Bulgarien

Energienot wegen Gaskrise

Bulgarien befindet sich in einer extremen Energienotlage. Dienstag früh um 3.30 Uhr hat die russische Transitgesellschaft Gazexport die Gaslieferungen nach Südosteuropa auf Anordnung des russischen Premiers Wladimir Putin ohne Warnung komplett eingestellt. Nun sieht sich Sofia gezwungen, den Verbrauch zu rationieren und das Gas durch alternative Energiequellen zu ersetzen. Denn im Unterschied zu anderen betroffenen Ländern wie der Türkei und Griechenland hat Bulgarien keine alternativen Transitwege für Gaslieferungen. Somit scheint Bulgarien unter allen Abnehmern Gazproms von dem Konflikt Ukraine-Russland am meisten betroffen zu sein.

Die Situation ist besonders dramatisch, weil die Gasreserven in Bulgarien nach Angaben des Energieversorgers Bulgargaz nur noch für eine Woche reichen würden. Das Energieministerium empfiehlt daher einen sparsamen Energieverbrauch besonders für Großabnehmer wie die Fernwärmegesellschaften. Weniger Energie zu verbrauchen ist jedoch bei Minustemperaturen von bis zu 15 Grad nicht realistisch. Viele Unternehmen müssen nun auf alternative Brennstoffe wie Kohle und Masit umstellen. Bis das geschehen ist, werden in den nächsten zwei Tagen 12.000 Haushalte in Varna ohne Heizung sein. Bereits gestern Vormittag alarmierten besorgte Bürger die Medien über unzureichende Wärmelieferungen in Sofia. Am Nachmittag kam es zu Stromausfällen wegen Überlastung des Netzes.

Auch die Wirtschaft bekam die Krise gestern zu spüren. Die Brotwarenerzeuger gaben  bekannt, dass wegen der Umstellung auf Diesel der Brotpreis in den nächsten Tagen um etwa fünf Prozent steigen soll. Einige Werke, wie der Kunstdüngererzeuger Neochim AD, mussten am Nachmittag ihre Produktion ganz einstellen.Bulgariens Premier Sergej Stanischev forderte umgehend ein Treffen mit der ukrainischen Premierministerin Julia Timoschenko und seinem russischen Kollegen Wladimir Putin. Wegen des orthodoxen Weihnachtsfestes dürften sich die Gespräche jedoch verschieben.

Präsident Georgi Parwanov schlug indes als mögliche Lösung vor, den dritten Reaktor des Atomkraftwerks Kosloduj wieder in Betrieb zu setzen. Vier Blöcke, darunter auch der Block vier, wurden als eine Auflage der EU für den Beitritt zur Union stillgelegt. Artikel 36 des Beitrittsvertrages sieht jedoch vor, in Krisensituationen die Blöcke wieder einschalten zu lassen.

Die oppositionellen Parteien DSB und SDS forderten eine finanzielle Kompensation von russischer Seite zu den ausgefallenen Lieferungen, mehr Transparenz bei den Verträgen mit Gazprom und die Entlassung des Energieministers Petar Dimitrov. Der Minister erboste die Opposition besonders mit der Äußerung, die Wirtschaft solle aufgrund der Lage stillstehen. „Es ist nicht Sache Bulgariens, sich in den Konflikt zwischen Gazprom und der Ukraine einzumischen,“ sagte Dimitrov außerdem.

Die Partei BND warf der Regierung und dem Präsidenten Parwanov vor, sich dem Kreml anzubiedern. Dieser hätte schließlich die Krise verursacht. Genau vor einem Jahr feierte nämlich das Kabinett den Abschluss von acht Abkommen, darunter die Verträge über den Bau des Atomkraftwerks Belene und die Ölpipeline Burgas-Alexandroupolis sowie das milliardenschwere Regierungsabkommen über die neue Gaspipeline South Stream, als Qualitätssprung in den Beziehungen Sofia-Moskau.


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