EIN UNNACHGIEBIGER FREUND
(n-ost) – Dmitri Medwedew hat zwei Gesichter. Das eine lächelt offen, verschmitzt fast, und unterscheidet sich wohltuend von der einstudierten Höflichkeit vieler seiner Kollegen. Mit diesem Gesicht begrüßte der russische Präsident gestern Nachmittag etwa 1000 geladene Gäste aus Wirtschaft und Politik im Hotel Intercontinental in Berlin. Manch einer mag da aufgeatmet haben, nahm doch ein solcher Staatsmann dem gern Drohungen aussendenden Reich im Osten jeden Schrecken. Doch was er zu sagen hatte, trug Medwedew mit einem gänzlich anderen Gesicht vor – und seine ernste, gelegentlich gar verschlossene Miene unterstrich, wie unnachgiebig die russische Führung in zentralen Punkten ihre Position vertritt. „Russland ist aus der Kälte der jahrelangen Isolierung und Selbstisolierung zurückgekehrt“, sagte Medwedew und ließ in seinem 30-minütigen Vortrag kaum ein Thema der aktuellen Weltpolitik unberührt. Klimawandel und Lebensmittelkrise, Arbeitsmigration und Bevölkerungsschwund – die Bemerkungen des Präsidenten waren von so allgemeiner Gültigkeit, dass ihm niemand hätte widersprechen können. Ausdrücklich Stellung nahm Medwedew hingegen zur Struktur der internationalen Beziehungen. Das heutige Europa trage „den Stempel der Ideologie und der Geschichte“, kritisierte er und nannte lediglich die OSZE eine zukunftsweisende Organisation. Die EU und die Nato lehnt Russland als westlich dominierte Bündnisse ab. Letztere habe es „nicht geschafft, sich nach dem Kalten Krieg einen neuen Sinn zu geben“, sagte der russische Präsident und beschwor ein „großes Haus Europa, einen euroasiatischen Raum von Vancouver bis Wladiwostok“.Deutlich anzumerken war Medwedew – wie schon seinem Vorgänger Wladimir Putin – der Unmut über Kritik aus dem Westen, in der Moskau allzu oft auch den erhobenen Zeigefinger sieht. Es ginge nicht darum, das Verhalten Russlands westlichen Vorstellungen anzupassen, sondern gemeinsam nach Kompromissen zu suchen und die Politik aller Länder mit den gleichen Maßen zu messen. Wenn der Westen dann noch – Stichworte Kosovo und Nato-Osterweiterung – aufhöre, eine Politik der vollendeten Tatsachen zu schaffen, „steht uns eine glänzende Zukunft bevor“, schloss Medwedew seine Rede – und lächelte wieder.ENDENachdruck und Weiterverwertung dieses Artikels sind kostenpflichtig. Informationen im n-ost-Büro unter (030) 259 32 83 - 0