Das schwierige Geschäft mit enteigneten Immobilien
Rückgabe enteigneter Gebäuden in Rumänien schwierig - für Besitzer und Mieter Wie Schlagzeilen doch täuschen können. "Erste Entschädigungen in Bargeld ausgezahlt" - Was sich Ende November vergangenen Jahres las wie eine Erfolgsmeldung, ließ viele Betroffene nur müde lächeln. Zwar wurden einigen Rumänen für ihre unter dem kommunistischen Regime enteigneten Immobilien bis zu 250.000 Lei (ca. 75.000 Euro) ausgezahlt. Dafür hatten sie den Kampf um deren Rückerstattung in natura verloren. Ein Beteiligter fasste die Situation vieler zusammen: "Ich habe zwar weniger bekommen, als ich erwartet hatte, aber ich habe keine Kraft, fünf oder zehn Jahre gegen den Staat zu prozessieren." Die symbolträchtige Übergabe durch Premierminister Calin Popescu-Tariceanu wirkte denn auch wie eine unwillkommene Erinnerung an einen Haufen ungelöster Fragen.Fragen, von denen viele betroffen sind. Zum einen die Enteigneten, unter ihnen viele Rumäniendeutsche. Die Rückgabe ehemals nationalisierter Gebäude stand nicht gerade oben auf der Agenda der ersten postkommunistischen Regierung um Ion Iliescu. Sie wurde vielmehr häufig durch ein Gesetz unmöglich gemacht, das es den Mietern der fraglichen Wohnungen erlaubte (und bis heute erlaubt), diese zu extrem vorteilhaften Konditionen vom Staat zu kaufen. Schätzungen zufolge wurden nicht weniger als 75 bis 80 Prozent aller nationalisierten Wohneinheiten an deren Bewohner verkauft, was die rechtmäßigen Besitzer heute vor oft unüberwindbare Probleme stellt.Zum Beispiel die Siebenbürger Sächsin Karin Decker-That, die so zwei der neun Wohneinheiten ihres rosafarbenen Mehrfamilienhauses mitten im historischen Zentrum des siebenbürgischen Tourismusmagneten Schäßburg/Sighisoara verlor. Der Staat verkaufte 1996 und 1997 eine Dachwohnung sowie das Häuschen im Innenhof an die damaligen Mieter des Bacon-Hauses, wie es in Anlehnung an Decker-Thats Vorfahren heißt. Obwohl sie die restlichen sieben Wohneinheiten zurück erhielt, kann Decker-That deshalb die Renovierung des nach über 50 Jahren Staatsbesitz stark vernachlässigten Gebäudes nicht angehen, es fehlt die juristische Handhabe. Im Sommer 2002 wurde der Erbengemeinschaft, die Decker-That vertritt, von der Stadt Schäßburg wie zum Hohn eine Entschädigung für die zweifelhaften Wohnungsverkäufe geboten - von umgerechnet jeweils 500 Euro.
Das Bacon-Haus in Schäßburg hat schon bessere Tage gesehen.
Karin Decker-ThatSchon die sieben Wohneinheiten zurückzubekommen, war alles andere als ein Spaziergang. Denn der Weg zur Restitution, wie die Rückgabe enteigneter Häuser offiziell heißt, ist auch nach der heutigen Gesetzeslage beschwerlich. "Die ganze Prozedur ist so hart, es kostet so viel Kraft", erzählt Decker-That, die in Deutschland lebt, am Telefon. "Alte Leute, also die Generation, um die es geht, können das kaum noch schaffen." Die Liste der praktischen Probleme ist schier endlos. Die lokalen Verwaltungsapparate, bei denen die Anträge eingereicht werden müssen, agieren uneinheitlich und oft willkürlich. Dokumente werden verschlampt oder verleugnet, die Arbeitsschritte verlangsamt bis ins Unerträgliche. Rechtsbelehrungen oder gar administrative Unterstützung von Seiten der Behörden gibt es keine. Vor allem in ländlichen Gegenden, wo sich manche Lokalpolitiker noch benehmen wie kleine Könige, geschieht das nicht aus Unfähigkeit, sondern aus Eigennutz. Politische Ämter und Interessen einflussreicher Großbürger sind häufig unzertrennlich.Ein weiteres Hindernis: Die Frist, die ein erstes Gesetz 2001 zur Einreichung von Restitutionsanträgen für Gebäude vorsah, ist schon lange abgelaufen. Mehrmals wurde sie verlängert, letztmals zum Juli 2003. Eine nochmalige Verschiebung der Fristen nach hinten gilt als sehr unwahrscheinlich. Für viele reicht das nicht aus, so dass sie sich fühlen, als seien sie zum zweiten Mal enteignet worden. Viele Antragsteller halten diese Fristen für einen Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention, die Rumänien 1993 unterzeichnet hat. Beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte stapeln sich diesbezügliche Klagen.Grund genug für Decker-That, zusammen mit einem Bekannten im Dezember 2006 einen Arbeitskreis zu gründen. "Daraufhin gab es Anrufe noch und noch." Das Interesse war so groß, dass sich der Arbeitskreis zu dem Verein "ResRo" - kurz für Restitution in Rumänien - auswuchs, dem Decker-That vorsitzt (www.resro.eu).Doch so nachvollziehbar die Frustration der rumäniendeutschen Antragsteller auch ist - ihre Probleme verblassen, wenn man sich die Kehrseite des Phänomens Restitution ansieht: Das Schicksal der Hausbewohner, die ausziehen müssen. Nationalisierte Wohneinheiten wurden zu kommunistischen Zeiten Familien oder Individuen vom Staat zugewiesen. Viele leben noch immer in solchem Staatseigentum und zahlen - gemessen am Marktwert - lächerlich geringe Mieten. Wird ein Wohnhaus nun an den ursprünglichen Besitzer zurückgegeben, will die große Mehrzahl von ihnen ihre Gebäude entweder von Grund auf renovieren oder verkaufen (oder, nicht selten, beides). Dafür müssen die Bewohner raus. Zwar genießen sie laut Gesetz fünf Jahre nach der Rückerstattung Kündigungsschutz und ihnen dürfen bei geringem Einkommen keine exorbitanten Mieterhöhungen auferlegt werden. Aber viele Hausbesitzer halten sich nicht an diese Regelungen und profitieren dabei vom Unwissen der Bewohner. Besonders heikel wird die Problematik in Rumänien dadurch, dass der Mietmarkt mehr als undynamisch ist und die Preise für die wenigen verfügbaren Wohnungen für Rumänen, die an staatliche Mieten von etwa 20 bis 30 Euro gewohnt waren, unbezahlbar sind. Zusammengenommen heißt das für viele Betroffene: Sie wissen nicht wohin.Eine unangekündigte Besichtigung des Bacon-Hauses in Schäßburg bringt diese dunkle Seite gleich mehrfach ans Licht. Die Siebenbürger Sächsin Martha Szombati wohnt mit ihrer Familie seit 22 Jahren zur Miete in dem großen Anbau im Hof. Eines Tages standen die Erben Bacon vor der Tür: "'Hier ist unser Heim.' Natürlich war das für uns erst einmal ein Schock, als wir hörten, dass es jetzt Besitzer gibt, die die Wohnung irgendwann zurückhaben wollen", erzählt Szombati.
Hier sind die Szombatis seit 22 Jahren zu Hause.
Karin Decker-ThatDass die Enteignung ein Unrecht war, das Wiedergutmachung verlangt, verstehe sie natürlich, "Gerechtigkeit muss sein". Aber - und in diesem "Aber" liegt die ganze unauflösbare Tragik dieser Episode post-kommunistischer Realität: "Wir haben nichts verbrochen." Im Gegenteil, Martha Szombati fühlt sich selbst einer gewissen Ungerechtigkeit unterworfen. "Ich bin Deutschstämmige, bin nicht ausgewandert, habe wirklich stramm gestanden und über dreißig Jahre lang meine Arbeit an der deutschen Schule gemacht. Und jetzt stehe ich vor dem Problem: Wohin mit meiner Familie?" Gut, dass die verantwortungsvolle Einstellung der Besitzerin im Falle des Bacon-Hauses Schlimmeres verhindert: "Ich kann diese Leute unmöglich auf die Straße setzen. Das sind die Ärmsten der Armen", bestätigt Karin Decker-That. Damit ist sie eher die Ausnahme.Ein Blick auf die Zahlen zeigt, wie groß diese Problematik noch werden kann: Bislang wurden insgesamt 201.749 Anträge auf Restitution oder Kompensation eingereicht, davon ca. 90.000 für enteignete Wohnungen oder Häuser.Die Gründe für das grobe staatliche Missmanagement dieser Situation liegen auf mehreren Ebenen. Erstens sind Rumäniens mangelhafte administrative Kapazitäten ohnehin legendär. Zweitens wäre eine zügige und lückenlose Aufarbeitung schlicht zu teuer. Schätzungen gehen davon aus, dass allein zur Begleichung aller bislang gestellten Anträge auf Entschädigung ungefähr 22 Milliarden Euro nötig wären - was mehr als der Hälfte der im Staatshaushalt 2007 vorgesehenen Gesamtausgaben entspräche. Und diese Zahl beinhaltet nicht die Baukosten einer ausreichenden Anzahl an Ersatzwohnungen.Der dritte und schwerwiegendste Grund aber ist, dass in keinem Bereich die privaten Interessen der politischen Elite eine so große Rolle spielen wie in der Welt der Immobilien. Von einem Gesetz aus dem Jahre 1995 zum Beispiel profitierten nicht nur drei verschiedene Premierminister, sondern auch der damalige Präsident Ion Iliescu selbst. Kurz vor Ende seiner Amtszeit erwarbe er ein Vier-Zimmer-Appartement in Bukarest für einen Bruchteil des Marktwerts. Und der ehemalige Regierungschef Adrian Nastase verlor im März 2006 ein Misstrauensvotum seines eigenen Parteivorstands, weil er nicht erklären konnte, wieso er ein 700 Quadratmeter großes Grundstück in einer schicken Bukarester Wohngegend für weniger als ein Zwanzigstel seines Wertes erstehen konnte. Auch die Gebäude des so genannten Protokollamtes, luxuriöse Residenzen in Bukarester Nobelvierteln, die während des Kommunismus von der Nomenklatura bewohnt wurden, werden seit der Wende von der neuen, post-kommunistischen Elite genutzt. Bis heute leben viele politische Größen dort zu geringen Mietpreisen. Ende November 2007 schaffte es ein Gesetz locker durch das Abgeordnetenhaus, das es den jetzigen Mietern - unter ihnen Verteidigungs- und Interims-Justizminister Teodor Melescanu, Ex-Justizminister Tudor Chiuariu und der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Mircea Geoana - erlaubt, diese Wohnungen zum Vorzugspreis zu kaufen - offiziell, um Verwaltungskosten zu sparen.Es steht außer Frage, dass das janusköpfige Monster Restitution noch eine ganze Weile sein Unwesen treiben wird, egal, in welches seiner beiden Gesichter man schaut. Solange die Mächtigen des Landes die Immobilienbranche als einen offenen Geldhahn mit Selbstbedienung betrachten, besteht wenig Anlass zur Hoffnung.ENDENachdruck und Weiterverwertung dieses Artikels sind kostenpflichtig. Informationen im n-ost-Büro unter (030) 30 83 11 87