Immer mehr Russen trinken fremd
Vor allem bei Reichen werden westliche Wässerchen wie Whiskey, Rum oder Gin zunehmend beliebtWer einen x-beliebigen Lebensmittelladen zwischen Kaliningrad und Jakutsk betritt, bekommt einen ziemlich guten Eindruck davon, welchen Stellenwert der Wodka im russischen Leben einnimmt: Die prominentesten Regalreihen sind für das hochprozentige "Wässerchen" reserviert. Schier endlos scheint die Auswahl an Flaschenfomen, Aromatisierungen und Preisklassen. Obst und Gemüse, Brot, Milchprodukte und andere Lebensmittel drängeln sich verschämt in die Ecken des Geschäftes. Erstmals gebrannt haben die Russen das Gemisch aus Roggen, Hefe, Zucker und Wasser vor rund 500 Jahren. Seither hat der Wodka ganze Generationen über Krieg, Revolution und Hunger hinweggeholfen. Auch in der Nacht zu Montag floß in Putins Reich wieder besonders viel Hochprozentiges, stößt man doch in der orthodxen Welt in der Nacht vom 13. auf den 14. Januar auf das "alte" Neujahr ("alt" nach julianischem Kalender) an. Bis zu 19 Liter reinen Alkohols konsumiert statistisch gesehen jeder Russe in jedem Jahr seines relativ kurzen Lebens. 85 Prozent der Männer trinken regelmäßig - und werden im Schnitt nicht älter als 59 Jahre.
Anstoßen auf den Tag der Frau
Andreas MetzInzwischen bekommt das ebenso beliebte wie gefährliche Nationalgetränk Wodka zunehmend ausländische Konkurrenz: Whiskey, Gin und Rum legten bei den Alkohol-Importen nach Russland deutlich zu, meldet das "Föderale und Regionale Alkoholmarkt-Forschungszentrum" in Moskau. 2007 habe Russland 11,7 Millionen Liter Whiskey importiert, ein Zuwachs um 160 Prozent im Vergleich zu 2006. Hauptlieferanten dieses in der Regel eher minderwertigen Getreidebrands seien England, Irland und die USA. Whiskey macht inzwischen mehr als zwölf Prozent des gesamten importierten Alkohols aus. Dieter Herbert, seit 1996 als deutscher Geschäftsmann in Moskau, kann den Geschmacks-Trend nur bestätigen: "Früher kreiste bei Geschäftsessen die Wodka-Karaffe. Heute wird sehr gerne Bourbon oder Cognac bestellt, um einen Abschluss stilvoll zu feiern." Auch als Luxusgeschenk legt Whiskey zu. "Da kann man Kennerschaft signalisieren und dass man über das entsprechende Geld verfügt", vermutet Herbert.Neben Whiskey wird auch Rum in Russland populärer. Zwei Millionen Liter des Zuckerrohrschnapses wurden im letzten Jahr importiert, doppelt so viel wie im Jahr davor. Die meisten Flaschen stammen aus Puerto Rico, und Kuba . Gin konnte seinen Marktanteil ebenso steigern, bleibt aber in absoluten Mengen hinter Whiskey, Rum und Tequila zurück. Der Grund: Der Wachholderbrand wird hauptsächlich im hochpreisigen Marken-Segment angeboten.
Wodka-Schmuggel an der Russisch-Polnischen Grenze
Andreas MetzDie Moskauer Alkohol-Marktforscher haben außerdem herausgefunden, dass der heimische Wodka-Markt zunehmend von ukrainischen, schwedischen und finnischen Produkten überschwemmt wird. Besonders die Ukraine hat eine beachtliche Dominanz erreicht. Bereits 87 Prozent des importierten Alkohols stammt vom ehemaligen Brudervolk im Südwesten. Neben Krimsekt ist auch günstiger ukrainischer Cognac in Russland sehr beliebt. Tendenz weiter steigend. Doch trotz des Durstes der Russen nach den presigeträchtigen West-Spirituosen: Es wäre naiv, dem Wodka den Sturz in die Bedeutungslosigkeit vorauszusagen. Seine Vorherrschaft konnte bisher nicht einmal Stalin brechen. Zwar weiß niemand, wieviel Klarer in Russland insgesamt produziert und getrunken wird. Aber fest steht: zum ohnehin beachtlichen legalen Wodka-Markt kommen noch große Mengen "Samogon" (Hausgebrannter) und Schmuggelware. Und auch außerhalb des Mutterlandes, zum Beispiel im Berliner Nachtleben, erfreut sich das "Wässerchen" - pur und als Mixgetränk - immer größerer Beliebtheit. Na dann: "Sa sdorowje!" ENDE
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