Russland

Milliardär will Londoner Traditionsblatt kaufen

Kauf des britischen Traditionsblattes „Evening Standard“ soll die unterkühlten britisch-russischen Beziehungen erwärmen

(n-ost) - Die Finanzkrise macht es möglich. In London, wo die Russen sich bisher nur als Käufer von teuren Immobilien, Fußballclubs (Chelsea und Arsenal) und einer Fabrik für Sportwagen von sich reden machten, ist nun das Allerheiligste der Briten dran: die Zeitungen.Wie am Donnerstag bekannt wurde, steht der russische Milliardär und Bankier Alexander Lebedew kurz vor dem Kauf des Traditionsblattes „Evening Standard“. Der 49 Jahre alte Lebedew sagt von sich, er sei ein London-Fan. Er schätze die britischen Zeitungen sehr, denn sie seien ein effektives Mittel gegen Bürokratisierung.Lebedew hat eine schillernde Vergangenheit. Er studierte in Moskau Außenwirtschaftsbeziehungen und heuerte dann beim KGB an. Von 1987 bis 1991 arbeitete er im Schutz der sowjetischen Botschaft in London als Spion.Jetzt will der Milliardär Lebedew, der sich elegant kleidet und betont zurückhaltend auftritt, 76 Prozent der Aktien des „Evening Standard“ kaufen. Auch auf den „Independent“ hat er es – Medienberichten zufolge – abgesehen.Der Kauf des „Evening Standard“ wäre eine Sensation. Denn nach der mysteriösen Vergiftung des ehemaligen KGB-Agenten Alexander Litwinenko in London ist das Verhältnis zwischen Großbritannien und Russland stark abgekühlt. Die Regierung in London blockierte den Einstieg von Gazprom in das britische Gas-Geschäft. Einem Bericht des Londoner „Guardian“ zufolge hat Lebedew sich beim Kauf des „Evening Standard“ im Kreml abgesichert. Der Deal sei „OK“, sei ihm signalisiert worden.Der Bankier Lebedew ist mit 2,5 Mrd. nicht nur steinreich, sondern – und das ist nicht so häufig  unter russischen Milliardären – auch ein Menschenfreund und Mäzen. In einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur Bloomberg erklärte Lebedew, er wolle die Zeitung nicht kaufen, um damit Geld zu verdienen. „Vielmehr bin ich daran interessiert, dass die Öffentlichkeit erfährt, dass Zeitungen etwas Liebenswertes sind und respektiert werden sollen.“ Ängste über inhaltliche Einflussnahme auf die ur-britische Zeitung versucht er zu zerstreuen. „Mein Einfluss wird gleich Null sein“, erklärte Lebedew gegenüber dem „Guardian“.Der Bankier unterscheidet sich von seinen russischen Milliardärskollegen, denn er wagt es, den Kreml öffentlich zu kritisieren. Zusammen mit Gorbatschow gehören ihm 49 Prozent der Kreml-kritischen Zeitung „Nowaja Gaseta“, für die auch die ermordete Journalistin Anna Politkowskaja schrieb. Angeblich will Lebedew mit Gorbatschow zusammen 2011 eine Unabhängige Demokratische Partei gründen. Zur Zeit hat der Milliardär jedoch noch das Partei-Buch der Kreml-treuen Partei „Gerechtes Russland“ in der Tasche, die bei den letzten Duma-Wahlen 8,4 Prozent der Stimmen bekam.Für den „Evening Standard“, dem es in der letzten Zeit nicht gut ging, könnte Lebedew der Retter sein. Wegen zahlreicher kostenloser Reklame-Zeitungen, die dem Traditions-Blatt Konkurrenz machen, fiel die Auflage von 500.000 auf 200.000. Lebedew ist das Blatt schon ans Herz gewachsen, als er in London als Spion arbeitete. „Ich musste jede Zeitung lesen. Dafür war ich da. Der „Standard“ war eine sehr gute Zeitung mit einigen brillanten Journalisten“, erinnert er sich.Nach seinem Ausstieg aus dem Geheimdienst gründete Lebedew 1993 die Russische Investitions- und Finanzcompany und machte durch gute Kontakte zur russischen Regierung Karriere als Banker. Über eine Holding hält er Beteiligungen an 100 Firmen. Wichtigstes Investment ist ein 30-Prozent-Aktienpaket an der staatlichen Fluggesellschaft Aeroflot.Geschäftlich zieht es den Milliardär nach Westeuropa. Ihm gehört die deutsche Fluggesellschaft Blue Wings. Um das Unternehmen auszulasten, wollte er für 100 Millionen Euro den Hamburger Reiseveranstalter Öger Tours kaufen, was jedoch platzte, weil Lebedew wegen der Finanzkrise nicht liquide war. Auch die geplante Übernahme der deutschen IKB-Bank platzte wegen Finanzierungsschwierigkeiten.Ulrich Heyden
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