Russland

DEUTSCHE INJEKTION FÜR RUSSISCHE WEIDEN

(n-ost) - Luftballons in den deutschen Farben schmücken das weiße Festzelt im Dorf Detschino, 150 Kilometer südlich von Moskau. Während im Zelt die Vertreter von fünf deutschen Landwirtschaftsfirmen mit der Maurerkelle eine symbolische Mauer aus roten Ziegelsteinen errichten und damit den Grundstein für ein deutsches Landwirtschaftszentrum legten, dröhnen draußen die Raupen, die den Baugrund ebnen. Die Zeit drängt. Bereits im nächsten Jahr sollen auf der früheren Wiese Fabrikhallen und Büros mit 100 Arbeitsplätzen entstehen.Im Festzelt klingen die Sektgläser. Der Gouverneur des Gebiets Kaluga Anatoli Artamonow stößt mit den deutschen Unternehmern auf das 20 Millionen Euro teure Agrar-Zentrum an. Der Gouverneur ist erfolgreich im Anwerben ausländischer Firmen. Im neuen Kaluga-Werk von VW werden seit Ende letzten Jahres Jetta und Passat endmontiert. Die Autofirma Volvo baut eine Fabrik. Eine dritte Fertigungsstätte bauen Pegeuot-Citroen in Kooperation mit Mitsubishi.Die fünf deutschen Landwirtschaftsfirmen Grimme, Ekoniva, Lemken, Wolf-System und Big Dutchman haben sich nun im Dorf Detschino zusammengetan. Sie wollen ihre Erfahrungen im Russlandgeschäft bündeln. Die Firmen, von denen einige schon seit Anfang der 1990er Jahre in Russland aktiv sind, "konkurrieren nicht, sondern ergänzen sich", sagt der Geschäftsführer der Firma Lemken, Franz-Georg von Busse. Die Firma vom Niederrhein macht im Jahr 185 Millionen Euro Umsatz, davon 34,2 Millionen in Russland.Die fünf Firmen haben große Pläne. Auf dem Gelände von Detschino soll ein Ausbildungszentrum entstehen. Die Firmen Grimme und Lemken wollen Fertigungshallen für Landwirtschaftstechnik bauen, Wolf-System baut eine Fertigungsstätte für landwirtschaftliche Gebäude, Ekoniva will ein neues Service-Zentrum bauen und Big Dutchman plant ein Logistik-Zentrum.Auf diesem Bauplatz 150 Kilometer südlich von Moskau sollen nächstes Jahr die Hallen und Büros des deutschen Agrarzentrums stehen. Foto: Ulrich HeydenDas Baugelände für das Agrar-Zentrum in Detschino wurde zunächst nur gepachtet, erzählt Lemken-Geschäftsführer von Busse. Dass sei eine übliche Regelung, womit sich der russische Staat gegen Grundstücksspekulation schützt. Doch der Gouverneur habe versprochen, dass die deutschen Firmen, bzw. ihre russischen Tochterfirmen, im nächsten Jahr, wenn die dreistöckigen Hallen und Büros stehen, das Gelände kaufen können.Besonders erfahren im Russlandgeschäft ist die deutsch-russische Firma Ekoniva, die schon seit 1994 in Russland aktiv ist. Ekoniva importiert landwirtschaftliche Technik aus Europa und den USA. In Russland heiß begehrt sind die schweren John-Deere-Traktoren aus dem US-Werk Waterloo, die mit 300 PS und Doppelreifen über die riesigen Schwarzerde-Äcker rollen. Aber auch Mähdrescher und Feldhäcksler aus dem John-Deere-Werk im saarländischen Zweibrücken sind in Russland gefragt. Neben dem Handel von Landwirtschaftsmaschinen betreibt Ekoniva auf 100.000 Hektar an mehreren Standorten in Russland. Im letzten Jahr machte die Firma einen Umsatz von 122 Millionen Euro.Etwas weiter südlich vom Dorf Detschino im Dorf Chochlowka hat Ekoniva eine alte Kolchose komplett auf westlichen Standard gebracht. Die Firma kaufte 530 trächtige Milchkühe aus der Schweiz und Österreich, die frei herumlaufen. Die frisch geborenen Kälber mit beigefarbenem Fell werden einzeln in modernen Kälberboxen aufgezogen. Alle drei Monate kommt ein Veterinär aus Deutschland, der kontrolliert, wie die Tiere mit dem russischen Klima zurechtkommen.Der Deutsche Sebastian Vogler arbeitet bei der deutsch-russischen Firma Ekoniva im Kaluga-Gebiet als Agronom. Foto: Ulrich HeydenRusslands Regierung hat mit der Landwirtschaft großes vor. Mit billigen Krediten will sie den Privatbetrieben auf die Sprünge helfen. Doch mit dem Gesamtwirtschaftswachstum von 8,1 Prozent kann die russische Landwirtschaft noch nicht mithalten. Sie wuchs im letzten Jahr nur um
3,3 Prozent. Die größten Probleme sind nach Angaben von Gerit Schulze vom Moskauer Büro der Bundesagentur für Außenwirtschaft Landflucht, ineffiziente Düngemittel und niedrige Hektar-Erträge.Die deutschen Exporteure profitieren jedoch von dem Boom, der sich jetzt in einzelnen landwirtschaftlichen Sektoren, insbesondere in der Milch- und Fleischwirtschaft, bemerkbar macht. Im letzten Jahr wurden aus Deutschland Ernte-, Dresch- und Bodenbearbeitungsmaschinen im Wert von 418 Millionen Dollar nach Russland verkauft. Einen besonderen Erfolg konnten die deutschen Rinder-Exporteure verzeichnen. Sie exportierten im letzten Jahr 31.500 Rinder nach Russland. 2006 waren es noch 20.300. Fast die Hälfte der nach Russland offiziell importierten Rinder kommt aus Deutschland.Dass auf der noch leeren Fläche in Detschino bereits im nächsten Jahr Fabrikhallen stehen sollen, scheint ein verwegenes Ziel. Doch der Geschäftsführer der Firma Lemken will sich nicht durch bürokratische und andere Widrigkeiten aufhalten lassen. Von Busse: "Man muss sich
anspruchsvolle Ziele setzen." Man werde den Gouverneur von Kaluga zur Eröffnung am 1. Juli 2009 einladen. "Vielleicht bekommen wir dann die Bauarbeiten rechtzeitig fertig."ENDENachdruck und Weiterverwertung dieses Artikels sind kostenpflichtig. Informationen im n-ost-Büro unter (030) 259 32 83 - 0


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