Serbien

Tadics Sieg findet im Kosovo geteiltes Echo

Nach der Wiederwahl von Staatspräsident Boris Tadic bleibt Serbien auf der Spur in Richtung Europa. Vielen Kosovo-Albanern wäre ein Sieg des Ultranationalisten Tomislav Nikolic allerdings lieber gewesen. Manche befürchten nun, dass Brüssel in der Frage der Kosovo-Unabhängigkeit zu stark auf seinen Wunschkandidat Tadic Rücksicht nehmen könnte."Boris - Präsident!", skandierten Tausende feiernder Anhängern des im Amt bestätigten Staatschefs Boris Tadic, als dieser an der Zentrale der Demokratischen Partei (DS) in Belgrad ankam.

Die vielen jungen Leute schwenkten unzählige Fahnen Serbiens, von Tadics Partei DS und der Europäischen Union. "Wir haben Europa gezeigt, was für eine Demokratie wir in Serbien haben", rief Tadic der Menge zu. Nach Auszählung von über 98 Prozent der Wahlzettel entfielen laut Wahlkommission 50,6 Prozent der Stimmen auf Tadic und 47,7 Prozent auf Nikolic, der Rest war ungültig. Tadics geringer Vorsprung von rund 100.000 Stimmen zeigt aber auch, wie gespalten Serbien ist. Die Wahlbeteiligung lag mit fast 68 Prozent so hoch wie bei keiner serbischen Wahl seit dem Jahr 2000. Die EU hat den Sieg Tadics begrüßt. Die slowenische Ratspräsidentschaft zeigte sich erfreut, dass Serbien den demokratischen und europäischen Kurs des Landes unterstütze.

Wahlverlierer Nikolic von der ultranationalistischen Radikalen Partei Serbiens (SRS) gestand seine Niederlage ein und bedauerte, "dass die Angst diese Wahlen beherrscht hatte". Nikolic, der sein Land enger an Russland heranführen wollte, spielte damit auf Tadics Wahlkampf an. Der Präsident hatte immer wieder davor gewarnt, im Falle eines Sieges von Nikolic würde Serbien in die Isolation und den Geist der 1990er-Jahre unter Slobodan Milosevic zurückgeworfen. Diese Warnung schien viele Proeuropäer, die im ersten Wahlgang zu Hause geblieben waren oder für einen anderen Kandidaten gestimmt hatten, aufgeweckt und an die Urnen gelockt zu haben. Die Hauptstadt Belgrad, die in der ersten Runde noch an Nikolic gegangen war, gewann Tadic nun mit deutlichem Vorsprung. Zudem waren es die nordserbische Provinz Vojvodina, wo eine große ungarische Minderheit lebt, sowie der von vielen Muslimen bewohnte serbische Teil des Sandzaks von Novi Pazar im Westen des Landes, die Tadic viele Stimmen brachten.

Gastwirtin Ibrima, die eine Kneipe im Sandzka-Nest Gostun an der montenegrinischen Grenze betreibt, meinte: "Wir sind doch hier alle für Europa. Nikolic hat bei der ersten Wahlrunde hier nur drei Stimmen geholt." Die Einschüchterungen der ethnischen Minderheiten durch das Regime in der Ära Milosevic, unter dem Nikolic eine zeitlang Vizepremier war, sind hier nicht vergessen. Gerade umgekehrt ist das Bild in der zu 90 Prozent von ethnischen Albanern bewohnten südserbischen Provinz Kosovo, die sich schon bald von Serbien lossagen und einen unabhängigen Staat ausrufen wird. Die Wahlberechtigten unter den im Kosovo lebenden rund 120.000 Serben stimmten zu über 70 Prozent für Nikolic - die Kosovo-Albaner boykottieren serbische Wahlen seit Jahren.

Nikolics ablehnende Haltung gegenüber der EU, deren Mitglieder einen unabhängigen Staat Kosovo mehrheitlich anerkennen werden, hat die Kosovo-Serben offensichtlich mehr überzeugt als Tadics Grundsatzposition, die Kosovo-Frage und die EU-Integration nicht miteinander zu verknüpfen. Als eigentlichen Wahlverlierer sehen viele Belgrader Politbeobachter aber den europakritischen Premierminister Vojislav Kostunica, der seinem Koalitionspartner Tadic eine Empfehlung bei der Präsidentenwahl versagt und damit indirekt Nikolic unterstützt hatte. Der Soziologe Jovo Bakic sagte, durch den Wahlausgang sein Kostunicas Demokratische Partei Serbiens (DSS) marginalisiert worden. Tadics Minister können nun aus einer Position der Stärke heraus auf der im Koalitionsvertrag vereinbarten EU-Orientierung Serbiens bestehen. Gibt es darin keine Verständigung, wird ein Auseinanderbrechen der Regierung immer wahrscheinlicher.

In Prishtina hat die Wahl in Serbien nur wenig Interesse bei der albanischstämmigen Bevölkerung hervorgerufen. Die Berichterstattung über den Rückrundenstart der deutschen Fußball-Bundesliga war auf den Bildschirmen in den Bars der Kosovo-Hauptstadt weitaus präsenter. Die Unabhängigkeit komme so oder so bald, heißt es überall, was würden da die Wahlen in Serbien schon ausmachen. Doch Bujar Bukoshi gibt offen zu, dass er sich "über einen Sieg Nikolics gefreut" hätte. Der Parlamentsabgeordnete der von Ibrahim Rugova gegründeten Demokratischen Liga des Kosovo (LDK) ist zwar alles andere als ein Freund des serbischen Ultranationalisten. Doch aus kosovo-albanischer Perspektive hätte dies den Unabhängigkeitsprozess eher beschleunigt, so Bukoshi. Denn auf ein von einem Radikalen geführtes Serbien hätte Europa in der Kosovo-Frage wohl weniger Rücksicht genommen.

"Jetzt wird es wieder heißen, Serbien sei doch ein demokratisches Land", sagte Bukoshi, der von 1991 bis 2000 "Premierminister" der kosovarischen Exilregierung mit Sitz in Bonn war. Der Politologe Genc Krasniqi vom Prishtinaer Institut Kipred wäre nicht erstaunt, wenn "die EU nun mit Serbien wieder beginnt, über einzelne Konditionen der Kosovo-Frage zu verhandeln", anstatt die Unabhängigkeit schnell durchzuziehen. Genc und Bukoshi befürchten vor allem, dass dabei der fast ausschließlich serbische besiedelte Nordteil der Provinz zum Verhandlungsthema werden könnte. Bukoshi warnt schon jetzt, dass "es Ärger geben wird", falls das Kosovo nicht als Ganzes in seinen heutigen Grenzen unabhängig werde: "Wir wollen kein amputiertes Kosovo!" Gestern (4. 2. 2008) kündigte der kosovarische Parlamentspräsident Jakub Krasniqi an, die Unabhängigkeit solle noch im Februar ausgerufen werden.


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