Danziger Werft in Gefahr
Tadeusz Zawadko will Schiffe bauen. Doch er ist in einen Konflikt geraten, den er schon lange nicht mehr versteht. Es ist ein Konflikt zwischen „denen in Warschau“, das heißt seiner Regierung, und „denen in Brüssel“, also der Europäischen Union. Seit drei Jahren streiten sie sich um staatliche Beihilfen, die sein Arbeitgeber, die Danziger Werft, erhalten hat. Zawadko, ein kleiner fülliger Mann mit Schnurrbart in schmutziger grauer Arbeitskleidung, arbeitet seit 38 Jahren als Monteur für die Werft. Er hat die guten Zeiten erlebt, als in drei Schichten gehämmert, geschweißt und montiert wurde. In den achtziger Jahren verdienten hier auf der größten polnischen Werft 17.000 Menschen ihren Lebensunterhalt. Heute sind es nur noch 3.000. Das Gelände der Werft hat sich auf 70 Hektar halbiert. Im vergangenen Jahr wurden gerade einmal sieben Schiffe zu Wasser gelassen.
Seit 2005 streiten die EU und Polen um die drei staatlichen Werften in Danzig, Gdingen und Stettin. Nach Ansicht der EU-Kommission haben die Unternehmen seit Mai 2004 über eine Milliarde Euro Strukturhilfe vom polnischen Staat erhalten. Dieses Geld sollen sie zurückzahlen oder ihre Produktionskapazitäten deutlich verkleinern. Denn nach den Regeln der EU ist die staatliche Unterstützung der Werften nur erlaubt, wenn ein genauer Umstrukturierungsplan vorliegt, der eine Verringerung der Kapazitäten, private Investoren und Modernisierungen vorsieht. Polen hat diese Pläne nach Ansicht der EU erst gar nicht und dann ungenügend vorgelegt. Nach Einschätzung der EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes dienten die Beihilfen dazu, die maroden Werften künstlich am Leben zu erhalten, und verzerrten so den europäischen Wettbewerb.
Misswirtschaft und nationale Verbohrtheit
Die Geburtsstätte der Gewerkschaft Solidarnosc (Solidarität) steckt in der Krise. Schuld sind jahrelange Misswirtschaft, nationale Verbohrtheit und das Kräftemessen mit der EU, das gerade in den vergangenen Jahren unter der Regierung von Jaroslaw Kaczynski immer zäher wurde. Das hat die Situation der Werft verschlimmert. Denn ohne die Entscheidung der EU ist die Zukunft der Werft ungewiss. „Dieses Warten lähmt. Alle sind niedergeschlagen“, sagt Zawadko. Die EU drängt, sie will endlich einen Umstrukturierungsplan für die Danziger Werft sehen (siehe Kasten). Die Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes hat Polen eine Frist bis zum Donnerstag (26. Juni 2008) gesetzt. Ansonsten wird die EU die Beihilfen zurückfordern. Geld, das die Werft nicht hat. Jahrelang unterstützten die polnische Regierung und die EU die Danziger Werft. Sie stand zweimal kurz vor dem Bankrott. Deshalb verstaatlichte Polen das marode Unternehmen, um es zu retten.
Wie viel Geld über die Jahre in die Danziger Werft floss, ist strittig. Die Werftleitung sprach im vergangenen Jahr von 18 Millionen Euro, die polnische Regierung und die EU reden seit Anfang des Jahres von 230 Millionen Euro. „Wir wollen endlich wissen, wie viele Beihilfen es genau sind und wofür sie ausgegeben wurden. Davon hängt unsere Zukunft ab“, sagt Karol Guzikiewicz, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft Solidarnosc auf der Danziger Werft. Die Gewerkschaft hat Klage eingereicht, sie glaubt, dass Gelder nicht richtig bilanziert wurden.
Bankrott für die Werft
Fest steht: Die EU will die Produktionskapazitäten der Danziger Werft verringern. Das würde bedeuten, dass zwei der drei Schiffsbauplätze schließen müssten. „Das wäre der Bankrott für die Werft“, sagt Andrzej Jaworski. Er war bis April Präsident der Werft, jetzt ist er Präsident der Werfteigenen Stiftung. Wie er wollen viele Polen, dass die EU die historische Bedeutung der Danziger Werft berücksichtigt. Die EU-Kommission beruft sich dagegen auf den Grundsatz der Gleichbehandlung. Spanien und Deutschland mussten ihre Kapazitäten reduzieren, nachdem ihre Werften staatliche Gelder erhalten hatten.Bei der Danziger Werft will sich niemand zu dem Konflikt mit der EU äußern. Eine Sprecherin verweist darauf, dass es einen neuen Mehrheitseigentümer gibt: Die ukrainische Donbass-Gruppe ISD Polska hält seit Anfang des Jahres 84 Prozent der Danziger Werft. Damit hat die Werft eine der Forderungen der EU-Wettbewerbskommissarin Kroes erfüllt. Sie will, dass die Werften auf eigenen Beinen stehen und Investoren finden. ISD Polska plant, über 200 Millionen Euro in die Werft zu investieren, unter anderem will sie ein schwimmendes Dock bauen. „Wir haben große Probleme mit der EU-Kommission wegen der Beihilfen, deshalb wollen wir schnell eine Lösung“, sagt Jacek Leski, Sprecher von ISD Polska.
Für viele Arbeiter ist die Zukunft der Danziger Werft aber zu ungewiss. „Zahlreiche Arbeiter sind schon auf andere Werften gegangen oder nach Skandinavien, da verdienen sie ungefähr das dreifache“, sagt Monteur Tadeusz Zawadko. Er bekomme nur 500 Euro im Monat, „zu wenig“. Der 53-Jährige nimmt seinen gelben Helm vom Kopf und fährt sich über das faltige Gesicht. Von seiner Regierung fühlt sich der Mann „im Stich gelassen“, die EU empfindet er als „ungerecht“. „Was aus uns wird“, sagt er, „interessiert keinen.“