Kasachstan

Klein-Dubai in der Steppe

Das neue Markenzeichen Astanas ist über 150 Meter hoch und mehr als 100.000 Quadratmeter groß: Eine überdachte Kleinstadt mit Kinos, Stränden und botanischem Garten. Erst im vergangenen Jahr wurde Khan Shatyr eröffnet, das größte Zelt der Welt. Es ist Shoppingmeile und Vergnügungspark in einem und wurde vom britischen Star-Architekten Sir Norman Foster entworfen. Hier sollen sich die Bewohner Astanas auch im bis zu -40 Grad kalten kasachischen Winter wie am Mittelmeer fühlen.

Das größte kasachische Prestigeprojekt wurde mit zwei Jahren Verspätung fertiggestellt. Die Weltwirtschaftskrise stoppte den Bauboom Kasachstans und erschütterte das Land. Bereits 2007 erlebte die zentralasiatische Republik als eines der ersten Länder weltweit den wirtschaftlichen Zusammenbruch.

Dank der weltweit bedeutenden Ressourcen an Erdöl, Erdgas und Uran verzeichnete das zentralasiatische Land ab dem Ende der 90er Jahre regelmäßig steigende Wachstumsraten von bis zu zehn Prozent. Geld spielte für die kasachische Regierung keine Rolle, um der ehemaligen und bis zur Unabhängigkeit 1991 kaum erschlossenen Sowjetrepublik zu mehr Prestige zu verhelfen. Gegenpol zu Astana ist dabei bis heute Almaty, die ehemalige Hauptstadt im Süden des Landes, mit zwei Millionen Einwohnern größte Stadt und Finanzzentrum Kasachstans.

Günstige Kredite förderten die Spekulation

Beide Städte wurden 2007 von der platzenden Immobilienblase erschüttert. Die Banken Kasachstans, einst ein Musterbeispiel für das reformierte Finanzsystem im gesamten Ostblock, waren zu diesem Zeitpunkt stark von günstigen ausländischen Finanzierungen abhängig. Steigende Löhne und niedrige Zinsen boten Privatanlegern erstmals überhaupt die Möglichkeit, zu investieren. Da es in Kasachstan kaum alternative Anlagemöglichkeiten gab, waren Immobilien besonders beliebt und galten als wertbeständig.

Die günstigen Kreditbedingungen aber förderten Spekulationen. „Investoren kauften mithilfe von Hypotheken Objekte zu Discount-Preisen, die noch nicht einmal gebaut worden waren“, erklärt die kasachische Immobilienanalystin Symbat Abilkhassimowa. Dann habe man darauf gewartet, dass die Objekte durch die stetig steigende Nachfrage an Wert gewannen. Verkauft wurde zu weitaus höheren Preisen, die trotz der Rückzahlung an die Bank hohe Gewinne ermöglichten. „Vom Standpunkt eines Investors aus waren diese Geschäfte unheimlich attraktiv – es wurde Geld buchstäblich aus heißer Luft gemacht.“

Der Staat schnürte ein Rettungspaket

Bis zum Herbst 2007 gehörten Wohnungen und Büroräume in Astana und Almaty mit Preisen von bis zu 4.000 US-Dollar pro Quadratmeter zu den teuersten weltweit – gleich nach London, Paris und Moskau. Insgesamt betrugen die Investitionen in Immobilien im Jahr 2007 knapp 500 Milliarden Tenge, rund 2,5 Milliarden Euro. Doch mit dem Beginn der US-Immobilienkrise im Frühjahr 2007 platzte die Blase.

Mit der lokalen und später globalen Bankenkrise stand Investoren plötzlich kein Geld mehr zur Verfügung. Privaten Käufern aus der Mittelschicht war der Zugang zu günstigen Krediten verwehrt: Die angeschlagenen kasachischen Banken, selbst abhängig von ausländischen Krediten, boten schlichtweg keine Finanzierungen mehr an – oder nur zu doppelt oder dreifach gestiegenen Zinsen. Die Nachfrage im Wohnungsbau wie auch bei den Büroflächen sank abrupt, der Bauboom in Astana und in Almaty kam zum Erliegen. Rund 600 Bauunternehmen gingen pleite, tausende Privatanleger, die bereits für ihre bis dahin nur auf dem Papier existierenden Wohnungen bezahlt hatten, standen vor dem Nichts.

Durch die Krise sank das Wachstum in Kasachstan von 8,9 Prozent im Jahr 2007 auf 1,2 Prozent im Jahr 2009. Der Staat stieg bei den vier größten Banken ein und schnürte ein Rettungspaket. Doch das reichte nicht aus, Umschuldungen wurden unausweichlich. Die kasachische Regierung fühlte sich für die Milliardenverluste ausländischer Gläubiger gegenüber kasachischen Banken nicht zuständig. Bis heute verfolgt sie die Strategie, die wirtschaftlichen Probleme zu Lasten ausländischer Gläubiger zu lösen.

Die Nachfrage steigt wieder

Dank der Umschuldungen haben sich die Banken heute stabilisiert. Hinzu kommt, dass die steigenden Erlöse für Öl und Gas die Wirtschaft wieder angekurbelt haben. Seit 2010 steigt die Nachfrage im Immobiliensektor wieder an. Von Januar bis Dezember vergangenen Jahres sind die Wohnraumkäufe um 17 Prozent, die Aufnahme von Hypotheken um zwei Prozent und die Quadratmeterpreise um bis zu vier Prozent gestiegen. „Die Erholung am Immobilienmarkt geht wie auch in anderen Ländern eher langsam vor sich und hat Astana und Almaty bisher nicht erreicht“, so Hans Holzhacker, Chefökonom der zur Unicredit-Gruppe gehörenden ATF-Bank.

Aber ein Wirtschaftswachstum von sechs bis sieben Prozent bewirkt auch höhere Löhne und damit eine steigende Wohnungsnachfrage. Mit durchschnittlich 18,3 Quadratmetern Wohnraum pro Kopf sind die verfügbaren Immobilien in Kasachstan derzeit knapp. Zum Vergleich: In Österreich sind es 38 Quadratmeter, in Russland 22, in den USA 65 pro Kopf. „Sobald die Preise steigen, könnte es auch wieder zu einer Immobilienblase kommen“, sagt Holzhacker. „Aber wohl nicht mehr in dem Ausmaß wie 2007. Die Anleger sind vorsichtiger geworden.“

Weil es in Kasachstan schlicht an anderen Investitionsmöglichkeiten fehlt, will die Regierung nun gegensteuern. Der kasachische Premierminister Karim Massimow warnte bereits vor den Gefahren einer erneuten Immobilienblase und fordert, dass der Staat stärker eingreift: „Der Wohnungsmarkt muss grundsätzlich eine neue Basis bekommen. Die Blase hat gezeigt, dass der Staat sich aus der Regulierung nicht zurückziehen darf.“ Die kasachische Regierung will den Bürgern nun ermöglichen, in sogenannte Volksaktien zu investieren. Jeder Kasache soll damit Anteile an einigen der größten Staatskonzerne erwerben können. Doch seit Monaten wird die Emission hinausgezögert. Offenbar traut der kasachische Staat seinen eigenen Regulierungsmechanismen nicht.


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