Russland

Proteste gegen Erhöhung des Auto-Zolls

Landesweite Proteste gegen die Erhöhung der Import-Zölle für ausländische Autos / Das russische Fernsehen schweigt

(n-ost) – In mehreren russischen Städten haben die Menschen am Sonntag gegen die Erhöhung der Zollgebühren für den Import von Gebrauchtwagen aus Japan protestiert. Mehrere hundert unzufriedene Russen kamen unter anderem in Wladiwostok, Nowosibirsk, Omsk, Krasnojarsk, Moskau und Kaliningrad zu Kundgebungen zusammen und bildeten Auto-Korsos. Initiator der Aktionen waren die Vereinigungen der Auto-Fahrer.Auf den oft spontan organisierten Kundgebungen, an denen sich keine Parteien beteiligten, wurden nicht nur Plakate gegen die Zoll-Erhöhung getragen. Auf einem Transparent in Krasnojarsk stand: „Putin, kämpfe mit den Oligarchen und nicht mit dem Volk!“ In Nowosibirsk hieß es: „Erhöht die Lebensqualität und nicht die Zölle“. Die größte Kundgebung fand im fernöstlichen Chabarowsk statt. Vor dem Parteibüro von „Einiges Russland“ versammelten sich 2000 Menschen und forderten den Rücktritt von Präsident Putin. Die Demonstranten beschrifteten einen alten Lada mit Grüßen an den Ministerpräsidenten. „Gute Fahrt, Wowa!“ war noch einer der harmlosen Wünsche.Im Kreml liegen wegen der Proteste bereits die Nerven blank. Um die Aktionen in Wladiwostok einzudämmen, war für die nicht genehmigte Protest-Kundgebung am Sonntag extra die  kampferprobte Polizei-Sondereinheit „Wisent“ aus dem Moskauer Umland nach Wladiwostok verlegt worden. Bereits vor einer Woche hatten 3.000 aufgebrachte Bürger in Wladiwostok die Straßen blockiert, fast wäre sogar der Flughafen besetzt worden.Die Polizei-Sonderheit ging gegen die 300 Menschen, die auf dem zentralen Platz von Wladiwostok einen Reigen um die große Weihnachtstanne tanzten, rigoros vor. Wahllos schlugen Ordnungshüter auf Demonstranten ebenso ein wie auf Journalisten der staatlichen Fernsehkanäle. Mehrere Journalisten wurden verletzt, die Kamera des  japanischen Fernsehkanals NHK wurde zerschlagen. Nach einem Bericht der unabhängigen Internetzeitung PrimaMedia aus Wladiwostok wurden 200 Menschen festgenommen. Westlichen Medien zugespielte Videos zeigten, wie Festgenommene mit den Beinen zuerst in die überfüllten Gefangenen-Transporter geworfen wurden. Die nationalen russischen Fernseh-Kanäle schwiegen die Proteste tot. Im örtlichen Fernsehen von Wladiwostok rief Gouverneur Sergej Darkin dazu auf, sich „nicht auf Provokationen“ einzulassen.Für Wladimir Putin könnte die unpopuläre Zoll-Erhöhung einen Knick in der Beliebtheitskurve bedeuten. Im Fernen Osten leben etwa 100.000 Menschen vom Import, Handel und Service mit Gebrauchtwagen aus Japan. Östlich des Urals sind fast die Hälfte der Autos auf den Straßen rechtsgesteuerte japanische Wagen, in Städten wie Wladiwostok oder Chabarowsk sind es fast 90 Prozent. Putin erklärt sein Vorgehen damit, dass man die heimische Auto-Industrie schützen müsse. Im Lada-Werk an der Wolga, das den Mittelklasse-Wagen Kalina zum Neupreis von 5.800 Euro produziert, sind 100.000 Menschen beschäftigt.Nun versucht der Premier, den russischen Fernen Osten mit Trost-Pflastern zu besänftigen. Putin verkündete zinsgünstige Verbraucher-Kredite für den Kauf von Autos aus russischer Produktion und verbilligte Transportkosten für russische Neuwagen in den Fernen Osten, damit sich der Kauf eines russischen Autos, das immerhin 6.000 Kilometer vom Lada-Werk an der Wolga oder dem Ford-Werk in St. Petersburg zurücklegen muss, überhaupt lohnt. Doch ob diese Maßnahmen greifen, ist zweifelhaft, denn die Kauflust der russischen Bevölkerung sinkt angesichts befürchteter Massenentlassungen. Am Freitag stoppte der Industrie-Gigant Kamas die Produktion für einen Monat. Das Lkw-Werk hat 50.000 Mitarbeiter.INFOKASTENRussischer Auto-MixDie Modelle der sowjetischen Auto-Industrie waren auf den Straßen im Osten Deutschlands gut bekannt. Sie hießen Wolga, Moskwitsch, Lada und Saparoschez.  Was ist aus den Traditions-Marken geworden? Im alten Moskwitsch-Werk in Moskau wird heute der Renault Logan zusammengebaut. Im GAZ-Werk von Nischni-Nowgorod laufen immer noch Wolga-Modelle vom Band, inzwischen aber auch der moderne Volga Siber, eine Lizenzproduktion auf Basis des Chrysler Sebring. Auch im VAZ-Werk in Toljatti werden noch alte Modelle der Lada-7er Baureihe produziert, die sich an einem Fiat-Modell aus den 60er Jahren orientieren. Inzwischen gibt es aber auch zahlreiche Neu-Entwicklungen, wie beispielsweise den „Kalina“ und den zusammen mit Chevrolet produzierten Geländewagen Niva. Im ukrainischen Saparoschje werden heute verschiedene ausländische Modelle von Fiat, Opel und Cherry zusammengebaut.ENDE
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