Schulen bleiben geschlossen
Seit über zehn Tagen schon lähmt die Gaskrise Osteuropa. Bulgarien ist eines der am stärksten betroffenen Länder, denn es hat keine alternativen Transitwege für Gas außer über die Ukraine. Die eigenen Vorräte im Speicher Tschiren sind knapp. Diese Lage zwang die Regierung in Sofia dazu, die Gaslieferungen zu rationieren und auf alternative Brennstoffe umzustellen.
Über 80 Schulen blieben in den letzten Tagen aufgrund der der niedrigen Temperaturen, aber auch der Glatteisgefahr auf den Straßen geschlossen. Mitten im Winter mussten vorige Woche Krankenhäuser ihre geplanten Operationen verschieben, die Heizung in den öffentliche Verkehrsmitteln wurde abgestellt und die Beleuchtung in den Städten verringert. Wegen einer großen Havarie in des örtlichen Fernwärmeversorgers in der viertgrößten bulgarischen Stadt Burgas blieb die ganze Stadt zwei Tage eiskalt.
Auch in der Hauptstadt Sofia kam es zu Havarien in einigen Vierteln. Drei bis vier Tage hat es gedauert bis die Fernwärmegesellschaft auf das Erdölprodukt Masut umstellen konnte. Masut wird als Rückstand aus der Erdöldestillation gewonnen. Auf den Märkten verkaufen sich deshalb kleine Elektroöfen wie warme Semmeln. „Man weiß ja nie,“ sagt eine Rentnerin am Markt Sitnjakovo. Zwar funktioniere bei ihr zu Hause die Zentralheizung normal, aber ein Elektrogerät hat sie sich trotzdem gekauft. „Vielleicht ist das noch so ein Reflex aus dem Sozialismus, wo man sich wegen der Warenknappheit ständig bevorraten musste“, sagt sie. „Wir müssen heute leider wieder so denken. Denn die Ukrainer und Russen können sich nicht einigen und wir leiden darunter.“
Die Gasknappheit führt zu weit mehr Problemen als kalten Heizungen. Viele Haushalte in Bulgarien verwenden in der Regel in der Wintersaison Gasflaschen. Wegen der Krise steigt jedoch die Gefahr von illegaler Versorgung mit Gas. Die erfolgt meist nicht nach den Sicherheitsbestimmungen – es fehlt eine zuverlässige Sicherheitskontrolle. Geräte auf Propan-Butan-Basis sind deshalb potentielle Sprengstoffkörper. In der Gasnotlage ist auch der Feuerwehrdienst überlastet. „Über 1200 Feuerwehrmitarbeiter überprüfen regelmäßig alle öffentlichen Einrichtungen und Produktionsgebäude, in denen wegen der Gaskrise eine Umstellung auf Erdölprodukte oder andere Brennstoffe erfolgte“, erklärt Generalkommssar Nikolaj Nikolov, Leiter des Nationalen Feuerwehrdienstes. Für Übertretung der Sicherheitsanordnungen sind hohe Strafen vorgesehen.
Dennoch kommt es immer wieder zu schweren Unfällen. Innerhalb der vergangenen zwei Tage kam es zu vier Explosionen und mehreren Bränden. Ein eingefrorenes Rohr kostete das Leben eines 58-jährigen Mannes, der versucht hatte, nach langer Auszeit seine Heizung wieder in Betrieb zu setzen. Gasflaschen, die aus Versehen neben einen Holzofen gestellt wurden, explodierten und verletzten acht Menschen schwer. Knapp hat die Feuerwehr den Betrieb Atlantik in der nordbulgarischen Stadt Montana retten können. Arbeiter hatten eine 28 Liter fassende Gasflasche über Nacht brennen lassen, damit die mit Masut gefüllte Anlage warm bleiben konnte.
Erdölprodukte wie Masut sind in der Gaskrise zwar wichtige Alternativen für die Wärmeversorgung, aber sie sind auch eine Gefahr für die Umwelt. „Die Emissionen von Kohlendioxid in der Luft liegen nun 30 bis 40 Prozent höher als beim Verbrennen von Gas. Das ist schlecht“, sagt der Vorsitzende der Grünen Genadi Kondarev. „Da werden Sanktionen seitens der EU-Kommission nicht ausbleiben“, glaubt er. Die Grünen in Bulgarien haben gestern gemeinsam mit Studenten, Rentnern, Landarbeitern und Ärzten gegen die Regierung und ihre Energiepolitik und für ein sicheres und würdiges Leben demonstriert.