Russland

Oberhaupt der orthodoxen Kirche gestorben

Oberhaupt der orthodoxen Kirche gestorben / Aleksej II. führte Millionen Russen nach dem Ende der Sowjetunion wieder in die Kirchen

(n-ost) - Das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, Alexej II., starb am Freitagmorgen im Alter von 79 Jahren in seiner Moskauer Vorstadt-Residenz Peredelkino an Herzschwäche. Sein Tod kam nicht überraschend. Aleksej II. hatte bereits mehrere Infarkte und einen Schlaganfall hinter sich. Erst vor wenigen Tagen war er von einer dreiwöchigen Kur in Deutschland zurückgekehrt.Der russische Patriarch wurde 1929 im estnischen Tallinn als Aleksej Michailowtisch Ridiger geboren und wuchs in einer sehr gläubigen deutsch-baltischen Familie auf. 1940 beendete er eine dreijährige religiöse Ausbildung. 1961 wurde er Bischof in Tallinn. Im Juni 1990 – ein Jahr vor dem Zerfall der Sowjetunion - wurde er zum Patriarchen der russisch-orthodoxen Kirche gewählt.Nach jahrzehntelanger Verfolgung und Halblegalität erlangte die Kirche unter Aleksej II. ihre starke Stellung im Staat zurück. Sie wurde zum Bezugspunkt für Millionen Russen, die nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Systems nach neuer Orientierung suchten. Tausende von Kirchen im ganzen Land wurden wieder aufgebaut. Die Ausbildung neuer Priester begann. Als eine besondere Leistung des Verstorbenen gilt die Vereinigung der russisch-orthodoxen Kirche in Russland mit der russisch-orthodoxen Auslandskirche im Mai 2007. Die Auslandskirche hatte 1927 ihre Kontakte zum Patriarchat in Moskau abgebrochen.Der russische Präsident Dmitri Medwedew würdigte den Verstorbenen als „Einiger Nation“. Aleksej II. habe sich um den Dialog zwischen verschiedenen Kirchen und Nationalitäten im Land verdient gemacht. Unter seiner Leitung sei die Kirche „zu einer angesehenen Institution geworden, die mit dem Staat fruchtbringend zusammenarbeitet.“ Dass die Kirche aber auch zunehmend Mitsprache in weltlichen Fragen wie Familie, Erziehung und Schule verlangt, stößt bei liberalen Russen auf Kritik. Konservative Standpunkte vertritt die russisch-orthodoxe Kirche zwar mit großer Festigkeit, ihre praktische Sozialarbeit aber ist immer noch sehr schwach entwickelt. Lange wehrten sich die Geistlichen zum Beispiel gegen eine Aids-Aufklärung. Homosexualität bezeichnete Aleksej II. als Krankheit, ein Standpunkt der unter den Russen weit verbreitet ist.Nach dem Zerfall der Sowjetunion bemühte sich das Moskauer Patriarchat, die Gläubigen in den nun unabhängigen Republiken zusammenzuhalten und eine übermäßige Ausbreitung der westlichen Kirchen zu verhindern. Den Papst wollte der Patriarch nicht nach Russland einladen, aus Angst, dies könne dem Katholizismus im Land einen starken Impuls geben. Schwierig wurde die Situation besonders in der Ukraine, wo seit 1991 gleich drei Kirchen um die Millionen orthodoxen Gläubigen streiten. Im August kam es im Rahmen der Feierlichkeiten zum 1020. Jubiläum der Einführung des orthodoxen Glaubens im damaligen Fürstentum Kiew zu sehr emotionalen Szenen und Drängeleien mit der Polizei, die der herzkranke Aleksej II. selbst miterlebte. Der ukrainische Präsident Viktor Juschtschenko hatte zu den Feierlichkeiten den Patriarchen von Konstantinopel, Bartholomaios I., eingeladen, um orthodoxe Gläubige mit seiner Hilfe dem Moskauer Patriarchat zu entreißen und in einer ukrainischen Kirche zu vereinigen. Für Russland jedoch fußte auf der Übernahme des orthodoxen Glaubens im Kiewer Fürstentum im Jahre 988 seine Staatsgründung.Am Sonnabend kommt in Moskau das Parlament der russisch-orthodoxen Kirche zusammen, um das Datum für die Beerdigung und den vorläufigen Nachfolger des Patriarchen zu bestimmen. Innerhalb von sechs Monaten muss nach den Gesetzen der Kirche ein neuer Patriarch gewählt werden. Als Nachfolger sind der kaum bekannte Metropolit Kliment und der Sprecher des kirchlichen Außenamtes Metropolit Kirill im Gespräch, der sich auch schon mehrmals mit dem Papst traf. Wegen seiner häufigen Medien-Auftritte gilt Kirill als „zweites Gesicht“ der russisch-orthodoxen Kirche.
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