In vier Jahren bereit für die EU?
Mit umfassenden Reformen will die neue serbische Regierung die europäische Integration des Balkanstaates beschleunigen. In vier Jahren werde Serbien „vollständig bereit sein für einen EU-Beitritt“. Das hat der künftige Ministerpräsident Mirko Cvetkovic am Montag in seiner Regierungserklärung versprochen.„Die vollberechtigte Mitgliedschaft in der EU ist im tiefsten Interesse des Staates Serbien und all seiner Bürger“, sagte Cvetkovic gleich zu Beginn seiner Erklärung und unterstrich damit die Wichtigkeit dieses Ziels für die neue serbische Regierung. Als einen der ersten Schritte will Cvetkovic, der als treuer Gefolgsmann von Staatspräsident Boris Tadic gilt, dem Parlament das im Mai mit der EU unterzeichnete Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen (SAA) zur Ratifizierung vorlegen. Er signalisiert damit gegenüber Brüssel, dass seine Regierung ohne Wenn und Aber einen EU-Beitritt anstrebt.
Cvetkovic rechnet damit, dass Serbien spätestens in einem Jahr den Status eines EU-Beitrittskandidaten erreichen wird. Wegen des Streits um die Annäherung Serbiens an Europa war die letzte Regierung des zusehends nationalistisch agierenden Ministerpräsidenten Vojislav Kostunica mit den Tadic-Demokraten nach lediglich einem Jahr auseinandergebrochen. Nach den vorgezogenen Parlamentswahlen vom 11. Mai hatten sich Tadics Wahlbündnis „Für ein europäisches Serbien“ (ZES) und die Sozialisten (SPS) des einstigen jugoslawischen Staatschefs Milosevic auf eine Koalition geeinigt, obwohl sie bislang politische Erzfeinde waren. Für den späten Montagabend wurde die Bestätigung des 27-köpfigen Kabinetts erwartet. Die neue Regierung unter Führung des Ökonomen und bisherigen Finanzministers Mirko Cvetkovic kann sich aber lediglich auf eine knappe Parlamentsmehrheit von 128 der insgesamt 250 Abgeordneten stützen. Diese kam nur zustande, weil auch die Minderheiten-Parteien der Ungarn und Bosniaken ihre Zustimmung zugesichert hatten. Die prowestlichen Liberaldemokraten (LDP, 13 Sitze) von Cedomir Jovanovic kündigten allerdings an, keine Fundamental-Opposition betreiben zu wollen und die Regierung bei allen Vorlagen zu unterstützen, die Serbien näher an Europa bringen.
Cvetkovic weiß, dass Serbien auf seinem Weg in die EU nicht um die vollständige Zusammenarbeit mit dem ungeliebten UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag (ICTY) herumkommt. Er muss nun alles dafür tun, dass die beiden meist gesuchten mutmaßlichen Kriegsverbrecher Ratko Mladic und Radovan Karadzic verhaftet werden. Dennoch beließ es Cvetkovic – dazu noch ganz am Ende der Regierungserklärung – bei ein paar formalen Versprechungen, Serbien werde alle internationalen Verpflichtungen einhalten. Grund für diese Zurückhaltung dürfte das ausgesprochen schlechte Image des Tribunals in der serbischen Bevölkerung sein. Eine große Mehrheit der Serben wirft dem Haager Tribunal Umfragen zufolge vor, eine gegen Serbien gerichtete politische und keine juristische Institution zu sein.
Die kürzlichen Freisprüche des kosovo-albanischen Rebellenführers Ramush Haradinaj und des bosnisch-muslimischen Kommandeurs von Srebrenica, Naser Oric, hatten diese Stimmung noch verstärkt. Zudem tun sich die Sozialisten, die mit ihrem Vorsitzenden Ivica Dacic den ersten stellvertretenden Ministerpräsidenten und neuen Innenminister stellen, mit dem Haager Tribunal ohnehin äußerst schwer. Einerseits war Dacics Vorgänger als Parteivorsitzender, Slobodan Milosevic, selbst vor dem ICTY angeklagt, andererseits betrachten viele Parteimitglieder und Wähler der Sozialisten Mladic und Karadzic bis heute als serbische Helden. Inwieweit sich dies als Hypothek auf dem Weg in Richtung Europa erweisen wird, muss sich erst zeigen. Das hängt auch davon ab, wie konsequent die EU-Staaten die Kooperation Serbiens mit dem Tribunals wirklich einfordern werden.
In der Kosovo-Frage ist von Cvetkovic im Grundsatz keine Neuausrichtung zu erwarten. Seine Regierung werde die Unabhängigkeit Kosovos „niemals anerkennen“ und „mit allen rechtlichen und diplomatischen Mitteln“ um das Gebiet kämpfen, sagte er. Gleichzeitig kündigte er an, sich um neue Gespräche mit den Kosovo-Albanern zu bemühen, um eine „für beide Seiten akzeptable Lösung“ zu finden. Wie realistisch eine solche „Lösung“ ist und wie sie mit Serbiens Ziel eines EU-Beitritts vereinbar ist, sagte Cvetkovic allerdings nicht. Immerhin haben bislang 20 der 27 EU-Länder Kosovo als unabhängigen Staat anerkannt. Für mehr Freude in Brüssel dürfte dagegen die Ankündigung des Ökonomen Cvetkovic sorgen, in den nächsten vier Jahren Serbiens Wirtschaft durch Reformen und Privatisierungen auf Vordermann zu bringen und dadurch die Arbeitslosigkeit von heute 18 auf 12 Prozent zu senken. Zudem hat der neue Ministerpräsident ein jährliches Wirtschaftswachstum von sieben Prozent und einen entschlossenen Kampf gegen Korruption und organisierte Kriminalität versprochen.