Russland

Mit dem Skizug in den sibirischen Schnee

Von Nowosibirsk aus fährt der Sonderzug „Wintermärchen“ in die Berge – und bleibt als mobiles Hotel ein ganzes Wochenende lang

(n-ost) - Mit Sibirien assoziiert man Kälte und Schnee. Dennoch ist Sibirien, zumindest in Westeuropa, kaum als Skigebiet bekannt. Denn wer zwischen Omsk und Nowosibirsk mit der Transsibirischen Eisenbahn fährt, bekommt wunderschöne Landschaften zu sehen, Birkenwälder, idyllische Dörfer – aber keine Berge. Man muss aus der Transsibirischen Eisenbahn aussteigen, um in die Berge zu gelangen.Dies tut man am besten Freitagabends in Nowosibirsk, um am Samstagmorgen am Ziel zu sein. Denn an jedem Wochenende beginnt aufs Neue ein wahres Wintermärchen. „Simnjaja Skaska“ (Wintermärchen) hat die Westsibirische Eisenbahngesellschaft ihren Sonderzug getauft, der schon seit einigen Jahren zur Winterzeit in das populärste sibirische Skigebiet fährt: Gornaja Schorija – ein Ausläufer des Altaigebirges, einer der wenigen Plätze in Russland mit alpinen Skihängen.Im Zug herrscht gute Stimmung. Der Zugbegleiter erklärt Neulingen die Skihänge und Loipen am Zielort, die Zugschaffnerin kümmert sich um die Bettwäsche und den obligatorischen Samowar im Wagen. Die Gäste feiern in ihren Viererabteilen den Beginn der Reise mit ein paar Gläschen Wodka. Doch nicht zu ausgiebig, denn am Samstagmorgen erreicht der Zug sein Ziel, und die Wochenendurlauber steigen auf die Ski.



Der Skizug steht mitten im Wald an einem Bahnsteig. Foto: Norbert Schott

Der Bahnsteig von Gornaja Schorija befindet sich mitten im Wald. Zwischen großen verschneiten Tannen stehen eine Bar, eine Banja (die russische Form der Sauna) sowie eine beheizte Toilettenanlage. Ein Hotel ist nicht notwendig, denn geschlafen wird direkt im Zug.Nach und nach verlassen alle Skifreunde die Wagen. Anfänger üben an dem kleinen Hang „Medweschonok“ (Bärchen). Die Experten unter den Skifahrern nehmen den örtlichen Linienbus oder eines der wartenden Taxen, um zum 14 Kilometer entfernten Skihang „Seljonaja“ (Grüner Berg) zu gelangen.Während es in den 1980er Jahren ganze zwei von Enthusiasten betriebene Schlepplifte am Hang gab, bringen inzwischen sechs moderne Kabinen- und Sessellifte und unzählige kleine Anlagen die Wintersportler auf den 1270 Meter hohen Berg. In den letzten Jahren kam jedes Jahr mindestens eine Piste hinzu. Die Skilifte sind zum Teil aus Österreich importiert, die Pistenraupen aus Deutschland.



Die Skilifte sind erst in den letzten Jahren neu errichtet worden. Foto: Norbert Schott


Den jetzigen Service an den Hängen mit dem in Europa zu vergleichen, ist wohl zu früh. Am Berg tummeln sich vier verschiedene Betreibergesellschaften, und jede hat ein anderes Bezahlsystem. Wer Abwechslung möchte, muss überall Einzelkarten kaufen – bei umgerechnet drei Euro pro Auffahrt kein billiges Vergnügen. Mit einer Tageskarte, die 20 bis 30 Euro kostet, kann man wiederum nur einzelne Bereiche des Skigebietes befahren. Doch dieses Manko wird durch exzellenten Schnee wettgemacht. Kunstschnee wird nur an wenigen windigen Stellen benötigt. Bis März gibt es fast jedes Wochenende viel Neuschnee und erst Mitte Mai ist die Skisaison zu Ende.



Die Qualität des Schnees ist der große Vorteil von Scheregesch. Foto: Norbert Schott

Am Samstagabend kommt Leben in den sibirischen Wald rund um Gornaja Schorija – Lagerfeuer und Diskothek bei minus 15 Grad. Die musikalische Auswahl ist sehr eigenwillig, was der Stimmung jedoch keinen Abbruch tut. Im Gegenteil: Russischer Pop und Rammstein entfalten ihre eigentliche Wirkung erst im sibirischen Schneegestöber. Und wem es nicht behagt, der kann die Sauna mieten, Fußball spielen oder sich im Schnee mit Farbkugeln beschießen.



Unweit der Skipisten warten einige Felsen auf besonders wagemutige Fahrer. Foto: Norbert Schott


Am Sonntag locken die Trassen und Loipen ein zweites Mal – und am Vorabend kommen die Skifahrer erschöpft zum abfahrbereiten Zug. Wenn sich die Wagen wieder Richtung Nowosibirsk in Bewegung setzen, wird schon geschlafen. Oder gefeiert. Denn jetzt, wo das Wochenende vorbei ist, dürfen es auch ein paar mehr Gläser Wodka sein.INFOKASTEN:Wintersportzug „Simnjaja Skaska“
Abfahrt Freitagabend ab Nowosibirsk, Rückkehr am Montagmorgen, an Feiertagen verlängerte Fahrten
Fahrpreis knapp 100 Euro pro Person inklusive drei Übernachtungen im Zug
Selbstverpflegung (Samowar im Wagen, Zugrestaurant vorhanden)
Skipass 20 bis 30 Euro pro Tag, Skiverleih 20 Euro pro Tag
Direktflüge von Deutschland nach Nowosibirsk ab 400 Euro
Hotelzimmer am Skihang für 50 Euro bis 150 Euro, Anreise auch individuell möglichNorbert Schott

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