Reaktionen auf Mord an Anwalt Markelow
Mord an Anwalt Stanislaw Markelow und der Journalistin Anastasija Baburowa - ultranationalistische Kreise in Verdacht
(n-ost) - In der Pretschistenka-Straße im Zentrum Moskaus gedachten gestern Hunderte von Menschen des russischen Menschenrechtsanwalts Stanislaw Markelow und der Journalistin Anastasia Baburowa. Der 34-jährige Anwalt war am Montag direkt nach einer Pressekonferenz, die er selbst gegeben hatte, erschossen worden. Die 25-jährige Journalistin Anastasia Baburowa, die den Anwalt begleitete, hatte versucht, den Mörder zu ergreifen. Dann traf auch sie eine Kugel aus der Waffe des Unbekannten. Sie starb später im Krankenhaus.Auf der Pressekonferenz hatte Markelow angekündigt, er werde die vorzeitige Freilassung des russischen Oberst Juri Budanow anfechten. Budanow hatte wegen der Vergewaltigung und dem Mord an der Tschetschenin Elsa Kungajewa achteinhalb Jahre in einem Arbeitslager gesessen, war allerdings zu zehn Jahren Haft verurteilt worden. Vergangene Woche wurde er auf Bewährung freigelassen. Markelow, der in der vergangenen Zeit Mord-Drohungen wegen des Falls Budanow bekommen hatte, wurde von einem unbekannten Mörder von hinten erschossen.Mehrere Moskauer Menschenrechtler sagten gestern, dass der Mord wohl bewusst am hellichten Tage verübt wurde. Die Journalistin Julia Latynina mutmaßte, dass hinter dem Anschlag Faschisten steckten. Für diese Version spricht, dass Markelow und Baburowa den Hass der russischen Ultranationalisten auf sich gezogen hatten. Schon während der Gerichtsprozesse 2002 demonstrierten Kosaken und Rechtsradikale für den Oberst Budanow, den sie als „Helden Russlands“ verehrten. Die Journalistin Anastasia Baburowa berichtete für verschiedene Moskauer Zeitungen, unter anderem für die „Iswestija“ und die „Nowaja Gaseta“, über die russischen Skinheads.Politische Morde häuften sich in den vergangenen Jahren. 2006 wurde die Journalistin Anna Politkowksaja, die über den Tschetschenien-Krieg berichtete, erschossen. Der Mord wurde bisher nicht aufgeklärt. Im September 2008 wurde Ruslan Jamadajew, ein hoher tschetschenischer Militär und Konkurrent des tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow, mitten in Moskau erschossen. Wladimir Markin vom Ermittlungskomitee der russischen Staatsanwaltschaft erklärte, im Fall Markelow ermittle man in verschiedene Richtungen. Der Tod des Anwalts könne mit seiner beruflichen Tätigkeit zusammenhängen.Es ist das erste Mal in der jüngeren Geschichte Russlands, dass ein Anwalt offenbar aus politischen Gründen ermordet wurde. Doch die staatlichen Fernsehkanäle, Rossija und ORT, hatten das Thema am Dienstag schon abgehakt. Nur der Fernsehkanal NTW brachte einen kurzen Bericht über die Ermittlungen und die Trauer-Kundgebung auf der Straße.Unter den Trauernden in der Pretschistenka-Straße waren Menschenrechtler, Links-Aktivisten, Kommilitonen von Baburowa und Kollegen von Markelow. Sie stellten Bilder der Ermordeten auf einen kleinen Mauer-Vorsprung. Dort, wo noch die Blutspuren der Ermordeten zu sehen waren, türmte sich ein Berg roter Nelken. Teelichter flackerten im Schnee. Auch der Menschenrechtsbeauftragte des russischen Präsidenten, Wladimir Lukin, legte Blumen nieder. Die Polizei versuchte, die Trauernden zur Seite zu drängen. „Das ist hier kein Friedhof“, sagte einer der Polizisten. Dennoch kamen immer mehr Menschen zu der Stelle.Oberst Budanow erklärte in einem Interview mit der „Komsomolskaja Prawda“, er habe mit dem Mord nichts zu tun. „Wozu brauchte ich so was?“, sagte er. Der Oberst, der noch im Jahr 2000 Panzersalven auf tschetschenische Dörfer abfeuern ließ, präsentierte sich vollständig geläutert. Der Mord sei eine „gemeine Provokation“. Jemand wolle „einen Keil zwischen Russen und Tschetschenen treiben.“ Das Blatt kommentierte, den Mördern sei es wahrscheinlich „weniger um den Mord als um den daraus entstehenden Lärm“ gegangen.Nun werde Russland wieder mit Vorwürfen der „Menschenrechtler aller Länder“ und des nach London geflohenen Oligarchen Boris Beresowski überschüttet. Ein „unsichtbarer Dirigent“ leite die Empörung, mit der „erneut ein Keil zwischen den Kaukasus und dem übrigen Russland getrieben werden soll“, so die Kommentatoren der „Komsomolskaja Prawda“. Präsident Dmitri Medwedew machte sich am Dienstag auf zu einer Inspektions-Reise in die tschetschenische Nachbarrepublik Inguschetien. Möglicherweise will der Präsident gerade jetzt Präsenz im Kaukasus zeigen.Ulrich Heyden
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