Serbien

Abschied vom jugoslawischen Wirtschaftswunder

Vermutlich gibt es nur wenige Automarken, bei denen die Meinungen so weit auseinander gehen wie beim Kleinstwagen Yugo. Er sei „irgendwo in der Mottenkiste der schlechten Ideen, einhergehend mit dem Stalinismus und den McRibs einzuordnen“, schrieb die US-Zeitung „The Washington Post“ Mitte der 1990er Jahre. Zurzeit rollt der Yugo noch in den serbischen Zastava-Werken vom Band. Doch nicht mehr lange: Er wird noch vor Jahresende in den Ruhestand geschickt.


Der Yugo ist das Symbol des jugoslawischen Wirtschaftswunders / Veronika Wengert, n-ost

Das Zastava-Modell Yugo soll mitsamt seinen Varianten Skala und Florida wieder in der Mottenkiste verschwinden. Hintergrund ist die am Montag abgeschlossene strategische Partnerschaft der Zastava-Werke mit dem italienischen Automobilhersteller Fiat. Dieser wird eine Zwei-Drittel-Mehrheit übernehmen, während ein Drittel der Zastava-Anteile in staatlicher Hand verbleibt. Im Gegenzug sind Investitionen in Höhe von fast einer Milliarde Euro geplant.Neu ist die slawisch-italienische Partnerschaft keinesfalls: Fiat fertigt in Serbien bereits den Zastava 10, der  als „serbischer Punto“ bekannt ist und auch im nächsten Jahr produziert werden soll, möglicherweise mit einer Variante des Uno gmeinsam. Und bereits zu sozialistischen Zeiten, erstmals vor genau 55 Jahren, rollten in Kragujevac die populären Modelle „Fiat 500“ und die eckigere Variante „Polski Fiat“ unter Lizenz vom Band.

Mehrere Jahre Wartezeit

Die Idee der Zastava-Werke – die bald schon Fiat Srbija heißen werden – für den Yugo keimte bereits Mitte der 1970er Jahre: Ein kleines städtisches Auto wollte man entwerfen, das günstig, pflegeleicht und klein genug zum Einparken war. Mit einer Länge von weniger als vier Metern war zumindest die den Machern gelungen. Gerade mal 900 Kubik hatte das 45-PS-Modell, das den phantasiereichen Modellnamen „Yugo 45“ trug. Nicht selten mussten die künftigen Yugo-Besitzer mehrere Jahre Wartezeit in Kauf nehmen.

Mehr Spielzeug als Auto

Der Yugo war der Stolz des sozialistischen Jugoslawien. Als er 1980 erstmals montiert wurde, verkörperte er weitaus mehr, als die erste Kfz-Eigenmarke „Made in Yugoslavia“ zu sein. Für viele war er der Inbegriff des wirtschaftlichen Aufschwungs ihres Landes. Ein Produkt, mit dem man die Welt erobern wollte. Der Yugo wurde als „Jahrhundertgeschäft“ bejubelt und 1981 im eigenen Land zum „Auto des Jahres“ gekürt. Ziemlich optimistisch machte man sich auf, den US-Markt in Angriff zu nehmen. Dort wurde das Modell vom Importeur, dem Ex-Autobauer Malcolm Bricklin, für sagenhafte 3.990 US-Dollar angepriesen. Ein Neuwagenpreis, der nicht einmal die Produktionskosten gedeckt haben soll.

Insgesamt sollten 300 US-Niederlassungen den spartanisch ausgestatteten Kleinwagen im Programm führen. Aus den großen Ambitionen wurde jedoch nichts, zu Spitzenzeiten gab es gerade mal 90 Händler, die den jugoslawischen Kleinwagen ihren Kunden anboten. Nicht ohne Grund: Der Yugo fiel bei den amerikanischen Konsumenten durch, wurde von Autokritikern regelrecht zerrissen und als „schlechtestes Auto der Geschichte“ bezeichnet. Mehr Spielzeug als Auto – so der weitläufige Tenor von Experten.


Die spartanische Innenausstattung des Yugo / Veronika Wengert, n-ost

Die Klagen häuften sich: Immer wieder standen Mechanik und Elektrik im Kreuzfeuer der Kritik. Motorschäden, schwache Bremsen, ein mangelhaftes Schaltsystem und ein ebensolcher Service – so die häufigsten Beanstandungen von damaligen Yugo-Besitzern. 1989, als das jugoslawische Auto im eigenen Land mit 118.000 produzierten Modellen sein absolutes Rekordjahr feierte, meldete Yugo America Insolvenz an. Das Fahrzeug wurde vom US-Markt genommen. Ein Wiederbelebungsversuch scheiterte, denn sein schlechtes Image konnte der Kleinstwagen nicht wieder abschütteln.

Auch Bruce Willis und Homer Simpson fuhren Yugo

Allen Unkenrufen zum Trotz erlangte der Yugo für ein europäisches Auto in den USA fast eine Art Kultstatus, was er nicht zuletzt einigen Gastrollen in Hollywood-Filmen zu verdanken hat. Bruce Willis fuhr 1995 im Actionsfilm „Stirb langsam – jetzt erst recht“ einen Yugo. In einer Szene erscheint sein Filmpartner Samuel L. Jackson mit der verzweifelten Feststellung „Was soll ich tun? Es ist ein Yugo!“ auf der Leinwand. Und auch Tom Hanks und Dan Aykroyd begaben sich 1987 mit einem Yugo auf Ganovenjagd. In „Schlappe Bullen beißen nicht“ erhielten sie das Modell als Dienstwagen.

Selbst Zeichentrickheld Homer Simpson macht in einer Episode eine Probefahrt in dem jugoslawischen Auto. Und Bette Midler wird in „Der Fall Mona“ in einem Yugo ermordet. Der Film spielt in einem Vorort, in dem alle Bewohner Yugo-Modelle fahren. Utopie? Eher nicht, denn dazu soll die Werbekampagne eines Autohändlers geführt haben, der sich einen ungewöhnlichen Vermarktungstrick einfallen ließ. Wer ein Fahrzeug im Wert von über 30.000 US-Dollar kaufte, soll kostenlos einen Jugo erhalten haben, schreibt das „Lexikon der YU-Mythen“.

Verjüngungskur zum Millenium

Die Wiege des Yugo steht im serbischen Kragujevac, einer schmucklosen Kleinstadt, 140 Kilometer südöstlich von Belgrad. Hier befinden sich seit 1955 die Zastava-Werke, die zu sozialistischen Zeiten noch den Namen „Crvena Zastava“ trugen, was übersetzt „Rote Fahne“ heißt. Die ideologische Farbbezeichnung wurde allerdings mit dem Zerfall des Sozialismus kurzerhand aus dem Namen gestrichen. Mehr als 30.000 Mitarbeiter waren dort zu Hochzeiten mit der Fertigung von Autos, Maschinen, Waffen und Militärfahrzeugen beschäftigt – heute sind es gerade mal ein Zehntel. Weitere 1.000 Stellen sollen künftig gestrichen werden. Vor allem für ihre Fiat-Produktion, die nach ganz Osteuropa ging, waren die Zastava-Werke auch im Ausland bekannt.

Seit ihrer Restrukturierung umfasst die Zastava-Holding 20 Tochterunternehmen. Und auch der Yugo bekam zum neuen Millenium eine Verjüngungskur geschenkt. Sein spartanisches Inneres, das mit Westautos kaum vergleichbar ist, wurde mit einigen neuen Komponenten aufgepeppt. Auch der Motor wurde europäischen Normen angepasst. Heute fährt der Yugo, der auch nach Griechenland, Ägypten und in den Libanon geliefert wird, vor allem noch auf den Straßen des ehemaligen Jugoslawien. Doch oftmals ist der Schriftzug älterer Fahrzeuge abmontiert oder mit dem Nationalitätenaufkleber des jeweils jungen Staates überklebt.


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