Kalter Krieg auf kurzer Welle
Botho Kirsch über 30 Jahre Radiofunk in die SowjetunionEr war ein Kalter Krieger im Äther, ein Stachel im Fleisch der Sowjetunion und der Regierung Willy Brandt ein permanentes Ärgernis. Das zumindest behaupteten seine Gegner. Botho Kirsch, einer der umstrittensten Journalisten Deutschlands, hat nun ein Buch über die Medienarbeit im Kalten Krieg vorgelegt.Als Zeitungskorrespondent wurde Kirsch 1961 aus Moskau ausgewiesen, wegen allzu kritischer Berichterstattung. Wenig später trat er jenen Posten an, den er für nahezu drei Jahrzehnte behalten sollte: Er wurde Leiter des russischen Programms der Deutschen Welle in Köln. Mauerbau, Entspannungspolitik, Rüstungswettlauf und Perestroika - den Stoff für seine russischen Radio-Sendungen, die über Kurzwelle die Menschen jenseits des Eisernen Vorhangs erreichten, lieferte die Geschichte. Im Wettstreit der Systeme bezog Botho Kirsch von Anfang an eine klare Position. Er glaubte nicht daran, dass sich das totalitäre Sowjetsystem jemals in eine offene sozialistische Gesellschaft wandeln könnte. Also setzte er alles daran, den Schutzwall der zensierten Information zu durchbrechen, der die sowjetische Bevölkerung vom Rest der Welt trennte. So berichtete das russische Programm der Deutschen Welle über die aktuelle Politik in Ost und West. Es verlas Solschenizyn und Pasternak, als die Werke dieser Schriftsteller in der Sowjetunion noch streng verboten waren. Mancher Hörer berichtete Kirsch später, wie er die Sendungen mit einem Recorder aufnahm, sie auf einer alten Schreibmaschine abtippte und im Freundeskreis weiterreichte. Die pfeifenden Störsender aus der Zentrale, als KGB-Jazz verlacht, waren dagegen machtlos. Dass die Staatsspitze in Moskau die Kölner als "aggressive Ätherbande" auf "antisowjetischem Kreuzzug" beschimpfte, liegt auf der Hand. Doch auch im eigenen Land wurde Redaktionsleiter Botho Kirsch angegriffen. Er störte die Entspannungspolitik der sechziger und siebziger Jahre. Kirsch hielt die Anfeindungen von Politikern und Kollegen aus und blieb trotz etlicher Disziplinarbeschwerden und Gerichtsklagen bis 1994 bei der Deutschen Welle. Seine Erinnerungen an diese Zeit hat der inzwischen 80-Jährige gut gegliedert und scharf analysierend in einem Buch zusammengefasst, das sich angenehm von den herkömmlichen Anekdotensammlungen unruhiger Ruheständler unterscheidet. Lesenswert ist es als Rückblick in die Vergangenheit ebenso wie als Ratgeber für den Umgang mit dem heutigen Russland. Die eigentliche Stärke dieses Landes, folgert Kirsch aus fast einem halben Jahrhundert Berufserfahrung, "liegt in der Fähigkeit, den Westen über seine Schwäche zu täuschen".Botho Kirsch: Ein Fass Honig und ein Löffel Gift. Kalter Krieg auf kurzer Welle, Books on Demand, Norderstedt 2007. 272 Seiten, 15,40 EuroENDENachdruck und Weiterverwertung dieses Artikels sind kostenpflichtig. Informationen im n-ost-Büro unter (030) 30 83 11 87