Serbien

Kostunica will Tadic mit Europa erpressen

Der serbische Premierminister Vojislav Kostunica versucht, den pro-europäischen Präsidentschaftskandidaten Boris Tadic zu erpressen. Kostunica will seinen Koalitionspartner bei der Stichwahl nur unterstützen, wenn dieser seinen klaren Pro-Europa-Kurs aufgibt. Tadic wies die Forderung zurück. Kritiker warnen, Kostunica arbeite auf ein Zusammengehen mit den ultranationalistischen Radikalen hin.

Kostunicas nationalistisch-konservative Demokratische Partei Serbiens (DSS) hat Tadics prowestlicher Demokratischer Partei (DS) eine Änderung des bestehenden Koalitionsvertrags vorgeschlagen. Darin wird zwar die Bereitschaft betont, das bereits paraphierte Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen (SAA) mit der EU zu unterzeichnen. Doch der Text verpflichtet die serbische Regierung, das SAA sofort für ungültig zu erklären, falls die EU ihre geplante zivile Mission zur Ablösung der Uno-Übergangsverwaltung Unmik ins Kosovo schickt. Zwar lehnen alle Koalitionspartner in der serbischen Regierung eine Unabhängigkeit des Kosovo entscheiden ab und teilen die Ansicht, dass es zur Entsendung der EU-Mission eines Beschlusses des Uno-Sicherheitsrates bedarf. Aber Tadics DS ist nicht bereit, den Weg der europäischen Integration von der Haltung der EU im Kosovo-Streit abhängig zu machen.

Genau dies verlangt nun Kostunica. Damit steht Boris Tadic vor einem Dilemma: Will er im erwarteten Kopf-an-Kopf-Rennen vom 3. Februar gegen den Ultranationalisten Tomislav Nikolic von der Serbischen Radikalen Partei (SRS) eine Chance haben, braucht er einen großen Teil der Stimmen aus dem Lager des zusehends europakritischen Premierministers Vojislav Kostunica. Wenn Tadic aber die vorgeschlagene Änderung des Koalitionsvertrages unterschreibt, riskiert er, die Wähler der klar prowestlichen kleinen Parteien, vor allem jene der oppositionellen Liberaldemokraten (LDP) von Cedomir Jovanovic, zu vergraulen. Auf sie ist er für einen Wahlsieg ohnehin angewiesen (vgl. Box). Zudem würde Tadic damit seine Glaubwürdigkeit bei den eigenen Anhängern und in jenen Kreisen in Brüssel, die sich für eine schnelle Annäherung Serbiens an die EU einsetzen, in Frage stellen. 



Resultate des ersten Wahlganges vom 20. Januar

Tomislav Nikolic: 39,99 Prozent

Boris Tadic: 35,39

Velimir Ilic (unterstützt von Kostunica): 7,43

Milutin Mrkonijc (nationalistisch): 5,97

Cedomir Jovanovic (prowestlich): 5,34

Istvan Pastor (prowestlich): 2,26

andere: 1,72


Tadic hatte die Präsidentschaftswahl stets als Referendum für oder gegen die EU bezeichnet und davor gewarnt, mit einem Präsidenten Nikolic würde Serbien zum Geist der 1990er-Jahre unter Slobodan Milosevic zurückkehren. Tadic ist sich der schwierigen Lage bewusst und versucht deshalb, keinen Zweifel an seiner pro-europäischen Haltung aufkommen zu lassen. Ohne direkt auf Kostunicas Erpressungsversuch einzugehen, sagte er bei einem Wahlkampfauftritt: "Ich lasse nicht zu, dass irgendjemand Bedingungen für die europäische Zukunft Serbiens und die Zukunft unserer Kinder aufstellt." Es gebe keine Alternative zum europäischen Weg. Politische Beobachter glauben denn auch nicht daran, dass Tadic Kostunicas Vorschlag zustimmen wird. Der Präsident müsse eine Wahl treffen, sagte Marko Blagojevic vom nichtstaatlichen Zentrum für freie Wahlen und Demokratie (Cesid) der Nachrichtenagentur Beta. Da sei es nur logisch, "dass er sich seiner Zielgruppe zuwendet, die proeuropäisch ist".

Tadics Gegenkandidat Nikolic lehnt zwar eine Annäherung an Europa nicht grundsätzlich ab, bevorzugt aber eine engere Partnerschaft mit Moskau. Damit liegt er ganz auf der Linie von Ministerpräsident Kostunica, den der Belgrader Wirtschaftsexperte Misa Brkic von der Zeitschrift "Ekonomist" als "russophil" bezeichnete. Der Parlamentsabgeordnete Nenad Canak, dessen kleine prowestliche "Liga der Sozialdemokraten der Vojvodina" Tadic unterstützt, warf Kostunica vor, auf eine Niederlage des Koalitionspartners und das Auseinanderbrechen der Regierung hinzuarbeiten. Es sei völlig klar, dass die DSS "mit den Radikalen eine Regierung bilden will", sagte er dem Radiosender B92. Ziel dieser Koalition sei es, den Rückhalt in der "zivilisierten Welt gegen die Unterstützung durch Russland zu tauschen".

Am Freitag unterschreibt der serbische Infrastrukturminister Velimir Ilic in Moskau im Beisein von Tadic und Kostunica sowie dem russischen Präsidenten Putin ein milliardenschweres Energieabkommen zwischen Russland und Serbien. Die beiden Länder haben sich auf den Bau der Erdgaspipeline "South Stream" des russischen Gasmonopolisten Gazprom durch Serbien geeinigt. Im Gegenzug erwirbt Russland die Mehrheit am bislang staatlichen serbischen Erdölkonzern NIS und verstärkt damit seinen Einfluss im europäischen Energiemarkt. Kritiker werfen der serbischen Regierung vor, NIS als Dankeschön für Moskaus Unterstützung im Kosovo-Konflikt viel zu billig an Gazprom zu verkaufen.


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