Russland

Anwalt auf offener Straße erschossen

Stanislaw Markelow war der erste russische Anwalt, der tschetschenische Kriegsopfer verteidigte

(n-ost) – Der Tschetschenien-Krieg ist offiziell seit 2003 beendet. Doch in Moskau werden immer noch Menschen erschossen, die sich für die Aufklärung von Kriegsverbrechen und die Verteidigung von Kriegsopfern einsetzen.Jüngstes Opfer ist der junge Rechtsanwalt Stanislaw Markelow. Er wurde gestern in Moskau auf offener Straße erschossen. Markelow war der erste russische Anwalt, der die Interessen von Kriegs-Opfern in Tschetschenien verteidigte. Er war als Anwalt an zahlreichen Verfahren gegen russische, tschetschenische und weißrussische Oppositionelle beteiligt. Er verteidigte Wehrpflichte, Ökologen und Journalisten. Die Mord-Anschläge im Zusammenhang mit dem Tschetschenien-Krieg nehmen kein Ende. Ende vergangenen Jahres war es in Moskau direkt vor der britischen Botschaft zu einem dreisten Mordanschlag gegen Ruslan Jamadajew gekommen. Jamadajew hatte einen hohen Posten beim russischen Militär und war zugleich Konkurrent des Präsidenten von Tschetschenien, Ramsan Kadyrow. Im Oktober 2006 war in Moskau ebenfalls am hellichten Tage die Tschetschenien-Reporterin Anna Politkowskaja erschossen worden.Der Mörder von Stanislaw Markelow trug eine Gesichtsmaske und tötete den Anwalt mit einem Schuss in den Kopf. Markelows Begleiterin Anastasija Baburowa, Mitarbeiterin der Kreml-kritischen Zeitung „Nowaja Gaseta“, versuchte, den Mörder zu verfolgen, wurde aber durch einen Schuss am Kopf schwer verletzt. Der 34-jährige Anwalt vertrat die Interessen der tschetschenischen Familie Kungajew. Eine Tochter der Familie, Elsa Kungajewa, war von Juri Budanow, dem Kommandeur des 160. russischen Panzer-Regiments, im März 2000 in dem tschetschenischen Dorf Tangi-Tschu vergewaltigt und erdrosselt worden. Budanow erklärte damals, Elsa sei eine Scharfschützin gewesen. Budanow wurde zunächst freigesprochen, aber zu einer psychiatrischen Zwangsbehandlung eingewiesen. Als 2002 der Prozess gegen Oberst Budanow im südrussischen Rostov am Don lief, hatten Kosaken und Ultranationalisten für den Oberst demonstriert und ihn als Held Russlands verehrt. Das Urteil gegen Budanow wurde 2003 vom Obersten Gericht aufgehoben. Er wurde zu zehn Jahren Lagerhaft verurteilt. Vergangene Woche wurde der Oberst nach achteinhalb Jahren Haft auf Bewährung freigelassen. In Tschetschenien gab es nach der Freilassung öffentliche Proteste. Auf einer Pressekonferenz in Moskau hatte der Anwalt Markelow gestern bekannt gegeben, dass er gegen die Freilassung von Oberst Budanow bei dem Bezirksgericht der Stadt Uljanowsk Widerspruch eingelegt habe. Nach Medienberichten gab es gegen den Anwalt bereits vergangene Woche Morddrohungen. Der Mord an dem Anwalt könnte jedoch auch mit einem anderen Fall zusammenhängen. Markelow verteidigte den Journalisten Michail Beketow, der eine Bürgerinitiative im Moskauer Vorort Chimki leitete. Die Bürger-Initiative wehrte sich gegen den Bau einer neuen Autobahn durch den Chimki-Wald, ein Moskauer Naherholungsgebiet. Parallel zum Autobahnbau sollten riesige Gewerbeflächen entstehen. Im November vergangenen Jahres wurde der Journalist Beketow überfallen und halb tot geschlagen. Ihm musste ein Bein abgenommen werden. Ulrich Heyden
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