Die einzige Hollywood-Mama in Osteuropa
Leslie Hawke entschied sich gegen ihr bequemes Leben in New York und gründete in Rumänien eine NGO - mit großem Erfolg(n-ost) - Leslie Hawke ist wohl die einzige Hollywood-Mama in Osteuropa. Die 56-jährige Mutter von Filmstar und Romanautor Ethan Hawke lebt seit acht Jahren in Rumänien. Kurz nachdem sie als Freiwillige mit dem US-amerikanischen Peace Corps nach Europa kam, gründete sie die Nichtregierungsorganisation (NGO) "Ovidiu Rom", die unter anderem Roma-Kindern eine Schulausbildung ermöglicht. Im n-ost-Interview spricht Leslie Hawke über den Segen einer Hollywood-Prominenz, Rassismus und Roma-NGOs.Frage: Ms. Hawke, ist der Umstand, dass Sie Ethan Hawkes Mutter sind eher hilfreich oder schädlich für Ihre Arbeit?Hawke: Oh, sehr hilfreich. Machen sie Witze? Das öffnet Ihnen jede Tür! Insbesondere am Anfang war das sehr wichtig, wann immer ich einen Termin brauchte. Und als Ethan hierher kam zu unserem ersten großen Event, hat das eine Menge Sponsoren und Medien angezogen. Prominenz hält die Welt auf Trab.Frage: Geht es Ihnen nicht auf die Nerven, dauernd auf Ethan angesprochen werden?Hawke: Doch, ein bisschen nervt es mich schon. Aber nicht sehr. Und ich denke, eine Menge anderer NGOs sind sehr neidisch auf die Publicity, die wir dadurch bekommen.Frage: Wie kamen Sie dazu, Ihre NGO "Ovidiu Rom" zu gründen?Hawke: Als ich mit dem Peace Corps, einer amerikanischen Freiwilligenorganisation, hierher kam, fielen mir sofort die Kinder auf, die jeden Tag auf der Kreuzung gegenüber meiner ersten Wohnung bettelten. Das kam mir in einem angeblich europäischen Land sehr eigenartig vor. Von da an war ich einfach sehr stark an diesem Thema interessiert. Eines führte zum anderen, ich engagierte mich in Bacau, wo ich mit dem Peace Corps stationiert war, und startete mit der Hilfe von USAID einige Programme. Die bekamen ihre eigene Dynamik und wurden immer größer und größer.Frage: Was hat Sie damals bewogen, ins Peace Corps einzutreten?Hawke: Mir war langweilig. Zuvor arbeitete ich in einem Start-Up Unternehmen in der IT-Branche in New York. Das hat Spaß gemacht, bis das Unternehmen verkauft wurde, danach wollte ich nicht mehr da sein. Mein Plan war es, ein paar Jahre wegzugehen und mich ein bisschen zu erholen. Von Erholung bin ich jetzt allerdings weit entfernt.Frage: Woran arbeiten Sie im Moment?Hawke: Wir haben einen Bericht zur Förderung der Schulausbildung unterprivilegierter Bevölkerungsschichten fertig gestellt, den wir dem rumänischen Bildungsministerium vorlegen werden. Der ist ganz schön ambitioniert und umfasst mehr als 300 Millionen Euro jährlich. Ich denke ehrlich gesagt nicht, dass die Regierung sofort darauf anspringt. Wahrscheinlich wird es eher so laufen, dass wir private Gelder sammeln, um das, was wir in dem Bericht vorschlagen, in einer Region Rumäniens selbst umzusetzen. Dafür brauchen wir aber auf jeden Fall eine Menge Geld aus privater Hand. Wenn der Erfolg in einem Teil des Landes nachweisbar ist, wäre das ein gutes Argument, das Programm im Rest Rumäniens zu starten.
Leslie Hawke inmitten einiger Roma Kinder, die dank ihrer NGO "Ovidiu Rom" von einer Schulausbildung profitieren
Amarjit SidhuFrage: Ihr Bericht zieht einen direkten Vergleich zwischen den Schwarzen Amerikas und den Roma Rumäniens. Er hat sogar den Titel "Von den Fehlern Amerikas lernen". Wie weit trägt dieser Vergleich?Hawke: Ich denke der trägt sehr weit. Die Schwarzen in den USA hatten allerdings einige gute Punkte auf ihrer Seite, die den Roma hier fehlen. Vor allem hatten sie einige herausragende Führer, und ich meine nicht nur Martin Luther King. Sie hatten eine komplett eigene Klasse hoch qualifizierter Vertreter, eigene Ärzte, Anwälte, auch Priester. Da gab es eine sehr positive Führungskultur. Die einzigen, nach denen die Roma sich richten können, sind dagegen die Zigeunerkönige. Sobald Roma Erfolg im Leben haben, assimilieren sie sich im Mainstream der Gesellschaft. Das können die Schwarzen Amerikas wegen ihrer Hautfarbe nicht so leicht.Frage: Die öffentliche Haltung in Rumänien ist im Allgemeinen nicht gerade Roma-freundlich. Wie reagieren zum Beispiel rumänische Politiker auf Ihre Arbeit?Hawke: Das ist eine vielschichtige Angelegenheit. Auf der einen Seite verstehen alle Politiker, dass das ein Problem ist, mit dem sie sich auseinandersetzen müssen. Immer, wenn sie ins Ausland fahren, werden sie gefragt: ‚Behandelt ihr die Roma wirklich so schlecht?'. Das macht den Ruf Rumäniens noch schlechter, als er ohnehin schon ist und rumänische Politiker verstehen, dass sie zum Beispiel gegenüber der EU so tun müssen, als würden sie sich um dieses Problem kümmern. Auf der anderen Seite wissen sie auch, dass es für sie in ihrem Wahlkreis politisch vorteilhaft ist, eine gegen die Roma gerichtete Einstellung an den Tag zu legen. Sie wollen zwar nicht wie extreme rassistische Schweine dastehen, aber ich bezweifle, dass die negativen Kommentare, die aus Politikerkreisen immer wieder nach außen dringen, bloße Unfälle sind. Ich glaube zwar nicht, dass die meisten rumänischen Politiker wirklich rassistisch sind, keiner von ihnen. Aber ich glaube, dass in Rumänien eine Haltung gegen die Roma politisch vorteilhaft ist.Frage: Haben Sie auch aus den Roma-Gemeinden negative Reaktionen auf ihre Arbeit bekommen?Hawke: Ja und Nein. Mit den normalen Leuten haben wir überhaupt keine Probleme. Sie sind tatsächlich sehr dankbar für die Aufmerksamkeit und die Hilfe, die wir ihnen geben. Aber die Roma-Führung kann uns nicht ausstehen. Das gilt für die politische Führung und mehr noch für die Roma-NGOs. Sie wollen einfach nicht mit uns zusammenarbeiten.Frage: Warum nicht?Hawke: Meine zynische Meinung dazu ist, dass sie überhaupt nicht anstreben, irgendwas zu verbessern, sie wollen einfach nur ihren Job behalten und müssen dazu die Dinge am Laufen halten. Sie glauben nicht daran, dass die Probleme wirklich gelöst werden könnten. Sie mögen die extrem verarmten Roma nicht, sie empfinden sie als "schlechte Elemente", als Schande, und wollen nichts mit ihnen zu tun haben.Frage: Erschrecken Sie manchmal vor der Größe der Aufgabe?Hawke: Nein, denn die Dinge hier sind noch überschaubar. Natürlich geht es um viele Menschen, aber es sind nicht so wahnsinnig viele, es ist nicht wie in Afrika. Ich habe in Nairobi einen gigantischen Slum gesehen, in dem wahrscheinlich eine Millionen Menschen leben. Das ist einfach überwältigend. Aber wenn man in eine Stadt in Rumänien geht, scheinen die Dinge lösbar. Rumänien ist so groß wie Oregon und hat eine Bevölkerung wie der Großraum New York. Hier zu helfen, ist machbar.Frage: Haben Sie sich einen Zielpunkt für Ihre Arbeit gesetzt?Hawke: Ich will bis zum Jahr 2020 dableiben, um zu sehen, wie die Dinge sich entwickeln. Mein Hauptproblem mit internationaler Entwicklungshilfe ist, dass die Leute zwar mit den besten Intentionen in ein Land gehen, aber nicht lang genug bleiben, um irgendwas zu erreichen. Viele sind dann desillusioniert, weil die lokale Bevölkerung nach zwei oder drei Jahren nicht einfach alleine weitermachen kann. So was Albernes!Frage: Wie reagieren eigentlich Ihre Landsleute in den USA auf Ihre Arbeit?Hawke: In den USA weiß man nicht viel von den Roma, und was man weiß, ist vollständig romantisiert. Man denkt an Tänze und die bunten Kostüme. Die meisten kennen das Wort ‚Roma' nicht einmal. Sobald die dann das Wort ‚Zigeuner' hören, sind sie vollständig fasziniert und finden das, was ich mache, ‚einfach wundervoll'.ENDENachdruck und Weiterverwertung dieses Artikels sind kostenpflichtig. Informationen im n-ost-Büro unter (030) 30 83 11 87