Schwere Ausschreitungen in Riga
Rund 130 Festnahmen nach Massenkundgebung gegen lettische Regierung
(n-ost) - In Lettland ist es am Dienstagabend nach einer Massenkundgebung zu Straßenschlachten zwischen mehreren hundert Demonstranten und der Polizei gekommen – in einem Ausmaß, wie es Lettland nicht kennt. Nach der Demonstration, die sich gegen die lettische Regierung richtete, begann eine aufgebrachte Menschenmenge, mit Kopfsteinpflastersteinen um sich zu werfen.Es gingen zahlreiche Glasscheiben von Regierungsgebäuden und Geschäften zu Bruch. Mehrere Polizeiautos und andere Fahrzeuge wurden zerstört, ein Getränke- und Zigarettengeschäft geplündert.
Neben zersplitterten Glasscheiben gab es auch geplünderte Getränke- und Tabakgeschäfte. Foto: Thorsten Chr. Pohlmann
Die Polizei brauchte etwa drei Stunden, um die Situation in den Griff zu bekommen. Es mussten mehrere Hundert an Bereitschaftspolizisten, Spezialeinheiten und Einheiten der Militärpolizei mobilisiert werden. Zwar war die Polizei bereits im Vorfeld über mögliche Ausschreitungen informiert worden, dennoch war sie vollkommen von der Aggressivität der Auseinandersetzungen überrascht.Erst ein massives Aufgebot an Sicherheitskräften konnte die Lage gegen 23 Uhr beruhigen – drei Stunden, nachdem die Situation eskaliert war. Mehrere Polizisten wurden durch Pflastersteine verletzt und mussten im Krankenhaus behandelt werden. Auch unter den Demonstranten gab es mehrere Verletzte. Wie die Staatliche Nachrichtenagentur LETA meldete, wurden bis in den späten Abend rund 130 Menschen festgenommen.
Verhaftete Demonstranten warten auf den Transport zur Polizeiwache. Foto: Thorsten Chr. Pohlmann
Mehrere Arbeitnehmer- und Interessenverbände hatten für Dienstagabend zu einer Großveranstaltung auf dem traditionellen Domplatz in der Altstadt eingeladen, um gegen die Regierung zu protestieren. Auf Transparenten und in Sprechchören forderten sie die Auflösung des Parlaments und den Rücktritt der Regierung. Rund 10.000 bis 12.000 zumeist friedlich protestierende Menschen haben die Massenkundgebung besucht.In den vergangenen Monaten hat der Frust der Bevölkerung über den Kurs der Mitte-Rechts-Regierung von Ivars Godmanis zugenommen. Die wirtschaftliche Schieflage des Landes hat in den vergangenen Wochen zu Massenentlassungen und hoher Arbeitslosigkeit geführt, während sich das politische Klima durch Korruptions- und politische Skandale verschlechterte. Im Dezember bekam das Land einen Notkredit des Internationalen Währungsfonds, um vor dem Bankrott gerettet zu werden.
Straßenschlachten zwischen Polizei und einigen Demonstranten. Foto: Thorsten Chr. Pohlmann
Nachdem die Preise für Heizkosten, Gas, Strom um den Jahreswechsel enorm gestiegen sind und die Mehrwertsteuer um drei Prozentpunkte angehoben wurde, können nun immer mehr Menschen ihre Schulden nicht mehr tilgen.Premierminister Godmanis hat sich in einem Interview mit einem staatlichen Sender demonstrativ hinter die Polizei gestellt. Man werde mit allen Möglichkeiten des Gesetzes gegen die Randalierer vorgehen. Der Premierminister äußerte sich skeptisch darüber, dass es in Zukunft weitere politische Kundgebungen in der Altstadt von Riga geben wird. Sowohl die Veranstalter als auch die Polizeikräfte seien nicht in der Lage gewesen, die Situation unter Kontrolle zu halten.
Mehrere Polizeiautos wurden bei den Ausschreitungen zerstört. Foto: Thorsten Chr. Pohlmann
Laut Zeugenaussagen eskalierte die Situation, als die Kundgebung sich langsam auflöste. Polizeieinheiten hätten versucht, Demonstranten festzunehmen. Dabei kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Jugendlichen und Polizei, die in regelrechte Straßenschlachten mündeten. Mehreren Zeugen zufolge ging die Polizei mit massiver Gewalt gegen Demonstranten und Passanten vor. Premierminister Ivars Godmanis wies Vorwürfe über ein Fehlverhalten der Polizei indes zurück.Thorsten Chr. Pohlmann
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