Russland

Einreiseverbot für kritische Journalistin

Als sie nach Moskau zurückkehrte, verweigerten Grenzbeamte ihr die Einreise. Seitdem hofft die Journalistin Natalja Morar in der Republik Moldau auf eine Rückkehr in ihre Wahlheimat Russland. Wenige Tage vor der Einreiseverweigerung war in der "New Times" Morars kritischer Artikel mit dem Titel "Die Schmiergeldkasse des Kreml" erschienen, in dem die Journalistin detailliert über undurchsichtige Geldspenden bei der Duma-Wahl berichtete.

Natalja Morar hat in den vergangenen Wochen viel Zeit mit ihrer Mutter verbringen können. Sie war auch auf Reisen und hat den georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili zu dessen Wahl interviewt. Dabei gehörte das bisher nicht zu ihren Aufgaben. Die Journalistin berichtete über russische Themen, in aller Regel investigativ und kritisch. Sie schrieb für das unabhängige Wochenmagazin "The New Times" in Moskau; der Stadt, die sie seit sechs Jahren ihre neue Heimat nennt. Doch seit Mitte Dezember vergangenen Jahres sitzt Morar in ihrer alten Heimat, der moldauischen Hauptstadt Chisinau, fest - gezwungenermaßen.Als die 24-Jährige nach einem Seminar in Israel am Moskauer Flughafen Domodedowo landete, verweigerten die Grenzbeamten der gebürtigen Moldauerin den Eintritt in die Russische Föderation, trotz gültiger Papiere. Sie sei in Russland nicht länger erwünscht, wurde ihr erklärt. Erst auf Morars Nachfragen sagte ein Grenzbeamter, die Anweisung komme aus dem "Zentralapparat des FSB", dem russischen Geheimdienst. Ihre Ausweisung erfolge nach Artikel 27 des russischen Einreisegesetzes. Der sieht vor, Ausländern die Einreise zu verwehren, sofern sie eine Gefahr für die Verteidigungsfähigkeit des Landes, die Staatssicherheit, die öffentliche Ordnung oder die Gesundheit der Bevölkerung darstellen.Morar verbrachte die Nacht in einem Abschieberaum und wurde am folgenden Morgen in ein Flugzeug in die moldauische Hauptstadt gesetzt. Erst in ihrer Heimatstadt bekam sie nach Vernehmung durch die örtliche Einwanderungsbehörde ihre Ausweispapiere zurück, die ihr zuvor abgenommen worden waren. Bis Mitte Januar musste Morar auf eine offizielle Begründung für ihre Ausweisung warten. Dann belegte der russische Botschafter in Chisinau die Entscheidung mit Artikel 27, ohne weitere Hintergründe zu nennen.Diese glaubt Morar ohnehin zu kennen: Ihre Arbeit soll zur Ausweisung geführt haben. Wenige Tage zuvor war in der "New Times" ein kritischer Artikel mit dem Titel "Die Schmiergeldkasse des Kreml" erschienen, in dem Morar detailliert über undurchsichtige Geldspenden bei der Duma-Wahl berichtete. Auch die stellvertretende Chefredakteurin des Magazins, Jewgenija Albaz, vermutet, dass die Ausweisung eine Antwort der Regierung auf die kritischen Berichte ihrer Mitarbeiterin ist. Es handele sich um eine "Strafe der russischen Behörden", sagt Albaz.


Natalja Morar - Foto: Ilja Barabanow

Die "New Times" und Morar wollen die Ausweisung vor einem Gericht anstreiten und gegen den FSB klagen. Ein Anwalt habe alle nötigen Dokumente gesammelt und eine offizielle und umfassende Auskunft vom Inlandsgeheimdienst gefordert. Auf vorangegangene Anfragen der Redaktion antwortete der FSB nach Wochen des Schweigens Mitte Januar mit einem hinhaltenden Schreiben. Albaz hofft nun noch auf eine ausführlichere Auskunft bis Mitte Februar, wenn die vorgeschriebene Antwortfrist von 30 Tagen endet. Die Chancen auf Erfolg bei einem russischen Richter seien "schwierig" einzuschätzen, sagt Morar. Notfalls wolle sie vor ein Gericht in Europa ziehen.Die Journalistin arbeitet trotz allem weiter. Sie stehe im täglichen Kontakt mit ihrer Redaktion und schreibe jede Woche für ihr Blatt - nur zurzeit nicht über Russland, sagt Morar. "Wie kann eine 24-Jährige eine Gefahr für die Sicherheit des Staates sein?", möchte sie wissen. Gefährlich sei sie allerdings für Personen beim FSB und im Kreml, deren Machenschaften sie aufdecke und deren Namen sie nenne. Einschüchtern lasse sie sich dennoch nicht, sagt Morar selbstbewusst: "Menschen tun Illegales und ich schreibe darüber. Das ist nun mal die Aufgabe eines Journalisten."Die Organisation "Reporter ohne Grenzen" nennt den Vorfall "eine schamlose Verletzung der Pressefreiheit". Die russische Regierung demonstriere ganz offen ihre Geringschätzung gegenüber der freien Presse und ihre "Entschlossenheit, kritischen Journalismus kalt zu stellen", heißt es in einer Erklärung. "Dieser Vorgang ist ein schockierender Verstoß gegen die Pressefreiheit und eine klare Warnung an andere, nicht zu versuchen, über die dunkle Seite der Politik im modernen Russland zu berichten", sagte Aidan White, Generalsekretär des Verbandes "International Federation of Journalists" (IFJ). Wenn ein Journalist auf diese Weise zum Opfer gemacht werde, ohne die Möglichkeit sich wehren zu können, dann sei die Pressefreiheit in Gefahr, völlig ausgelöscht zu werden, so White. Sein Journalistenverband rief die OSZE und den Europarat auf, den Fall zu untersuchen. Auch die russische Journalistenunion verurteile das Vorgehen scharf. "Es ist eindeutig, dass ihre Ausweisung nicht legal war", erklärte Generalsekretär Igor Jakowenko.Wann Morar wieder nach Russland reisen darf, ist fraglich. Die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen könnten eine Option sein. "Ich denke, ein neuer Präsident namens Medwedew wird seine Amtszeit nicht mit einem solchen Skandal beginnen wollen", sagt Morar. Womöglich könnten ranghohe FSB-Mitarbeiter ihre Rückkehr dennoch verhindern. "Russland ist das Land, in dem ich leben möchte", erklärt Morar. Sie hat in der russischen Hauptstadt studiert und ihren ersten Job gefunden. Seit sechs Jahren ist ihr Lebensmittelpunkt in Moskau, hier warten ihr Partner und Freunde auf ihre Rückkehr. Im April wollte die Moldauerin eigentlich die russische Staatsbürgerschaft annehmen. Ihre Kollegen sind zuversichtlich, Morar könnte schon im Frühling zurückkehren. Doch daran will die 24-Jährige nicht so recht glauben. "Ich bin nicht sehr optimistisch", sagt sie. Die Hoffnung gibt Morar dennoch nicht auf: "Ich werde zurückkommen."

ENDE
Nachdruck und Weiterverwertung dieses Artikels sind kostenpflichtig. Informationen im n-ost-Büro unter (030) 30 83 11 87


Weitere Artikel