Lettland

EIN WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTLER SOLL ES RICHTEN

Lettlands Präsident nominert 37-Jährigen für den Posten des Ministerpräsidenten(n-ost) – Der 37-jährige Christdemokrat und ehemalige Wirtschaftswissenschaftler Valdis Dombrovskis soll der neue Ministerpräsident von Lettland werden. Das gab Staatspräsident Valdis Zatlers heute bekannt. Dombrovskis war seit 1998 in verschiedenen Funktionen bei der lettischen Nationalbank tätig, 2002 wechselte er in die Politik und war bis 2004 Finanzminister unter Ministerpräsident Aigars Kalvitis. Seitdem saß er für die Partei „Neue Ära“ im Europäischen Parlament. Bereits in zwei Wochen möchte er sein Amt antreten.Nils Muiznieks, Direktor der Sozialwissenschaftlichen Fakultät an der Universität Lettlands, lobte Dombrovskis als „frisches Gesicht“. „Dombrovskis ist einer der jungen Leute, die 2002 an die Macht kamen, ein sehr junger, und cleverer Wirtschaftswissenschaftler“, sagte er der Nachrichtenagentur Bloomberg. „Aber ob er tatsächlich in der Lage ist, die verschiedenen Koalitionspartner zusammenzuführen, den Haushalt zu sanieren und Gespräche mit dem Internationalen Währungsfonds zu führen, bleibt die Frage.“Den neuen Ministerpräsidenten erwarten schwierige Zeiten: Lettlands Wirtschaft steckt seit Monaten in einer immer stärker werdenden Rezession: Hunderte von Menschen verlieren jeden Tag ihren Arbeitsplatz, die Politik steckt in einer tiefen Vertrauenskrise, dem Staatshaushalt drohen gewaltige Finanzlöcher und die finanzielle Glaubwürdigkeit des Landes steht auf dem Spiel. Dombrovskis Hauptinteresse gelte zunächst der Begrenzung des Haushaltsdefizits von derzeit einer Milliarde Euro (4,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts), sagte er gestern.Erst vor wenigen Tagen hat die US-Ratingagentur Standard & Poor's die Kreditwürdigkeit der lettischen Staatsanleihen reduziert. Damit wird es für Lettland immer schwieriger, seinen kurzfristigen Finanzbedarf zu decken. In diesem Jahr beläuft sich dieser auf 400 Prozent der nationalen Währungsreserven.Valdis Dombrovskis´ Vorgänger Ivars Godmanis war vergangene Woche zurückgetreten,  nach dem Präsident Zatlers ihm sein Misstrauen ausgesprochen hatte. Auch die zwei größten Koalitionspartner sahen keine Möglichkeit der Zusammenarbeit mehr. Damit ging die zweite Amtszeit des Ministerpräsidenten nach nur 13 Monaten zu Ende. Ausschlag dafür dürfte der massive Unmut der Bevölkerung gewesen sein. Godmanis wurde zudem im zwischenparteilichen Machtkampf der Koalitionsparteien zerrieben.Einer Meinungsumfrage des privaten Meinungsforschungsinstituts „LatvianFacts“ zufolge kämen bei sofortigen Neuwahlen die vier Regierungsparteien gemeinsam nur noch auf 13,3 Prozent der Stimmen. Nur die russische Oppositionspartei „Harmoniezentrum“ würde mehr als zehn Prozent der Stimmen erhalten, „Neue Zeit“ und die „Grüne/Bauern-Union“ (eine der vier Regierungsparteien) würden jeweils 6,5 Prozent der Stimmen bekommen und alle anderen Parteien, unter ihnen die drei Regierungsparteien „Erste Partei/Lettischer Weg“, „Volkspartei“ und „Für Vaterland und Freiheit“, würden die Fünfprozent-Hürde nicht überwinden.Valdis Dombrovskis konnte sich gegen drei andere Kandidaten durchsetzen – den derzeitigen Minister für Regionale Angelegenheiten Edgars Zalans von der Volkspartei und zwei parteilose Kandidaten. Präsident Zatlers hatte die Wahl von Parteilosen ausgeschlossen. Für Dombrovskis dürfte vor allem sein wirtschaftswissenschaftlicher Hintergrund gesprochen haben. In zwei Wochen wird das lettische Parlament darüber entscheiden, ob er zum Ministerpräsidenten gekürt wird.In Sondierungsgesprächen sei Zatlers die Unterstützung der Parteien für Valdis Dombrovskis zugesichert worden. Ob die Abgeordneten deswegen auch Zatlers Reformprogramm zustimmen werden, ist eine ganz andere Frage. Genau an diesem Punkt war Dombrovskis' Vorgänger gescheitert.
Thorsten Chr. Pohlmann
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