Turkmenistan

Fragwürdige Öffnung nach Westen

Einiges deutet darauf hin, dass Turkmenistan tatsächlich auf dem Weg zur Demokratisierung ist. Seit dem Tod des Diktators Saparmurad Nijasow vor zwei Jahren versucht der neue Präsident Gurbanguli Berdymuchammedow das Land dem Westen anzunähern. Im Land eröffneten  Internet-Cafés, die Menschen dürfen wieder in die Oper und den Zirkus gehen. Viele Denkmäler – Teil des Personenkultes um Nijasow – wurden abgebaut.

Doch die Parlamentswahlen, die am Sonntag stattfinden, dürften alles andere als demokratisch ablaufen. Zwar treten Kandidaten verschiedener Organisationen und Bewegungen an, allerdings handelt es sich dabei um präsidentennahe Kandidaten. Zahlreiche oppositionelle Parteien konnten für die kommenden Wahlen keinen einzigen Kandidat registrieren lassen. Der größte Teil der Kandidaten wird ohnehin von der Präsidenten-Partei gestellt. Sie ist die einzige offiziell registrierte Partei im Land und wird von Berdymuchammedow selbst geführt.

Immerhin werden die Wahlen in Turkmenistan zum ersten Mal von internationalen-Experten beobachtet. Wie die turkmenische Internet-Zeitung Turkmenistan.ru berichtete, befinde sich momentan eine Gruppe der OSZE-Delegation im Land. Die Führung dieser Organisation sieht die Einladung der OSZE-Wahlexperten als positive Änderung des politischen Systems, das Turkmenistan von der 21 Jahre  herrschenden Regierung Saparmurad Nijasows geerbt hat.

1985 ernannte Michail Gorbatschow Nijasow zum ersten Sekretär der Kommunistischen Partei Turkmenistans. 1990 bestimmte der Obersowjet des Landes Nijasow zum Präsidenten Turkmenistans. Nach der Unabhängigkeit führte der Diktator sein Land unter dem Vorwand der Neutralität zur völligen Isolation von der Außenwelt. Der Personenkult, den Nijasow eingeführt hatte, und sein politisches System erinnerten immer mehr an den Stalinismus. Er nannte sich „Turkmenbaschi“, also das Oberhaupt aller Turkmenen, taufte die turkmenische Stadt Krasnowodsk mit seinem Namen und baute im ganzen Land Denkmäler seiner selbst.

Absoluter Führungsanspruch und Misstrauen, sowohl politischen Gegnern als auch Vertrauten gegenüber, bestimmten die Politik Nijasows. Er beschuldigte ähnlich wie Stalin neben Oppositionellen auch die eigenen Minister und hochrangigen Beamten der Verschwörung gegen ihn und schickte sie ins Gefängnis in Owadan-Depe: Dieses Gefängnis, das 90 Kilometer weit von der Hauptstadt Aschgabat in der Wüste liegt, war sein persönliches Projekt für politische Gefangene. Die Repressalien Nijasows betrafen sogar  die Verwandten der Oppositionellen und der in Ungnade gefallenen Beamten. Ende Dezember 2006, als der Tod des Diktators Nijasow offiziell bekannt gegeben wurde, kam es zu Unruhen in Owadan Depe. Die Behörden unterdrückten diese Unruhen grausam. Dabei kamen 23 Gefangene ums Leben.

Nach dem Tod des Diktators Nijasow versuchte Berdymuchammedow sein Volk davon zu überzeugen, dass Turkmenistan weiter den Weg gehen würde, der von Nijasow bestimmt worden sei. Allerdings begann er bald mit kleinen Reformen: Die Namen der Monate, die teilweise nach Nijasow und seinen Verwandten benannt waren, wurden dem gregorianischen Kalender entsprechend wiederhergestellt. Die Verbote für den Besuch des Zirkus' und der Oper, weil das nach Ansicht Nijasows nicht „zum nationalen Geist der Turkmenen passte“, sind jetzt aufgehoben. Die Kinder müssen in der Schule nicht mehr „Ruhname“ lernen – ein Werk Nijasows über den moralischen Kodex der Turkmenen. Einige Monate nach seinem Machtantritt beschloss Bedimuchammedow sogar eine Amnestie für 20 Gefangene aus dem Spezialgefängnis Owadan-Depe.

Doch obwohl viele Denkmäler Nijasows abgebaut sind, steht der größte Teil von ihnen, auch das vergoldete Denkmal im Zentrum Aschgabats, immer noch. Das Gefängnis in Owadan-Depe wurde nicht liquidiert: Dort sitzen immer noch viele politische Gefangene, darunter der ehemalige Außenminister Boris Schichmuradow und die ehemalige Oberstaatsanwältin Gurbanbibi Atadschanowa. Es gab auch keine Versöhnung mit den zum größten Teil ins Ausland emigrierten oppositionellen Kräften. Sie werden durch Bedimuchammedow weiter verfolgt. Pressefreiheit ist in dem Land nach wie vor nicht vorhanden. Die Nutzung des Internets ist immer noch stark beschränkt, denn man darf das Internet-Café nur nach Vorlage seines Ausweises besuchen. Dabei dürfen keine Seiten ausländischer Menschenrechtsorganisationen aufgerufen werden; die oppositionellen Seiten sind sowieso blockiert.

Berdymuchammedow sind auch politische Intrigen nicht fremd. Sofort nach dem Tod Nijasows wurde der Vorsitzende des turkmenischen Parlaments Owozgeldi Atajew, der ein potenzieller Nachfolger Nijasows hätte sein können, festgenommen. Einige Monate später schickte Berdymuchammedow einen anderen Konkurrenten, den Chef der Präsidentenwache Akmurad Redschepow, für 20 Jahre ins Gefängnis in Owadan-Depe.

Europa und die USA sowie Russland und China hofften vor zwei Jahren, dass der Machtwechsel in Turkmenistan ihnen die Möglichkeit gibt, ihren eigenen Einfluss in dem zentralasiatischen Land zu verstärken. Vor allem geht es dabei um das turkmenische Gas. Nach jüngsten offiziellen Angaben soll Turkmenistan über die viertgrößten Gasreserven der Welt nach Russland, Iran und Katar verfügen. Trotz den intensiven Verhandlungen mit Aschgabat erreichte der Westen nicht viel: Der größte Teil des turkmenischen Gases wird weiter vom russischen Staatskonzern Gasprom kontrolliert, momentan wird sogar noch eine Gaspipeline nach China verlegt.Für das westliche Energie-Projekt Nabucco, das unter anderem turkmenisches Gas mit einer Unterwasserpipeline über das Kaspische Meer, Aserbaidschan und die Türkei nach Europa befördern soll, engagiert sich Berdymuchammedow kaum. Die zahlreichen Energie-Konferenzen, der Besuch des turkmenischen Präsidenten in Deutschland und Österreich, der Gipfel mit dem aserbaidschanischen und türkischen Präsidenten im November brachten abermals keine konkrete Entscheidung für Nabucco. Am 21. Dezember ist ein Besuch des Gasprom-Chefs Alexej Miller in Aschgabat geplant – erneut kein gutes Signal für den Westen, der eine breitere Streuung seiner Gaslieferanten und damit eine größere Unabhängigkeit vom russischen Gas anstrebt.


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