„Wir kämpfen doch gegen Korruption”
Die bulgarische Regierung ist enttäuscht über die präzedenzlose Streichung von 200 Millionen Euro EU-Hilfe in der vergangenen Woche. Bulgarien sei mitnichten ein Symbol für die Korruption in Osteuropa, so die Vizepremierministerin für EU-Fonds, Meglena Plugtschieva. Sie beklagt, Brüssel würdige den Reformprozess in dem jungen EU-Beitrittsstaat nicht ausreichend und solle das Land eher unterstützen als bestrafen. Seit sechs Monaten betreut Plugtschieva in der bulgarischen Regierung die EU-Fonds.
Bulgariens Premier Sergej Stanischev und Präsident Georgi Parvanov haben empört auf den Beschluss der EU-Kommission reagiert, Fördergelder in Höhe von 220 Millionen Euro zu streichen. Brüssel messe mit zweierlei Maß und instrumentalisiere Bulgarien für interne Machtkämpfe, so ihre Vorwürfe. Waren auch Sie von der Entscheidung der Kommission überrascht?
Ja, gewissermaßen. Und zwar, weil die beiden Zahlungsagenturen, die die nun gestrichenen Gelder aus dem PHARE-Programm verwalten, im Finanz- und Regionalministerium gänzlich reformiert wurden – es wurde Personal gewechselt, die Mechanismen der Kontrolle wurden verstärkt. Auch die Ergebnisse einer zweier Wirtschaftsprüfungen der Europäischen Kommission waren positiv. Ferner enthält der Brief, den ich von Michael Leigh, dem Leiter der Generaldirektion für Erweiterung, bekommen habe, keine Begründung für diese Entscheidung. Deshalb kann ich nur mein Nichteinverstandensein und meine Enttäuschung zum Ausdruck bringen und werde nach den einschlägigen Argumenten verlangen. Denn wenn wir weitermachen wollen und an einer Verbesserung unserer Arbeit interessiert sind, sollten unsere Fehler konkret aufgezeigt, die Namen konkret genannt werden.
Hätten Sie an Stelle der EU-Kommissare denn eine andere Entscheidung getroffen?
Ich habe nicht das Recht, mich in deren Position zu versetzen und über die Vollmachten der Kommission zu spekulieren. Die Problematik ist zweifelsohne kompliziert. Ich kann jedoch auch Beispiele für eine gute Zusammenarbeit zwischen Bulgarien und der EU nennen, so führen wir etwa mit den Generaldirektionen für Regionalpolitik, Human resources und Landwirtschaft einen ständigen Dialog, bekommen konkrete Kritik und Empfehlungen, die uns weiterhelfen. Die PHARE-Hilfen jetzt zu streichen, finde ich vom Ansatz her falsch. Das Prinzip des Dialogs und der Solidarität ist in diesem Fall verletzt worden. Das ist enttäuschend und demotivierend. Trotzdem wollen wir mit demselben Ehrgeiz und politischen Willen weiter arbeiten. Denn wir bemühen uns um Bulgarien, und nicht, um die Erwartungen der Kommission oder des Leiters einer Generaldirektion zu erfüllen.
Bulgarien besitzt also den erforderlichen politischen Willen für Reformen?
Ja, ich behaupte, dass wir den politischen Willen für Korruptionskampf besitzen. Seitdem ich auf diesem Posten arbeite, findet alle zwei Wochen eine Presskonferenz über die Reform der Verwaltung der EU-Hilfen, damit unsere Arbeit transparent genug ist. Damit bin ich in den Medien sogar überdurchschnittlich stark vertreten. Ich arbeite täglich etwa 12 bis 14 Stunden, dasselbe verlange ich auch von den anderen. Sicher sind wir nicht perfekt, schließlich lernen wir im Umgang mit den EU-Mitteln stetig dazu und es ist unmöglich, alle Defekte im System der vergangenen zwei bis drei Jahre auf einmal auszubessern. Außerdem sollte man nicht vergessen, dass Bulgarien im Vergleich zu anderen Mitgliedsstaaten wirtschaftlich sehr gut steht und sehr viel zur allgemeinen Stabilität der EU beiträgt. Man darf uns also so nicht behandeln.
Was bemängeln Sie bei der Verwaltung der EU-Fonds?
Das Prinzip, Mitarbeiter nach parteilichen Quoten einzustellen, zum Beispiel hat schwierige Folgen. Da muss ich persönlich dafür kämpfen, dass das Verwaltungspersonal nur durch entsprechende Ausschreibungen zusammengesetzt wird. Auch die fehlende Kooperation bestimmter Minister, ihre Neigung Probleme kleinzureden, und die oft schlecht informierte untere Verwaltungshierarchie stellen uns vor Schwierigkeiten.
Sollte jemand die politische Verantwortung für diese präzedenzlose Maßnahme der EU übernehmen? Sollte zum Beispiel der verantwortlichen Ressortminister zurücktreten?
Wenn überhaupt, hätte das nach dem sehr kritischen Juli-Bericht der EU-Kommission über Bulgarien geschehen müssen. Jetzt, nachdem viele Reformen umgesetzt und die Minister viel engagierter am Reformprozess beteiligt sind, hielte ich einen solchen Schritt für unangebracht. Außerdem bin ich nicht diejenige, die Rücktritte einfordern sollte.
Nach dem ernüchternden EU-Bericht im Juli und erst recht nach der jetzigen Streichung der EU-Mittel wirkt Bulgarien wie das Symbol für Korruption in der EU schlechthin. Was können Sie gegen dieses Image tun?
Ich teile die Ansicht, Bulgarien gehöre zu den korruptesten Ländern Europas, ganz und gar nicht. Zu dem negativen Image unseres Landes hat ein ganzer Komplex von Umständen und Ursachen geführt. Ich persönlich tue was ich kann, damit EU-Hilfen zweckmäßig verwendet werden. Dennoch ist der Reformprozess viel langsamer und mühsamer, als ich mir das wünschen würde.