Serbien

„Exit“- Festival lässt Novi Sad beben

Vier Tage im Jahr lebt die Donaustadt Novi Sad im Rhythmus von Bässen, Gitarren-Riffs, Schlagzeugen und dem aufbebenden Publikumsjubel. Keiner entgeht dem gewaltigen Sound von 25 Bühnen, die von der historischen Festung von Petrovaradin auf die Stadt herabschallen. Die massive Befestigung aus dem 17. Jahrhundert wölbt sich in 50 Meter Höhe am Ufer der Donau gegenüber dem Stadtzentrum. Sie sollte einst den Grenzort der k.u.k. Monarchie vor den Angriffen der Osmanen schützen.

Rund ein Viertel der Fans reisen aus Großbritannien an, denn die Ticketpreise für international bekannte Gruppen sind für sie wahre Schnäppchen: 97 Euro zahlen die Fans für alle vier Tage. Tagestickets kosten zwischen 25 und 35 Euro. Mazedonier, Kroaten, Slowenen und andere Balkanbewohner zahlen noch weniger. Etwa die Hälfte der „Exit“-Besucher kommen aus dem europäischen Ausland, darunter auch viele Österreicher – von Graz sind es nur fünf Autostunden bis nach Novi Sad. Doch es geht nicht nur darum, Rockstars live zu erleben. Es ist die einmalige Atmosphäre, die den Charme des Festivals ausmacht. „Manche kaufen nur für das Zeltlager am anderen Donau-Ufer ein Ticket“, erzählt Rajko Božić, Pressesprecher von „Exit“. Hier, zwischen bunten Zelten, Ständen und Gitarre zupfenden Festivalgängern, kommt ein Gefühl von Woodstock auf.


Ein Hauch von Woodstock: Auf dem Festivalcamp von „Exit“/ Katrin Lechler, n-ost

Serbien kann in diesen Tagen sein der Welt zugewandtes, modernes Gesicht zeigen. 2008 werden zum ersten Mal junge Novi Sader die Festivalbesucher als „Hosts“, als Gastgeber und touristische Führer, begleiten. „Wir möchten, dass noch mehr  junge Serben an dem Festival teilnehmen, andere junge Europäer kennen lernen und „Exit“ als einen Teil ihrer Stadt begreifen“, sagt „Exit“- Pressesprecher Božić. Er macht sich Sorgen darüber, dass die heutigen Zwanzigjährigen wegen der jahrelangen Isolation ihres Landes andere Kulturen fast nur aus dem Fernsehen kennen. Der kostenlose Service der Hosts soll aber auch die Touristen neugierig auf die Stadt machen. Und die hat mit einer jungen Kneipenszene, einer pittoresken Altstadt und dem für das Unesco-Welterbe nominierten Stadtteil Petrovaradin eine Menge zu bieten.

Der „State of Exit“, wie das weithin sichtbare Plakat an der Petrovaradiner Festung verkündet, soll sich öffnen, der Geist des friedlichen Miteinanders sich gleich der Musik bis in die Stadt ausdehnen. Das soziale und politische Rahmenprogramm ist den Festival-Machern mehr als nur Imagepflege. In diesem Jahr wird „Exit“ mit einer Diskussion über die Zukunft Serbiens in Europa in der Synagoge eröffnet. Jeden Abend zwischen 19 und 21 Uhr kommen Politiker und Vertreter der Europäischen Union zu Gesprächsrunden mit jungen Leuten auf der Hauptbühne zusammen. Eingeladen ist auch die Nicht-Regierungsorganisation „Zentrum für Demokratie und Versöhnung in Südosteuropa“.

Sie stellt alternatives Lehrmaterial für Lehrer her, das Geschichte auf dem Balkan multiperspektivisch beleuchtet. „Wir werden eine Bühnenvorstellung über Nationalismen in der Geschichte Südosteuropas zeigen“, so Projektkoordinatorin Corinna Noack-Aetopulos. Damit übernehmen die „Exit“- Macher wieder kurzzeitig die Rolle der Opposition: Die serbische Regierung hat sich nach anfänglicher Unterstützung des Geschichtsprojektes nämlich wieder vom „Zentrum für Demokratie und Versöhnung in Südosteuropa“ distanziert – auf Druck des nationalistischen Lagers.

Informationen unter: www.exitfest.org 

Die Anfahrt in Bussen wird von Ljubljana, Zagreb, Belgrad und anderen Städten des Balkans aus organisiert. Gäste können auf dem Campingplatz, im Hotel oder in privaten Wohnungen übernachten.


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