Moldawien

Erster öffentlicher Fahrradständer eingeweiht

Valeria Svart, Studentin der Ökologie, ist ganz aufgeregt. Gleich wird der erste öffentliche Fahrradständer in Moldau eingeweiht, der sich jetzt noch unter einem ausgewaschenen Bettlaken vor der Freien Internationalen Universität Chişinău verbirgt. Das Fernsehen ist da und wird später einen Beitrag zeigen, in dem Valeria zu sehen ist. Was Fahrradständer im Rumänischen oder Russischen heißt, dass muss Valeria Svart noch kurz mit ihren Freunden diskutieren. Victorica Corlat, Studentin an der Akademie für Wirtschaft, bringt es auf den Punkt: „Was Neues aus Deutschland.“

Für Valentin Olschevskij, Professor für Ökologie an der Freien Internationalen Universität Chişinău, ist es mehr als nur eine gute Initiative von jungen Leuten. „Ein neuer Schritt in die Zivilisation, “ so kommentiert er den 100 Euro teuren Fahrradständer, der mit Spendengeldern aus Deutschland finanziert wurde. Der Fahrradständer ist Teil der deutschen Kultur. Darüber sind sich die rund 30 Schaulustigen, die sich zusammen mit über zehn Pressevertretern zur feierlichen Einweihung versammelt haben, einig.

So wundert es bei der Einweihung niemanden, dass ein Deutscher den Aufbau des ersten Fahrradständers vor einem öffentlichen Gebäude in Moldau initiierte. Im dunkelgrünen Cordsakko, mit einem Pappbecher Orangensaft in der Hand, hält Julian Gröger, Lektor an der Freien Internationalen Universität Chişinău und Mitglied bei Greenpeace, die Eröffnungsrede. Öffentlichkeitswirksam radelt sein Freund zu dem Fahrradständer und stellt, mit einem zufriedenen Lächeln in die Kamera des Lokalfernsehens, sein Fahrrad ab.



Julian Gröger bei der Einweihung des Fahrradständers. / Christine Karmann, n-ost

Als Julian Gröger vor eineinhalb Jahren zum ersten Mal mit dem Fahrrad zu seiner neuen Arbeitsstätte der Freien Internationalen Universität Chişinău fuhr, suchte er einen Ort, an dem er sein Fahrrad abstellen konnte, und war schockiert. Weit und breit kein Fahrradständer, weder vor der Universität, noch vor dem gegenüberliegenden Einkaufscenter, noch sonst wo. Es blieb nur ein Baum. „Das war nicht schön, der arme Baum“ sagt Julian Gröger. „Das passte nicht zusammen – der Baum und das Fahrrad.“ Damals entschloss er sich, ein Zeichen zu setzen.

„Die Kollegen staunten anfangs. Der neue Mitarbeiter aus Deutschland stieg vor der Universität nicht aus dem erwarteten BMW, sondern radelte mit dem aus Deutschland mitgebrachten Second-Hand-Fahrrad an. „Der hat aber Selbstvertrauen“, sollen die Professoren damals gesagt haben. Dennoch war es nicht schwer, den Antrag auf einen Fahrradständer durch die Moldauer Universitätsbürokratie zu lotsen. „Der Rektor hat mich von Anfang an unterstützt“, sagt Julian Gröger. „Er hatte einen Fahrradständer in Belgien gesehen und sagte: Europäisch, Fahrradständer, Internationale Universität Chişinău, das passt.“



Der von einem Schweißer aus Chişinău gebaute Fahrradständer. / Christine Karmann, n-ost

Der neue Fahrradständer ist echte Moldauer Handarbeit. Julian Gröger vergab den Auftrag an einen örtlichen Schweißer. Der Schweißer fand die Arbeit lustig und machte sich mit einem Bild und passenden Maßen ans Werk. „Der Fahrradständer ist ganz gut geworden.“, sagt Julian Gröger. Und: „Na ja, es fragen schon viele, warum er so klein ist. Aber man kann ja noch anbauen. Leider sind die Abstände etwas eng geraten, wegen der Fahrradlenker passen gerade zwei Fahrräder nebeneinander.“

Ein bis zwei Studenten sollen im Frühling mit dem Fahrrad zur Universität kommen, so Julian Grögers Ziel. Dafür ist der Fahrradständer vorerst ausreichend. „In Moldau gibt es nicht so viele Fahrradfahrer“, sagt Julian Gröger. Er ist in den eineinhalb Jahren insgesamt ca. 20 Fahrradfahrern begegnet. Man grüßt sich auf der Straße. Dabei eignet sich seiner Meinung nach gerade Chişinău mit den breiten ebenen Straßen ganz gut für das Fahrradfahren.

„Das Fahrrad nutzt man in Moldau nicht, um von A nach B zu kommen“, bestätigt Juri Likolat, Vorsitzender des Moldauer Fahrradclubs mit 500 registrierten Mitgliedern, davon sind 100 aktive Radfahrer. Das sind jene, die mit teuren Rennrädern oder BMX Bikes Fahrradsport betreiben. „Fahrräder sind in Moldau so teuer wie in Deutschland. Mindestpreis 300 Dollar.“ , sagt Juri Likolat. Sein Fahrrad würde er an dem neuen Fahrradständer allerdings nie abstellen. „Ohne Wächter? Keine Sekunde.“ So einfach ist dann doch nicht, deutsche Kultur in die Fremde zu exportieren.


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