NEUE ALTE PARTNERSCHAFT
Im Juni könnte die Europäische Union endlich die Verhandlungen über ein neues Kooperationsabkommen mit Russland aufnehmen(n-ost) - Eigentlich hätten die Verhandlungen über ein neues Abkommen schon im November beginnen sollen. Im Jahr 2006. Doch damals störten Fleischimporte die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Russland. Russland hatte Einfuhrstopps für Fleisch aus Polen verhängt, die Regierung in Warschau reagierte mit einer Blockade der geplanten Verhandlungen über eine Erneuerung der alten Vereinbarungen. Nachdem der Fleischstreit vor wenigen Monaten beigelegt wurde, gab Polen das Veto auf. Stattdessen blockierte Litauen. Die Regierung in Vilnius erklärte, ihre Zustimmung nur zu erteilen, wenn bei den Gesprächen gewisse Themen auf der Agenda stehen. Litauen protestiert gegen die Schließung der Druschba-1-Pipeline, welche die einzige Raffinerie des Landes mit Öl versorgte. Außerdem fordert das Land eine effektive Zusammenarbeit bei der Gesetzesvollstreckung sowie Bewegung in den festgefahrenen Konflikten Russlands mit Georgien und Moldawien über abtrünnige Gebiete auf deren Territorium.Die litauische Außenamtsprecherin Violeta Gaizauskaite erklärte Ende April: Vilnius bestehe darauf, dass „alle Interessen im Abkommen vertreten sind“. Mitte Mai teilte die slowenische EU-Ratspräsidentschaft schließlich mit, Litauen habe seine Blockadehaltung aufgegeben. „Wir haben eine Vereinbarung erzielt, die sowohl die Interessen Litauens als auch die der EU berücksichtigt“, so Sloweniens Außenminister Dimitri Rupel. Weitere Änderungen führten anschließend jedoch erneut zu Einwänden aus Litauen. Nun wollen sich die EU-Außenminister bei ihrem Treffen am 26. Mai endgültig einigen, sodass die Verhandlungen mit Russland beginnen können. Ein gutes Zeichen: Litauens Außenminister Petras Vaitiekunas erklärte am Dienstag, nur „sehr wenige“ Fragen müssten noch gelöst werden. Er hoffe auf einen Beschluss beim Außenministertreffen in der kommenden Woche.Für Andrej Klimow ist das Verhalten von Litauen und Polen unverständlich. „Es geht zu wie im Kindergarten“, kommentiert er die Blockaden. Klimow sitzt für die Partei „Einiges Russland“ in der Staatsduma und ist Leiter der russischen Delegation beim EU-Parlament. Polen und Litauen hielten noch immer an Vorstellungen aus dem Kalten Krieg fest, kritisiert der Abgeordnete. „Sie führen eine Auseinandersetzung mit einem Staat, den es nicht mehr gibt: der Sowjetunion.“ Selbst der slowenische Außenminister Rupel sagte vor wenigen Tagen, die Bürger Litauens trügen noch immer eine historische Last. Es sei die Aufgabe der Ratspräsidentschaft, einen gemeinsamen Ansatz für alle Fragen zu finden. Klimow empfiehlt den „neuen Europäern“ hingegen „eine Unterrichtsstunde darin, mit einer Stimme zu sprechen“. Und: Die Konflikte in Georgien und Moldawien seien „absolut nicht die Angelegenheit der EU“.Auch innerhalb der EU stieß das litauische Veto auf Unverständnis – selbst bei den Nachbarstaaten, die mit ähnlichen Problemen kämpfen. Riga etwa wünscht sich rasche Gespräche mit Russland. Lösungen für viele schwierige Themen seien durch Verhandlungen zu erreichen und nicht durch eine Blockade, sagte der politische Direktor des lettischen Außenministeriums, Peteris Ustubs, in einem Radiointerview. Auch Sloweniens Außenminister Rupel ist sich sicher: Die Nachbarstaaten werden am meisten von dem Abkommen profitieren. Warum Litauen die Verhandlungen blockiert, kann auch Marc Franco, Leiter der Vertretung der EU-Kommission in Moskau, nicht nachvollziehen: „Für die Litauer ist das eine dringende Angelegenheit.“ Dabei stimmten ihre Forderungen ohnehin mit dem überein, was die EU in den Verhandlungen vorbringen möchte. „Es bedarf da keines zusätzlichen Nachdrucks von Litauen.“Russland sei seit 2006 bereit für Verhandlungen, sagt Klimow. Der russische Delegationsleiter gibt zu bedenken: „Wir haben viele Partner.“ Er nennt China, Indien, die USA, Brasilien. „Wenn die EU bereit ist für Verhandlungen – gut. Falls nicht, dann haben wir genug anderes zu tun.“ Die Vereinbarung sei für beide Seiten von großer Bedeutung. Vielleicht sei sie für Brüssel aber ein bisschen wichtiger, vermutet Klimow. Russland unterhalte schließlich auch sehr gute direkte Beziehungen mit den einzelnen EU-Staaten, etwa mit Deutschland.Allerdings lägen viele Verantwortlichkeiten in Brüssel, deshalb sei das Abkommen wichtig und mittlerweile eine neue Übereinkunft nötig. Denn als 1994 die ersten Verhandlungen stattfanden, zählte die EU gerade zwölf Mitglieder und auch Russland sei ein anderes Land gewesen als heute. Ziel der anstehenden Gespräche sei eine strategische Partnerschaft, so Klimow. „Andernfalls wäre das Abkommen nutzlos.“„Die EU ist an einem soliden Partnerschaftsabkommen interessiert“, sagt auch der Moskauer EU-Vertreter Franco. Die bislang gültige Vereinbarung habe in den vergangenen Jahren sehr viele Ergänzungen erhalten. Zwar sei die bestehende Übereinkunft noch immer die rechtliche Grundlage und ein gutes Arbeitsprogramm. Ein neues Abkommen würde es allerdings erlauben, das Ziel einer strategischen Partnerschaft künftig noch wirksamer zu verfolgen, so Franco. Die neue Vereinbarung soll unter anderem Ausgangspunkt für weitere Verhandlungen über freien Handel sein. Außerdem soll die Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres sowie äußere Sicherheit neu in den Vertrag aufgenommen werden. Wenn Litauen Ende Mai zustimme, könne „prinzipiell am folgenden Tag mit den Verhandlungen begonnen werden“, erklärt Franco. Die Gespräche mit Russland würden dann wahrscheinlich auf dem nächsten EU-Russland-Gipfel im westsibirischen Chanty-Manssijsk im Juni beginnen.INFOKASTEN: PARTNERSCHAFT UND KOOPERATION Die Europäische Union hat mit nahezu allen Staaten in Osteuropa und Zentralasien Partnerschafts- und Kooperationsabkommen (PKA) vereinbart. Das PKA ist die Grundlage für die politische, wirtschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit. Die Vereinbarung mit Russland wurde im Juni 1994 unterzeichnet und trat im Dezember 1997 in Kraft. Seit 2004 gilt das PKA auch für die neuen EU-Mitgliedstaaten. Im Dezember 2007 lief das Abkommen offiziell aus, wurde aber automatisch um ein Jahr verlängert.ENDENachdruck und Weiterverwertung dieses Artikels sind kostenpflichtig. Informationen im n-ost-Büro unter (030) 30 83 11 87