommenden Jahr.

Klassisches Inventar russischer Märchen: Die Hexe Baba Jaga

Mit der Dunkelheit kommen auch die Zuschauer in die ehemalige Spenglerei des Kulturvereins, wo die Filme gezeigt werden. Jelena Vukmanovic blickt ungeduldig auf die Uhr. „Es muss jetzt losgehen“, sagt sie. Nach der Filmvorführung ist das Festival nicht zu Ende. Es soll in einer Bar weiter gefeiert werden, mit Livemusik von „Limebridge“, einer jungen Indie-Band aus Krasnojarsk in Sibirien. Aber um halb zwölf muss die Musik dort aus sein, wegen der Anwohner. Und deshalb müssen die Filme pünktlich starten.

Jelena Vukmanovic bittet die Gäste herein, die mit einem Bier im Hof warten. Die Organisatorinnen sind heute nur zu dritt. Malgorzata Cwikla liegt erkältet im Bett. Die drei anderen Frauen begrüßen die Gäste, die auch auf dem roten Sofa an der Wand Platz genommen haben oder mit einem Bier in der Hand an der kleinen Bar stehen. Die aufgestellten Stühle reichen längst nicht aus. Statt den erwarteten 50 Besuchern sind mindestens 70 Interessierte gekommen.

Auch der Videoprojektor läuft mittlerweile fehlerfrei, der Ton kommt aus einer alten Stereoanlage. Ein Kulturverein ist kein Kino. Egal. Ksenia Volkova ist begeistert: Die Trickfilme laufen für gewöhnlich nur auf Internetseiten, also auf sehr kleinen Bildschirmen: „Diese Filme sieht man dann nur mit einem Auge.” Nun sind die kleinen Werke erstmals in groß zu sehen, auch wenn nur die weiße Wand der Spenglerei als Leinwand dient.

Igor, Techniker und Busfahrer des „Omnibus“-Festivals, gibt den Organisatorinnen die letzten Anweisungen für den Beamer und die Fernbedienung für den DVD-Spieler in die Hand. Die Stipendiatinnen wünschen „viel Spaß” auf Russisch, Serbisch und Bulgarisch. Dann geht das Licht aus. Das Festival beginnt.

Die Filme drehen sich um die Finanzkrise, Frauen, Nostalgie und Kommunikation. Die Werke sind gezeichnet oder am Computer animiert. Die Künstler mischen reale Filmaufnahmen mit digitalen Tricks, erwecken Knetfiguren zum Leben. Die kurzen Filme sind mal witzig, mal absurd, brutal oder ekelig. Zu sehen sind Adam und Eva in einem Schattenschnitt-Paradies, Hühner, die zu Suppenwürfeln gepresst werden oder die slawische Hexe Baba Jaga.

Fast anderthalb Stunden dauert die Vorführung, dann sind alle Filme angesehen und bewertet. Anschließend spazieren die Besucher durch die Regensburger Altstadt in einen nahen Club, um zu den Gitarren von „Limebridge“ zu tanzen. Die Gäste erzählen, es habe ihnen „sehr gut gefallen” und die Wahl sei „echt schwer gefallen.” Irgendwann später meldet sich auch die erkältete Malgorzata Cwikla per SMS und möchte wissen, wie die Aufführung gelaufen ist. Gut, tippt Yanna Varbanova in ihr Handy. Sie sind zufrieden, weil sie viel Zustimmung vom Publikum erfahren haben. Yanna Varbanova schreibt weiter: „Es waren sehr viele interessierte Leute da!“


Dieser Text ist in Zusammenarbeit mit der Robert Bosch Stiftung entstanden.
Informationen zum Programm Kulturmanager aus Mittel- und Osteuropa finden Sie unter www.moe-kulturmanager.de.


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