Mysteriöser Tod von Sportlern
Sport-Fans zwischen Kaliningrad und Wladiwostok sind entsetzt: Drei junge bekannte Sportler sind im vergangenen Monat verstorben. Der 19-jährige Eishockey-Spieler Aleksej Tscherepanow sowie ein 16-jähriger Kudo-Sportler starben an plötzlichem Herzversagen, ein Eishockey-Stürmer an hohem Fieber. Schnelle Erfolge werden dem russischen Sport offensichtlich zum Verhängnis.
(n-ost) - Die Sport-Fans zwischen Kaliningrad und Wladiwostok rätseln über den plötzlichen Tod von drei Sportlern in den letzten vier Wochen. Der 19-jährige Eishockey-Spieler Aleksej Tscherepanow vom Verein „Avantgard“ in Omsk und der 16-jährige Kudo-Sportler Artjom Korotkow, der für den Verein „Weißer Drache“ in Nowosibirsk kämpfte, fielen in einer Turnier-Pause plötzlich wegen Herzversagens um. Der 30-jährige Juri Lawrenjuk, Stürmer des Eishockey-Clubs „Sokol“ aus dem sibirischen Krasnojarsk, starb überraschend mit hohem Fieber.Nach dem Tod des Jung-Stars aus Omsk ließ die russische Kontinental Hockey League jetzt 49 Nachwuchsspieler unter 20 Jahren vom Rehabilitations-Zentrum in Moskau untersuchen. Bei fünf Spielern diagnostizierte man Herz-Kreislauf-Probleme. Die Namen der Spieler wurden nicht bekannt gegeben. Sie sollen jedoch vorerst nicht mehr eingesetzt werden.Tscherepanow, Korotkow und Lawrenjuk sind in Russland bekannt. Über ihren Tod berichteten die Zeitungen. Doch sie schrieben nicht die ganze Wahrheit, glaubt die „Komsomolskaja Prawda“. Denn es gebe noch viel mehr Todesfälle von weniger bekannten Sportlern. Nur werde darüber nicht berichtet, eine Statistik über Todesfälle von Sportlern gibt es nicht.Eins steht fest: Artjom Korotkow, der seit dem 10. Lebensjahr den japanischen Kampfsport Kudo betrieb, galt zwar als kerngesund. Doch zum tragischen Turnier in der sibirischen Stadt Kemerow kam er mit einer fragwürdigen medizinischen Bescheinigung. Der Kudo-Sportler hatte offenbar keine Zeit für eine gründliche Untersuchung und besorgte sich die für die Zulassung zum Wettkampf notwendige Bescheinigung gegen ein Bestechungsgeld in einer Poliklinik. Diese Praxis ist auch bei Freizeitsportlern üblich, wenn sie beispielsweise eine ärztliche Bescheinigung für den Besuch von Schwimmbädern benötigen.Eine gründliche ärztliche Untersuchung hätte Artjom allerdings womöglich das Leben gerettet. Kudo – eine Mischung aus Karate und Boxen – ist nicht ungefährlich. Zum Kampf tritt man mit Visier und Kopfschutz an. Nach Meinung des Sportarztes Wladimir Bakischejew besteht bei Karate-Kämpfern die Gefahr von Herzrhythmusstörungen, weil die linke Herzkammer durch die besonderen sportlichen Belastungen oft vergrößert sei.Der Tod von Artjom kam völlig überraschend. Der Nachwuchs-Sportler, der im vergangenen Jahr in einem Turnier seiner Altersklasse gesiegt hatte, bekam bei dem Kampf in der Sporthalle von Kemerow zwei leichte Schläge. In der Pause fiel der 16-Jährige dann plötzlich um. Ein Trainer versuchte, ihn künstlich zu beatmen, doch ohne Erfolg. Auch die Bemühungen von Sanitätern, das Herz von Artjom mit leichten Stromstößen wieder in Gang zu setzen, holten ihn nicht ins Leben zurück.Der Vorsitzende der Kudo-Föderation von Kemerow, Aleksandr Berlintejger sprach gegenüber der „Komsomolskaja Prawda“ von einem „unglücklichen Zufall“: „Bei dem Jungen blieb einfach das Herz stehen.“ Allerdings sieht sich die Turnier-Leitung dem Vorwurf ausgesetzt, dass die medizinische Bescheinigung von Korotkow für die Teilnahme an dem Turnier nicht ausreichend war. Warum trotzdem kein Strafverfahren eröffnet wird, ist rätselhaft.
Juri Lawrenjuk, Stürmer beim Eishockey-Clubs „Sokol“, starb angeblich an Tuberkulose. Foto: Sibnovosti
Die Ärzte des Eishockey-Spielers Juri Lawrenjuk vermuteten Tuberkulose als Ursache für dessen hohes Fieber und den plötzlichen Tod. Doch der Biologe Aleksandr Terletzki glaubt, auch eine Blutinfektion könne die Ursache sein. Viele Russen würden an Blutinfektionen wie Babesiose leiden. Diese Infektion wird von den staatlichen Krankenhäusern nicht diagnostiziert, kann aber zu einem plötzlichen Tod führen.Die Serie der plötzlichen Todesfälle in Russland begann am 13. Oktober mit dem Tod des Eishockey-Stürmers Aleksej Tscherepanow. Bei einem Spiel zwischen „Witjas“ Tschechow und „Avantgard“ Omsk in der südlich von Moskau gelegenen Stadt Tschechow sackte der 19-jährige Stürmer von „Avantgard“ auf der Ersatzspielerbank plötzlich bewusstlos zusammen. Aleksej galt als kerngesund und hatte eine große Karriere vor sich. Dieses Jahr sollte er beim NHL-Club New York Rangers einsteigen.Doch Aleksej wachte in der Spielpause nicht wieder auf. Weder die Adrenalin-Spritze noch die Herzmassage halfen. Schlamperei wurde dem Sportler zum Verhängnis: Ein Notarztwagen traf erst nach 20 Minuten ein. Das Gerät zur Herzstimulierung an Bord des Wagens funktionierte nicht. Im Krankenhaus war Tscherepanow dann schon tot. Die Ärzte diagnostizierten Herzversagen. Bei der Trauerfeier im sibirischen Omsk wurde der Jung-Star wie ein Held geehrt. 6.000 Menschen kamen in das Eisstadion, um von dem „Avantgard“-Stürmer Abschied zu nehmen.
Aleksej Tscherepanow, Stürmer bei Avantgard Omsk, starb in einer Spielpause. Foto: Avantgard
Das Untersuchungskomitee der Staatsanwaltschaft teilte mit, dass man wegen Doping-Verdachts ermittele. Die Obduktion ergab, dass das Herz von Tscherepanow nicht 290 Gramm wog, wie es die Norm ist, sondern 495 Gramm. Es war damit dreimal größer als normal, die Milz sogar fünfmal größer. Der Grund könnte übermäßiges Training sein. Der Gesundheitsminister des Moskauer Gebiets, Wladimir Semjonow, beschuldigt den Club „Avantgard“, man habe einen „kranken Menschen“ ins Spiel geschickt. Tscherepanow stand bereits im Alter von drei Jahren auf Kufen. Sein Vater war Eishockey-Trainer. Als Aleksej zehn Jahre alt war, gab es für ihn keine Kinderspiele mehr, sondern nur noch Training.
Das Setzen auf Höchstleistungen und schnelle Erfolge wird dem russischen Sport offensichtlich zum Verhängnis. Die Ärzte drücken bei Untersuchungen auf Drängen der Funktionäre beide Augen zu, Hauptsache der Sportler bringt Geld. Beim Verbrauch von Ressourcen war man in Russland immer verschwenderisch. Dass heute alles Geld kostet und nichts unerschöpflich ist, daran hat man sich offenbar noch nicht gewöhnt. Das Massenblatt „Komsomolskaja Prawda“ fordert jedenfalls mehr Nachhaltigkeit. Es dürfe nicht angehen, dass die Sportler wegen der steigenden Konkurrenz „ihren Organismus vergewaltigen“ und als Kamikaze-Kämpfer von der Sport-Industrie verheizt werden.
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