Vierjahresplan für den Fußball
(n-ost) - Im Kreml ist wieder Planwirtschaft angesagt. Nur dass diesmal reichlich Mittel da sind, um den Vierjahresplan zu erfüllen. Fußballoligarchen, Rohstoffindustrie und Politik wollen ihre Nationalmannschaft zum Europameisterschaftstitel 2012 treiben. "Der ist unser erklärtes Ziel", sagt Alexej Sorokin, der jugendliche Geschäftsführer des russischen Fußballverbandes.Die Qualifikation zur Weltmeisterschaft in Südafrika in zwei Jahren ist nach Ansicht der russischen Funktionäre bloß ein Zwischenschritt. Am Samstag steht das WM-Qualifikationsspiel gegen Deutschland auf dem Programm. Aber es geht um mehr als eine WM-Qualifikation: "Unsere politischen Führer haben verstanden, dass Sport ein Teil unserer Außenpolitik ist", sagt Sorokin. Er selbst baut auf seine Erfahrung als Diplomat in den USA, und im Frühjahr dieses Jahres hatte er das Finale der Championsleague im Moskauer Luschniki-Stadion organisiert. Ein Appetithäppchen für die hungrige Nation. Damals standen sich Manchester United und Chelsea London, der Club des russischen Ölmagnaten Roman Abramowitsch, gegenüber. Immerhin besiegte der Uefa-Pokalsieger Zenit St.Petersburg im anschließenden Supercup-Finale den Championsleague-Sieger aus Manchester mit zwei zu eins.Auf dem Rasen des Luschniki-Stadions spielen auch andere als die besten Fußballer Russlands. Arkadi Dworkowitsch ist ein junger sportlicher Mann. Wie an jedem Samstagvormittag läuft der Wirtschaftsberater von Präsident Medwedew über den Kunstrasen im Luschniki-Park und spielt mit anderen einflussreichen Männern Fußball. Längst schmiedet der Kreml an einer Fußball-Allianz zwischen der Politik und den Industriellen. Der Berater des Präsidenten kümmert sich gleichsam beim Fußballverband um den Erfolg von morgen. "Es gibt ein umfangreiches Entwicklungsprogramm für den russischen Fußball, der vom Staat aktiv unterstützt wird", sagt er zwischen Schlusspfiff und Dusche. Sportschulen und Stadien sollen gebaut werden, mit Hilfe privater Investoren.Der Fußball in Russland wirkt nicht nur nach außen; er stärkt auch die Nation, sind sich Leute wie Dworkowitsch sicher. Das Selbstbewusstsein dieser Nation ist in diesem Jahr durch den Weltmeistertitel im Eishockey, einer der wichtigsten Sportarten in Russland, und der Militäraktion gegen Georgien gehoben worden. Es gibt viele, die sich in Russland nach dem altbekannten Gefühl sehnen, eine Weltmacht zu sein.An die sportlichen Erfolge der Sowjetunion erinnert Alisher Aminow. "Leider haben wir die in den vergangenen Jahren vergessen", sagt der Geschäftsmann beim Spaziergang über den saftigen Rasen in Swenigorod, wo außerhalb der Metropole für 300 Millionen Dollar ein Trainingszentrum entstehen soll. "Roman Abramowitsch hat mit seinem Geld eine Stiftung gegründet, die das alles finanzieren wird", erklärt Aminow. "Diese Stiftung tut viel für die Entwicklung des russischen Fußballs".Ein anderer Plan sieht das Trainingszentrum auf dem Gelände des Luschniki-Parks im Herzen Moskaus. Auf jeden Fall spielt es eine wichtige Rolle in dem Vierjahresplan bis zur EM 2012. Glorreiche Siege wie im Viertelfinale der Euro 2008 gegen die Holländer sollen kein Zufallsprodukt sein. "Es geht uns nur um den ganz großen Erfolg. Wir werden alles gewinnen", sagt Sorokin. Er lacht dabei -- in ehrlicher Vorfreude. Im neuen Russland zählt nur der Superlativ: von allem das Größte. Der Supercup von Zenit war erst der Anfang. Der europäische Glanz, den Zenit seither verbreitet, wirkt immer noch anziehend, auch auf den mächtigen Premierminister."Heute ist der denkwürdigste Tag meines Lebens, weil ich beim Frühstück plötzlich diesen Anruf bekam", sagte Zenit-Trainer Dick Advocaat nach einem Gastspiel bei Lokomotive Moskau. "Herr Putin wartete auf mich." Nicht nur, um dem Holländer zu dessen 61. Geburtstag zu gratulieren. "Wir haben über alles gesprochen, über Fußball und über das Leben", sagt Advocaat schelmisch grinsend. Als wolle er sagen: Ich werde einen Teufel tun, mich in die inneren Angelegenheiten meines großzügigen Gastgeberlandes einzumischen.Schließlich hat sein Club die volle politische Protektion der beiden Petersburger Putin und Medwedew, dem ehemaligen Aufsichtsratsvorsitzenden von Großsponsor Gasprom. Der riesige staatlich kontrollierte Energiekonzern dominiert den Fernsehmarkt und verdient an jedem Fußballspiel mit. Ihm gehören auch die Fernsehrechte. In der Fanszene heißt es, dass den Anhängern von Zenit absichtlich erlaubt wird, Feuerwerkskörper mit auf die Tribüne zu nehmen, um ein stimmungsvolles Bild zu zeigen, wie es die Fernsehzuschauer sonst aus der italienischen Liga kennen.Geht es um den Erfolg des russischen Fußballs, ist alles möglich. Umso mehr, als dass Zenit den Kern der Nationalmannschaft stellt. Zwischen den Finalspielen im diesjährigen Uefa-Cup und der Europameisterschaft setzte Zenit an fünf Spieltagen in der heimischen Liga aus. Auch so ist zu erklären, dass Spieler wie Andrej Arschawin von Zenit bei der EM in scheinbar unerschöpflicher Frische über den Platz liefen. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Stürmer nicht die Hälfte der Spiele seit Jahresbeginn in den Beinen wie beispielsweise sein überspielter italienischer Kollege Luca Toni von Bayern München.Absprachen über den Einsatz der russischen Nationalspieler werden in Russland über die Politik beschleunigt. Wladimir Mutko ist Sportminister, und gleichzeitig Präsident des Fußballverbandes. Sein Geschäftsführer Sorokin findet an dieser Personalunion nichts Zweifelhaftes. "Viele der Vorsitzenden unserer Sportverbände sind gleichzeitig Staatsmänner -- oder wichtige Geschäftsleute." Und dann zählt er auf: beim Schwimmen, im Ski-Verband, beim Boxen und so weiter. "Schließlich soll ein Verbandschef ja auch Geld anlocken -- er kann eben Türen öffnen." Tatsächlich sieht es so aus, dass hinter vielen russischen Türen Superreiche darauf warten, sich in die Fußball-Allianz mit einzureihen, um sich für die Nation verdient zu machen. Sorokin: "Hier gibt es viele einflussreiche Männer, die etwas für den Fußball tun wollen".Am Südufer des Moskau-Flusses, gleich hinter dem prominenten Baltschug-Hotel, arbeiten 18 Menschen daran, das Geld der einflussreichen Männer im Fußball zu verteilen. Neben der ehemaligen Firmenzentrale des Ölmagnaten Abramowitsch sitzt seine Stiftung: die "Nationale Fußball Akademie", die eigentlich nur ein Fonds ist, aus dem lange Zeit sämtliche Trainergehälter der Nationalmannschaft flossen, auch die zwei Millionen Euro für den Holländer Guus Hiddink.Wie Advocaat ist auch Hiddink vorsichtig, wenn es um die politischen Belange seiner Gastgeber geht. Einer von denen hat draußen bei Ramenskoje, eine Stunde außerhalb Moskaus, eine Datscha. Hier trifft man sich am Wochenende. Von dort aus schaut Hiddink auch gelegentlich bei Saturn Ramenskoje vorbei -- der Club ist eine Aktiengesellschaft, die Mehrheit hält der Regierungsbezirk Moskau, deren Gouverneur der wichtigste Mann im Club ist. "Mit unserem Erfolg beschleunigt sich der Prozess, dem Fußball immer mehr Substanz zu geben", sagt der Holländer. Er redet über Innovation, neue Stadien und von einer finanziellen Entwicklung, die auch "über Regierungswege" vorangetrieben wird.Sogar die Fankultur wird aus Moskau gesteuert. Es gibt einen "internationalen Fanclub", der Anhänger zum Länderspiel morgen nach Deutschland einlädt. Auch den Studenten Alexej. Der Fanclub hat sich um sein Visum gekümmert, um die Eintrittskarte, das Flugticket, und um den Transfer vom Flughafen zum Stadion. Das alles für eine Selbstbeteiligung von 100 Dollar. "Es wurden ein paar Leute angerufen, Fans der großen Clubs. Dann kam ein Mann mit einem Koffer, und hat unsere Reiseunterlagen ausgeteilt". Alexej weiß nicht, woher das Geld dafür kauft. Geld wirft in solchen Fällen in Russland keine Fragen auf. Es schafft Tatsachen.ENDENachdruck und Weiterverwertung dieses Artikels sind kostenpflichtig. Informationen im n-ost-Büro unter (030) 259 32 83 - 0