Zulauf für kaukasische Separatisten
Nach der Anerkennung Südossetiens und Abchasiens kochen im Kaukasus Autonomiebestrebungen wieder hoch
Ein Selbstmordanschlag in Vladikavkaz, wenige Tage danach ein Angriff auf russische Militärs in Inguschetien. Hinterhalte, Anschläge, Gefechte – das ist wieder Alltag im russischen Teil des Kaukasus, vor allem in Nordossetien, Inguschetien und Dagestan. Das sind Republiken, in denen Autonomiebestrebungen seit jeher Konjunktur und Separatisten gerade jetzt wieder regen Zustrom haben. Im Kreml ist wieder von Aufstockung der Truppen in der Region die Rede, von wachsender Terrorgefahr, von verstärktem Einsatz des Inlandgeheimdienstes FSB. Nur im brutal befriedeten Tschetschenien erscheint die Lage derzeit ruhig.Einen Zusammenhang zwischen dem Krieg in Georgien und der derzeitigen Eskalation herzustellen liegt nahe. Dass Russland Separatisten in Südossetien und Abchasien unterstützt, hat den ohnehin schon lange schlummernden Autonomiebestrebungen auf der eigenen Seite der Grenze neuen Schub verliehen – sehr zum Missfallen Moskaus. Dafür, dass diese Betrebungen gerade jetzt hochkochen, macht Alexander Rahr von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik vor allem die katastrophale Wirtschaftslage in der Region verantwortlich. Der Krieg in Georgien habe nur den Anlass geboten.Letztlich, so Rahr, sitze Moskau mit dem Kaukasus auf einem Pulverfass. Die Region mit ihren vielen untereinander seit Jahrhunderten in Feindschaften und Allianzen verstrickten Völkern, seinen Clanstrukturen, sei praktisch nicht regierbar. Ein stabiles Modell für die Region gebe es nicht. Nur Stalin habe geschafft, die Region zu verwalten – indem er ganze Völker in Lastzügen aussiedelte. Die Wunden dieser Zeit bieten letztlich die Grundlage für die Probleme der Gegenwart. Und der Einfluss des Kreml in der Region ist gering: Osseten, Inguschen oder Tschetschenen würden sich eben nicht als Russen fühlen, so Rahr.Eines habe der Kreml jedoch vor allem durch den Krieg in Tschetschenien gelernt: Dass es ohne die Einbindung gewachsener Strukturen in der Region nicht gehe. Und nur so ist es letztlich gelungen, Tschetschenien nach fast einem Jahrzehnt Krieg doch halbwegs zu beruhigen und zugleich als russisches Territorium zu erhalten. Auch, dass zuletzt der geheimdiensterfahrene Präsident Inguschetiens abgesetzt und ersetzt wurde, passe in dieses Bild. Den Kaukasus, den könne man eben weder militärisch noch demokratiepolitisch befrieden, ist Rahr überzeugt. Das funktioniere nur von innen heraus.Moskau bleibt in Anbetracht dessen nur eines, glaubt Rahr: Die Verbesserung der ökonomischen Lage der Region. Überraschen würde es ihn jedoch nicht, so Rahr, sollten die Konflikte wieder derart hochkochen, dass es zu neuen Kriegen kommt. Die Anerkennung Südossetiens und Abchasiens hat das labile Gleichgewicht in der Region durcheinander gebracht. Bislang sei noch jeder Krieg in der Region Trainingsfeld für die Akteure von Morgen gewesen. Der einstige tschetschenische Rebellenführer Schamil Bassajew etwa hatte 1992 mit russischer Unterstützung in Abchasien gekämpft und war sogar stellvertretender Verteidigungsminister der Region. Wenige Jahre später wurde er zu Russlands Staatsfeind Nummer Eins.
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