Burek macht dem Döner Konkurrenz
"Er ist an mir vorbeigegangen wie an einem türkischen Friedhof" - heißt es auf Serbisch, wenn man sich über die Gleichgültigkeit eines anderen beschwert. Die fünf Jahrhunderte andauernde Besetzung Serbiens durch die Türken ist noch heute im Sprachgebrauch präsent. Doch das Land hat den osmanischen Besetzern auch einiges zu verdanken: Burek, der balkanische Leckerbissen schlechthin, ist ein türkisches Wort (Börek).
Inzwischen haben die Serben den Burek so verändert, dass er serbisch geworden ist. Kein Türke würde das luftige, mit Schweineschmalz hergestellte Blätterteiggericht mehr als Börek identifizieren. Jeder serbische Bäckereibetrieb hat sein eigenes Burek-Rezept. Jedes Jahr kürt die Branche den besten Burek-Meister, was mit Spannung verfolgt wird.
"Für einen guten Burek braucht man Liebe, Gefühl und sehr viel Wissen", sagt Nikola Grubanoski, ein Bäckermeister aus Belgrad, dessen Betrieb seit zwei Jahren den zweiten Platz im Burek-Ranking innehat. Der kräftig gebaute junge Mann im weißen Bäckeranzug hat das Handwerk von seinem Onkel gelernt, der wiederum wurde von seinem Vater in das Geheimnis der Bureks eingeweiht: Zart krachen soll die hauchdünne Kruste, wenn man hineinbeißt. Sie umhüllt den weichen, warmen Kern des Burek aus Dutzenden Teigschichten und der "fil", der Füllung aus weißem Käse oder auch Hackfleisch.
Jeden Teigfladen lässt Burek-Meister Nikola Grubanoski aus Belgrad 32 Mal durch die Luft wirbeln / Katrin Lechler, n-ost
Der Teig für Burek besteht lediglich aus Mehl, Wasser, Öl und Schweineschmalz sowie Salz. Nikola Grubanoski lässt die tellergroßen Teigfladen bis zu 24 Stunden ruhen, bevor er sie vorsichtig auf dem Arbeitsblech ausbreitet. Er nimmt die ein Quadratmeter breite, vor Schmalz glänzende Teigschicht vorsichtig am oberen Ende auf und lässt sie 32 Mal über seinem Kopf kreisen. Zwischen den einzelnen Runden ist nur das leise "Flapp" des Teigs zu hören, wenn es auf dem Blech abgelegt wird. "Je mehr Luft der Teig aufnimmt, umso besser ist der Geschmack", erklärt Grubanoski. Zum Schluss werden die Teigzipfel auf dem Blech zur Mitte hin gefaltet.
An einem ganz normalen, zehnstündigen Arbeitstag lässt Grubanoski rund 3.000 Mal die Teigplatten fliegen. Ein einziger Burek besteht aus vier Teigschichten. "Das ist ein knochenharter Job, den die wenigsten Burekbäcker bis zur Rente durchhalten. Deshalb gibt es auch keine Frauen in diesem Beruf", so Grubanoski, dem nach vier Teigfladen der Schweiß auf der Stirn steht. Der mehrstöckige Ofen, in dem die Teigschichten bei 230 Grad Celsius gebacken werden, tut sein Übriges.
Burek wird in Serbien besonders gern mittags gegessen, aber auch als kaltes Abendbrot schmeckt er herrlich. Es gibt ihn mit Pizzazutaten, Kartoffelfüllung und natur. Mit Apfel-, Kirsch oder Johannisbeerfüllung passt er auch gut als Nachtisch zum Kaffee. Der Burek hat das Zeug zur Döner-Karriere: Er ist gesünder als ein Burger, kann im Laufen gegessen werden und ist mit 100-300 Dinar (ein bis drei Euro) relativ günstig.
Hintergrund: Der Burek soll im 15. Jahrhundert im südserbischen Niš zum ersten Mal erwähnt worden sein. Jedes Balkanland bereitet den Burek etwas anders zu: In Bosnien-Herzegowina beispielsweise wird das Gericht auch als Pita bezeichnet -- es hat eine gewundene Form und wird mit Öl zubereitet.
Doch einen Burek-Imbiss sucht man trotz 700.000 serbischer Immigranten in Deutschland vergeblich. "Ich kenne keinen einzigen Burek-Laden in Deutschland", heißt es im Internetforum "Balkanforum". Ein anderer User schreibt: "Ich denke dran, einen Burek-Laden hier zu eröffnen, das schmeckt so geil und fast keiner kennt das hier." Auch in der serbischen Botschaft in Berlin weiß man nicht, ob es Burek-Läden in Deutschland gibt. Für Empfänge und Feierlichkeiten wird allerdings ein serbischer Bäcker aus Berlin angeheuert, der den Leckerbissen auf Bestellung herstellt. Den Burek aus Serbien zu exportieren, ist jedefalls auch keine Lösung. Nikola Grubanoski, der junge Bäcker aus Belgrad, schüttelt den Kopf: "Der Burek kann nur wenige Stunden stehen, sonst entweicht zu viel Luft und der Burek schmeckt nicht mehr."