Bundesliga-Personal in Moskau
(n-ost) – Es ist nur ein leises Wasserglucksen in der Schwimmhalle des Trainingszentrums von Saturn Ramenskoje zu hören. Jürgen Röber, Trainer der gleichnamigen Fußballmannschaft zieht seine Bahnen, noch bevor die Spieler auftauchen. Es ist sieben Uhr am Morgen. Röber schwimmt in der auf 35 Grad geheizten Halle unter der russischen Oktobersonne, die durch streifenfrei geputzte Glasscheiben hereinscheint. Sie beleuchtet auch das satte Grün gepflegter Rasenplätze vor der Halle.„Hier ist es immer schön warm, mit Energie haben die Russen ja keine Probleme“, sagt der drahtige blonde Mann grinsend. Er steckt in Laufhosen, sieht erholt aus und scheint jünger als 53 Jahre zu sein. „Ich komme mir hier vor wie in einem Erholungsheim in der Schweiz.“ Nur die Stoppuhr verhindert das komplette Urlaubsfeeling. In zehn Minuten beginnt Jürgen Röber mit dem Mannschaftstraining.Röber pflegt seine Zeiten peinlich genau einzuhalten. „Er ist schließlich ein Deutscher“, heißt es in der Geschäftsstelle von Saturn Ramenskoje, dem Tabellendreizehnten der russischen Liga. Im Juli schied die Mannschaft der Moskauer Vorstadt gegen den VfB Stuttgart im UI-Cup aus. Saturn hatte die Meisterschaft immerhin als Tabellenfünfter abgeschlossen, hinter den starken Mannschaften aus Moskau und Petersburg.Ein paar Wochen später dann kam Röber. Erste Gespräche wurden bereits bei der Europameisterschaft in Österreich geführt. Nach dem UEFA-Cup-Sieg von Zenit St.Petersburg im Mai nutzte die russische Liga die neue Aufmerksamkeit, um sich bei der anschließenden EM, einer Messe des Fußballs, zu präsentieren. Der Erfolg der russischen Nationalmannschaft, der Sbornaja, die mit modernem Tempofußball die Öffentlichkeit beeindruckt, verstärkt nun die Konjunktur der Liga. Röber hat eine Welle erwischt - zur rechten Zeit. Nach einem dreimonatigen Kurzeinsatz bei Borussia Dortmund Anfang 2007 war er ohne Jobaussicht in der Bundesliga. Denn dort geht es im Augenblick um Konzeptfußball, da zählen die Klopps, Klinsmänner, Labbadias und Rangnicks – die Generation nach Röber eben.Dort, in Ramenskoje, reicht es, ein gestandener Bundesligatrainer zu sein. Schließlich hat es ein über 60-Jähriger wie Dick Advocaat in Russland mit Zenit St.Petersburg zum UEFA-Cup-Sieg gebracht. Und das, nachdem Advocaat der Bundesliga nicht mehr genügte, von Mönchengladbach aus in die Vereinigten Arabischen Emirate flüchtete und über Südkorea nach Russland kam. Wahrscheinlich hilft Weltgewandtheit in Russland mehr als die Hochtechnologie moderner Trainingsmethoden. Inzwischen will Advocaat wieder in den Westen. Wenn er geht, hinterlässt er eine begehrte Stelle in der russischen Liga.Was Röber in Ramenskoje qualifiziert, ist seine Bundesligaerfahrung bei Hertha, Wolfsburg, Stuttgart und in Dortmund. Russische Trainer sind passé. Die hungrige Liga will vom Ausland lernen – um es anschließend selbst besser zu machen. Schließlich hat man die Bundesliga fest im Blick. In der Fünf-Jahreswertung der UEFA liegt Russland im Ligavergleich plötzlich auf Rang fünf – hinter der Bundesliga. „Wir arbeiten gezielt daran, auf dieses Niveau zu kommen“, sagt Alexej Sorokin, der Geschäftsführer des russischen Fußballverbandes. Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien sind die Zielmarken. Nur die englische Premier League lässt er unerwähnt.„Solange unser Gouverneur hier noch das Sagen hat, wird es keinen russischen Trainer bei Saturn geben“, sagt Sportdirektor Boris Anatoliewitsch. Der Club gehört der Bezirksregierung Moskau, und deren Chef ist ein mächtiger Mann. Mit dem FK Chimki kontrolliert er noch einen zweiten Erstligaclub. Anatoliewitsch ist vor allem davon beeindruckt, dass Jürgen Röber Profi bei Bayern München war.Röber selbst gibt sich bescheiden. Er weiß, dass Saturn bloß ein Provinzclub ist. Beim Heimspiel gegen Amkar Perm, der Überraschungsmannschaft der laufenden Saison, kommen weniger als 3000 Zuschauer. Bei der anschließenden Pressekonferenz sitzt ein halbes Dutzend Journalisten vor dem Podium, dazu ein paar Fans. Saturn hat keine Stars. „Die großen Mannschaften mit riesigen finanziellen Möglichkeiten kaufen eben mal diesen Superportugiesen Danny für 30 Millionen. Da zucken sie nicht einmal mit der Wimper. Von uns zu ZSKA, Spartak Moskau, vor allem aber zu Zenit ist es eben ein Unterschied.“ Die von Röber genannten Clubs werden alle von Energie-Imperien unterstützt.Bei Saturn unter Röber spielen eher die ausgemusterten Bundesligaprofis wie Marko Topic und Solomon Okronkwo. Doch es sei jetzt auch für andere Spieler interessant, nach Russland zu gehen, ist sich Röber sicher, „weil sie wissen, dass die finanziellen Möglichkeiten hier enorm sind.“ So ist dem Ruf des Geldes in diesem Jahr neben dem Ex-Hertha-Profi Solomon Okoronkwo auch der Berliner Malik Fathi gefolgt. Okoronkwo hat nun – anders als in Berlin unter Trainer Favre – einen Stammplatz unter Röber.Fathi ist bei Spartak Moskau zusammen mit zwei weiteren ehemaligen Bundesligaspielern im Einsatz: Martin Stranzl, der aus Stuttgart kam, und der russische Nationalstürmer Ivan Saenko, der zuvor in Nürnberg spielte. Neuerdings heißt Fathis Trainer Michael Laudrup. Der Däne wechselte vom Madrider Vorstadtclub Getafe an den Moskau-Fluss, wo der Erdölriese Lukoil Spartak auf Championsleague-Niveau aufpeppeln will. Und Fathi hat sich dort bislang bewährt. Für den Deutschtürken dürfte das Russlandabenteuer keine sportliche Sackgasse sein.Dagegen erlebt Marco Topic, der früher für Wolfsburg und Energie Cottbus stürmte, in Saturn den Herbst seiner Karriere. Für ihn ist Ramenskoje schon die zweite Station in Russland – die erste hieß Samara, wo seit Sommer der tschechische Sturmriese Jan Koller – mit 35 Jahren noch drei Jahre älter als Topic – spielt. „In ein oder zwei Jahren ist das hier auf Bundesliganiveau“, prophezeiht Topic. „Viele Clubs bauen neue Stadien. Und im Winter werden neue Leute kommen, sicher auch aus der Bundesliga.“ Der erfahrene Topic sieht darin auch eine Chance für Leute wie den erst 21-jährigen Okoronkwo: „Wenn man in Deutschland keine Chance bekommt, irgendwo zu spielen, warum sollte man nicht hierher kommen?“Unter Hertha-Trainer Lucien Favre sah der Nigerianer Okoronkwo zuletzt keine Chancen mehr. „Ich mag die Hertha. Aber ich habe genug davon, auf der Bank zu sitzen. Ich muss spielen“, sagte er vor seinem Wechsel zu Saturn. Auch die Ablösesumme – die Rede ist von 1,4 Millionen Euro – dürfte den Schritt beschleunigt haben. In der Bundesliga ist Okoronkwos Marktwert deutlich niedriger. Aber er kennt das schnelle Spiel, wie es in Russland nur die Topclubs und die Sbornaja vormachen. „Leider ist der Fußball jetzt noch sehr langsam, aber das wird sich ändern, auch mit unserem neuen Trainer. Er wird noch einige Spieler aus der Bundesliga holen.“Sportdirektor Anatoliewitsch bestätigt das. Ganz sicher wird das Kontingent der Bundesligaspieler in Russland in dieser Winterpause größer. Zumal in Russland Ende November die Saison zu Ende geht. Schon jetzt plant Röber für das kommende Jahr.ENDENachdruck und Weiterverwertung dieses Artikels sind kostenpflichtig. Informationen im n-ost-Büro unter (030) 259 32 83 - 0